9.10.24
Durch Arbeitsplatzgarantie Langzeitarbeitslosigkeit abschaffen
Die wissenschaftliche Begleitstudie "Marienthal.reversed" von Jörg
Flecker und Hannah Quinz von der Universität Wien belegt, dass das
"Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal", kurz MAGMA, nicht nur
die individuelle Situation langzeitarbeitsloser Menschen verbesserte,
sondern auch positive gesamtgesellschaftliche Effekte hervorbrachte.
Schon einmal stand der Ortsteil Marienthal in Gramatneusiedel im
Interesse der Sozialwissenschaft. 1933 veröffentlichten Marie Jahoda,
Paul Felix Lazarsfeld und Hans Zeisel eine Studie, die inzwischen zu den
Klassikern der empirischen Soziologie zählt:
In "Die Arbeitslosen von Marienthal" untersuchte das junge Team aus
Wissenschaftler:innen der Universität Wien die Wirkungen langandauernder
Arbeitslosigkeit in der nahegelegenen Arbeitersiedlung Marienthal. In
diesem Ortsteil von Gramatneusiedel in Niederösterreich war 1830 eine
Textilfabrik entstanden, Anfang der 1930er Jahre verloren 1.200
Arbeiter:innen in Folge der Weltwirtschaftskrise ihre Arbeit. Die Studie
machte deutlich, dass Langzeitarbeitslosigkeit nicht zur Revolte
sondern zu Einsamkeit und passiver Resignation führt. Diese Erkenntnisse
haben bis heute Gültigkeit.
Von 2020 bis 2024 führte das AMS in Marienthal/Gramatneusiedel das
international viel beachtete Pilotprojekt "Arbeitsplatzgarantie
Marienthal" durch. Die Idee: Langzeitarbeitslose bekommen einen
garantierten Arbeitsplatz durch die Gemeinde und steigen wenn möglich
später wieder in den regulären Arbeitsmarkt ein. Jörg Flecker und sein
Team begleiteten das Projekt mit einer Studie, die zeigt, wie sich die
finanzielle, soziale, emotionale und gesundheitliche Situation der
Teilnehmenden im Lauf der Projektzeit verändert hat.
"Die soziale Teilhabe am Leben in der Gemeinde hat sich bei allen durch
den garantierten Arbeitsplatz massiv verbessert. Wir sehen anhand dieses
Modells, dass es weniger eine Arbeitsmarktpolitk als vielmehr eine
Beschäftigungspolitik braucht, um langfristig etwas gegen
Langzeitarbeitslosigkeit zu tun", sagt Sozialwissenschaftler Jörg
Flecker.
Elisabeth Scharang stellt Fleckers Zahlen und Statistiken Erfahrungen
aus der Praxis gegenüber: Regina Rieder vom gemeinnützigen Verein FAB
ist spezialisiert auf die berufliche Integration von Menschen mit
sozialen und körperlichen Beeinträchtigungen und Bettina Pieler betreut
langzeitarbeitslose Menschen beim AMS in Gänserndorf. Beide wissen um
die Schwierigkeiten, wenn es um Jobverlust und den Wiedereinstieg ins
Berufsleben geht.
"Die Identifikation mit dem Job ist in Österreich sehr hoch. "Der Job
bin ich" gilt für viele Menschen und der Jobverlust bedeutet oftmals für
die Betroffenen eine Identitätskrise.", sagt Bettina Pieler.
8.10.24
Wie wichtig und wie widerstandsfähig ist die internationale Frachtschifffahrt?
Schon seit Monaten werden Frachtschiffe im Roten Meer von schiitischen Huthi-Milizen aus dem Jemen attackiert. Das hat weitreichende Folgen für den internationalen Warenverkehr. Über die strategisch wichtige Route durch das Rote Meer und den Suezkanal laufen mindestens zwölf Prozent des weltweiten Seehandels.
Mehrere Großreedereien schicken schon so gut wie keine Frachtschiffe mehr durchs Rote Meer. Sie werden stattdessen über die Südspitze Afrikas umgeleitet. Das führt zu Verzögerungen, höheren Kosten und mehr CO2-Ausstoß. Es ermöglicht den Reedereien aber auch, sehr viel höhere Frachtraten zu verlangen. Ausweichrouten, vor allem für Güter aus den exportstarken Ländern Asiens, leiden spürbar an Überlastung. Auch manche Häfen sind den Umleitungen und Verzögerungen nicht unmittelbar gewachsen. Dem Suezkanal, einer wichtigen Devisenquelle für die ägyptische Wirtschaft, brechen indes die Umsätze ein; und der Panamakanal, ebenfalls sowohl „Arterie“ als auch „Nadelöhr" des Welthandels genannt, sucht nach der Dürrekrise weiter nach Zukunftsstrategien.
"Globaler Seehandel in der Krise“, schreiben nun Medien – nicht zum ersten Mal. In besonders eiligen Fällen werde auf Luftfracht ausgewichen, erklärte der dänische Schifffahrts- und Logistik-Konzern Maersk; die Nachfrage für die Container-Schifffahrt sei aber weiter robust. Denn so anfällig, schwerfällig und ressourcenintensiv der Schiffstransport auf den ersten Blick auch wirkt – so alternativlos ist er auch. Die Seefahrt stemmt allein 90 Prozent des Welthandels und wächst immer noch.
Wie ist das internationale Netzwerk von Schiffsrouten, Logistik, Frachtern, Tankern und Häfen austariert, und was passiert, wenn ein wichtiger Schifffahrtsweg auszufallen droht? Wer sind die großen Player auf dem Markt der internationalen Handelsschifffahrt, welchen Einfluss haben sie und wie agieren sie – und auf welche neuen Akteur:innen sollten wir zukünftig ein Auge haben? Wie ist der Transport von Gütern über die Weltmeere überhaupt organisiert und reguliert?