Die Lebensgeschichte, aus dem das Drehbuch des Films entstanden ist, ist im Jahr 2010 unter dem Titel „Lebenslinien: Warum ich keine Abtreibungsklinik mehr leite“ erschienen. Das Buch wurde von Alexandra Linder ins Deutsche übersetzt. Die Handlung des Films bezieht ihre Spannung aus der Kündigung in der Abtreibungsklinik. Das ist gleich am Anfang zu sehen: Abby muss als nicht-medizinische Angestellte bei einer Abtreibung assistieren und sieht im Ultraschall die Reaktionen des ungeborenen Kindes, das um sein Leben kämpft. Wir werden an einen Dokumentationsfilm von Bernhard Nathanson (1984, Der Stumme Schrei) erinnert, dem auch eine Bekehrung vorausgegangen war.
Die weiteren Szenen bestehen aus Episoden, die erläutern, wie es dazu kam. Wir erfahren, dass sie selbst ihre beiden ersten Kinder hat abtreiben lassen. Das erste, weil sie nicht ein Leben lang an den Mann gebunden sein wollte, der der Kindsvater war – ein Partnerproblem. Das zweite Kind musste noch vor der Geburt sterben, weil sie gerade eine leitende Position bei „Planned parenthood“ erhalten hatte. Die Karriere war ihr in dieser Situation wichtiger. Trotzdem hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits ihren Mann Dong (gespielt von Brooks Ryan) gefunden, der sie liebte und mit dem sie vor den Traualtar getreten war.
Später besonders belastend: ihr zweites Kind wurde am eigenen Arbeitsplatz abgetrieben. Das dritte Kind, ein Mädchen, erblickte dann glücklicherweise das Licht der Welt. Ihre Schwangerschaft feierte sie überschwänglich mit ihren Kolleginnen in der Klinik, nachdem die Arbeit des Vormittags (etwa 20 Abtreibungen) erledigt war.
Stets präsent: Betende und protestierende Lebensrechtler, die draußen am Gitter vor der Klinik standen und das Gespräch mit den meist jungen Frauen suchten, die sich auf dem Parkplatz der Klinik einfanden.
Abby zeigt sich während dieser acht Jahre stets überzeugt von dem, was sie tut, weil sie der „reproduktiven Gesundheit“ der Frauen einen Dienst erweisen möchte. Sie hat aber gleichzeitig ein familiäres Umfeld, in dem eine Pro-Life-Haltung im Vordergrund steht. Als ihr bei einem Kongress klar wird, dass das Hauptziel ihres Arbeitgebers die Erhöhung der Zahl der Abtreibungen ist, weil auch aus den Gewebestücken, die gewonnen werden, Umsätze generiert werden, ist der Moment gekommen, zu zweifeln. Die Ultraschall-Bilder geben ihr dann den Rest, weil sich ihre bisherigen Überzeugungen als unwahr herausstellen.
Sie leidet nach ihrer Kündigung und Umkehr erbärmlich unter den Lügen, die sie selbst den Frauen vor der Abtreibung aufgetischt hat. Dazu gehörte: der Fetus merkt nichts, die Abtreibung ist schnell vergessen, der (medikamentöse) Abbruch ist harmlos.
Sie hatte selbst eine medikamentöse Abtreibung durchgemacht und auf dem Höhepunkt des Blutverlustes den Arzt angerufen. Sie brüllte ihn an, warum ihr niemand gesagt habe, dass das eine solche Quälerei werden würde, mit einer achtwöchigen Arbeitsunfähigkeit. Der Arzt meinte nur, er könne ihr nicht helfen und müsse sich um eine andere Patientin kümmern.
Die Blutklumpen musste sie selbst aus der Duschtasse fischen und sie in der Toilette entsorgen…
Diese und die Abtreibungs-Szene waren der Anlass, warum der Film in den USA erst ab 17 Jahren freigegeben wurde. Dabei ist der Film an keiner Stelle übertreibend oder blutrünstig, es bleibt alles sehr informativ. Aber vor der Realität, die dargestellt wird, einfach nur die Augen zu verschließen, wäre dem Ernst des Themas nicht gerecht geworden. Vom Arbeitgeber vor Gericht gezerrt kann Abby dann mit Hilfe eines fähigen Anwalts und ihrer neuen Freunde aus einer Lebensschutz-Organisation ihren Lebensweg gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner weitergehen. Der Film zeigt eine Entwicklung zum Guten, die aber in einem Milieu spielt, wo dies nicht unbedingt zu erwarten gewesen wäre. Das filmische und schauspielerische Niveau ist hoch und es geht alles irgendwie gut aus. Im Nachspann erfahren wir, dass die echte Abby insgesamt acht Kindern das Leben geschenkt hat. Im Nachspann wird erwähnt, dass der Film ohne Zutun und ohne Mitarbeit von „Planned Parenthood“ entstanden ist. Offenbar bedarf dies der besonderen Erwähnung, da man mit einer gewissen Gegen-Logik als Zuschauerin auch den Eindruck gewinnen könnte: so wird es also sein, wenn doch mal eine Abtreibung nötig ist.