26.7.18

 

Das Erziehungsdilemma


"Sie wollen nur unser Bestes, aber das kriegen sie nicht!" Die Doppeldeutigkeit dieses Sponti-Spruches der 1980er Jahre ist von ungebrochener Aktualität. Oft wird der Kampf um die ideale Erziehungsmethode auf dem Rücken der Kinder als Experimentierfeld ausgefochten. Die Entwicklung der Erzogenen zeigt sich dann manchmal in krassem Widerspruch zu den Intentionen der Pädagogen. Zuweilen halten sich diese aber in der Praxis gar nicht an ihre Theorien. Zwischen Disziplinierung und anti-autoritärer Erziehung gibt es jede Menge Konzepte, die eines gemeinsam haben: ihr Ausgang ist ungewiss. 

Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746; †1827) erzog seinen eigenen Sohn, Jakobli genannt, penibel nach Jean Jaques Rousseaus (1712; †1778) pädagogischem Hauptwerk "Émile oder Über die Erziehung". Wikipedia kommentiert:
"Das Tagebuch, das Pestalozzi über die Erziehung seines Sohnes hinterließ, gilt als ein erschütterndes Dokument einer schwerwiegenden Fehlinterpretation der hypothetischen Pädagogik Rousseaus". Jakobli wurde gedrillt, schon mit 3 1/2 Jahren das Lesen und Rechnen zu erlernen und konnte es mit 11 noch immer nicht. Rousseau selbst hatte seine Kinder im Findelhaus abgegeben und konnte daher die Qualität seiner Ideen nicht praktisch überprüfen. 

Der Psychotherapeut Martin Miller hat 2013, drei Jahre nach dem Tod seiner Mutter Alice Miller, der weltberühmten Verfechterin einer gewaltfreien Erziehung, ein Buch über seine Kindheit veröffentlicht: "Das wahre Drama des begabten Kindes". Darin berichtet er unter anderem, dass seine Mutter, nichts dagegen unternommen habe, dass er von seinem Vater mehrfach halbtot geprügelt wurde. Christa Nebenführ beleuchtet die schwierige Kluft zwischen Theorie und Praxis in der Erziehung mit Literaturbeispielen, Fachinterviews und Fallgeschichten.


LITERATUR:
Miller, Martin: Das wahre 'Drama des begabten Kindes': Die Tragödie Alice Millers - Wie verdrängte Kriegstraumata in der Familie wirken. Gebundene Ausgabe - 19. September 2013, Kreuz Verlag
Miller, Alice: Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst. Gebundene Ausgabe - 1979, Verlag: Suhrkamp

Susan Forward (Autor), Annette Charpentier (Übersetzer): Vergiftete Kindheit: Elterliche Macht und ihre Folgen. Taschenbuch - 1. April 1993 Goldmann Verlag; 

Erdheim, Claudia: Bist du wahnsinnig geworden?: Roman 28. Februar 2018
Verlag: Czernin (Original 1984 Verlag: Löcker)

Watson, John Broadus: Psychology from the Standpoint of a Behaviorist. Routledge, London 1980, (Reprint der Ausgabe Philadelphia 1919)

Klepp, Doris; Buchebner-Ferstl, Sabine; Kaindl, Markus (2009): Eltern zwischen Anspruch und Über-forderung. Erziehungswerte und Erziehungsverhalten im Kontext der Lebensbedingungen von Familien. Opladen & Farmington Hills: Budrich UniPress (ÖIF-Schriftenreihe, 19). 

Leibovici-Mühlberger, Martina: Der Tyrannenkinder-Erziehungsplan: Warum wir für die Erziehung ein neues Menschenbild brauchen und warum die Tyrannenkinder zu den besten gehören können 20. Januar 2018

Leibovici-Mühlberger, Martina: Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden: Warum wir nicht auf die nächste Generation zählen können 16. Juli 2018

Ilse Schrittesser und Isolde Malmberg: Zauberformel Praxis?: Zu den Möglichkeiten und Grenzen von Praxiserfahrungen in der LehrerInnenbildung
1. September 2014

Salzmann, Christian Gotthilf: Krebsbüchlein oder Anweisung zu einer unvernünftigen Erziehung der Kinder. Erfurt 1792. Digitalisierungsdatum
2011. Verlag Keyser
Quelle OPAC

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