23.9.17

 

Oral History

Vor 50 Jahren wurde eine neue Ära der Geschichtsforschung durch die Gründung der US-amerikanischen Oral History Association wissenschaftlich anerkannt.

Mit einem revolutionären Ansatz, der sich seit den 1930er und besonders den 1950er Jahren abgezeichnet hatte: Das Neue und Bahnbrechende dabei war die "Geschichte von unten" zu erzählen.
Die Methode der Geschichtswissenschaft, also jene mündlich tradierte Geschichte, die ja eigentlich uralt ist, beschäftigt sich mit dem subjektiven Erleben und Umgang der eigenen Geschichte. Einfache Zeitzeug/innen wurden zum Forschungsmittelpunkt, ihre Erinnerungen waren gleichwertig mit jenen von Adeligen oder Vertreter/innen der herrschenden Gesellschaftsschichten. Zwangsarbeiter/innen im Nationalsozialismus, Überlebende von Naturkatastrophen, Vertreter/innen der Arbeiterklasse, der Frauengeschichte, von sozialen Minderheiten oder einfach der Alltagswelt sind ihre Protagonist/innen.

Auch das Oral-History-Projekt der Österreichischen Mediathek, "MenschenLeben", lässt das Jahr 1967 lebendig werden. In persönlichen Erinnerungen erzählen Menschen von der Bedeutung dieses speziellen Jahres für sie.

Die Methodik der Befragung hat sich seit ihren Anfängen weiterentwickelt. Kein Interview dauert unter 12 Stunden, die Art der Fragestellung hat sich methodisch verfeinert.
Inzwischen ist die Oral History fix in der Geschichtswissenschaft angekommen, auch wenn nach wie vor Kritik daran geübt wird. Wenn es etwa heißt, dass heute schon einfache Interviews in der Geschichtsforschung als Oral History bezeichnet werden oder dass aus der Subjektivität der Erzählungen historische Zusammenhänge abgeleitet werden.

Neben dem Wunsch nach einer demokratischen Geschichtsschreibung möchte die Oral History eines erreichen: das aus der Vergangenheit für die Zukunft gelernt wird.
Literatur
Gert Dressel/ Katharina Novy: "5 x Wien. Lebensgeschichten 1918 - 1945", Wien 1995.
Johann Hagenhofer/Gert Dressel: "Eine Bucklige Welt. Krieg und Verfolgung im Land der tausend Hügel", Kirchschlag 2014.
Johannes Hofinger: "Nationalsozialismus in Salzburg. Opfer - Täter - Gegner" (= Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern), Studienverlag 2016.
Albert Lichtblau, Sabine Jahn (Hg.): "Prive Friedjung: Wir wollten nur das Paradies auf Erden". Böhlau Verlag 1995.
Michael Mitterauer (Initiator der mittlerweile 69 Bände aus der Reihe): "Damit es nicht verlorengeht". Böhlau Verlag 1983 bis 1917.
Gert Dressel/Günter Müller (Hg.): "Geboren 1916. Neun Lebensbilder einer Generation", Böhlau Verlag 1996.
Ursula Lüfter/Marta Verdorfer/Adelina Wallnöfer: "Wie die Schwalben fliegen sie aus. Südtiroler Dienstmädchen in italienischen Städten 1920-1960". Edition Raetia 2006.
Tom Piazza: "The Southern Journey of Alan Lomax. Words, Photographs, and Music". Library of Congress/W.W. Norton & Company Ltd. 2013
Kirsten Rüther: "Afrika: genauer betrachtet. Perspektiven aus einem Kontinent im Umbruch." Edition Konturen 2017
Paul Thompson: "Voice of the Past. Oral History". Oxford University Press 1978.

Links
Österreichische Mediathek
"Projekt Menschenleben" der österreichischen Mediathek
Archiv der österreichischen Mediathek
"Oral HIstory" an der Universität Graz
Guidelines "Oral History" (engl.) (pdf)
Buchreihe "Damit es nicht verlorengeht"
George Ewart Evans im "Guardian" (engl.)
Rob Perks / Oral History Society (engl.)
"Listening Project" (engl.)
Oral History Projekt "Millennium Memory Bank" (engl.)
Albert Lichtblau
Oral History Society (engl.)
Standard-Artikel: Projekt Ottenschlag

Ö1

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