9.3.19
Das Fegefeuer: Ist das Barmherzigkeit?
Ein Schmerz, der im Inneren brennt (Christoph Haider)
Das Fegefeuer – ein Thema, das nur ungern angesprochen wird. Im folgenden eine einleuchtende und ansprechende Deutung.
Gehen wir davon aus, dass ein Mensch im persönlichen Gericht nach seinem Tod den Himmel offen sieht und seine erste direkte Begegnung mit Gott hat. So jedenfalls hat es der sterbende Stephanus beschrieben: „Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,56). Diese Begegnung mit Gott und mit Christus an der Seite Gottes wird für einen heiligen Menschen wie Stephanus überaus beglückend sein. Dieser war ja der erste Christ, dem der Glaube an Jesus mehr bedeutete als sein eigenes Leben. Als erster christlicher Märtyrer konnte Stephanus hoffen, dass Jesus „seinen Geist aufnimmt“ (vgl. Apg 7,59) und dass seine Seele sogleich „die Herrlichkeit Gottes“ (Apg 7,55) genießen darf. Diese Vorfreude auf den Himmel prägte auch den Apostel Paulus. Sein großer Wunsch war es, „aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein“ (2 Kor 5,8).
Die Gottverbundenheit der Apostel, der Märtyrer und natürlich der heiligen Jungfrau Maria war schon zu Lebzeiten so intensiv, dass der Übergang vom Zustand des Glaubens in den Zustand des Schauens nur ein sehr kleiner Schritt für sie war. Ähnliches gilt von allen großen Lichtgestalten der Geschichte. Sie trugen auf der Erde schon so viel Himmel in sich, dass sie von der Herrlichkeit Gottes nicht geblendet, sondern angezogen wurden. Was aber ist mit jenen Menschen, die in der Gnade Gottes sterben, aber bis zu ihrem Tod das Gute nur bruchstückhaft verwirklicht haben? Der katholische Glaube sagt über sie: „Wer in der Gnade und Freundschaft Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist, ist zwar seines ewigen Heiles sicher, macht aber nach dem Tod eine Läuterung durch, die notwendig ist, in die Freude des Himmels eingehen zu können“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1030). Mit etwas einfacheren Worten: Nur Heilige kommen gleich nach dem Tod in den Himmel.
*
Fegefeuer setzt sich zusammen aus zwei Teilen: Der erste Teil heißt Fegen im Sinn von Reinigen. Es ist das, was wir normalerweise mit dem Putzzeug machen. Der zweite Wortteil ist Feuer und erinnert daran, dass Gold erst dann richtig zum Vorschein kommt, wenn es im Feuer geläutert ist (vgl. 1 Petr 1,7; Offb 3,18). Der Name Fegefeuer kann sich auf eine Stelle im ersten Korintherbrief stützen, die wohl Pate für Wort und Inhalt des Fegefeuers gestanden ist. Ganz vortrefflich hat Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Spe salvi diese Bibelstelle erklärt. (…)
Der heilige Paulus vergleicht in seinem Brief das Leben des Christen mit dem Bau eines Hauses. Der Grund, auf dem das Haus steht, ist Jesus Christus. Solange wir diesem Fundament treu bleiben, wird unser Lebenshaus am Lebensende nicht völlig zugrunde gehen. Wohl aber kommt es darauf an, ob wir mit gutem oder schlechtem Material darauf weiter gebaut haben.
Denn am Tag des Gerichtes, den Paulus mit dem Bild vom Feuer umschreibt, wird sich zeigen, was unser Lebenshaus wert war. Kommt bei einem Menschen dann zum Vorschein, dass vieles in seinem Leben aus dürftigem Material gebaut war, hält es im Feuer nicht stand. Wer nur mittelmäßiges Material für das Haus seines Lebens aufgewendet hat, über den sagt Paulus abschließend: „Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch“ (1 Kor 3,15).
Das reinigende Feuer des Purgatoriums muss nicht von außen kommend gedacht werden. Es ist der Schmerz im Innern, wenn wir erkennen müssen, so viele Chancen im Leben verpasst zu haben, so viel Gutes unterlassen, Gott so wenig ernst genommen oder an den Mitmenschen vorbeigelebt zu haben. Dieser Schmerz des Erkennens und zugleich die Unfähigkeit, es wieder gutmachen oder nachholen zu können, macht wohl das Leiden des Fegefeuers aus. Die Liebe Gottes brennt in unserem Herzen, um es zu reinigen. Gleichzeitig leidet die Seele unsäglich, weil sie im Tod bereits einen Blick in das Antlitz ihres Herrn und Erlösers werfen durfte, dann aber selber merkte: für diesen Blick bin ich noch nicht reif. Wer Liebeskummer kennt oder im Leben einmal lange auf einen Geliebten warten musste, ahnt vielleicht, wie sich Sehnsucht nach dem Himmel anfühlen könnte.
*
Was ist dann mit Gottes Barmherzigkeit, die doch in unserer Zeit und besonders von Papst Franziskus so stark verkündet wird? Gerade weil Gott barmherzig ist, macht der Glaube an ein Fegefeuer Sinn. Wenn wir nämlich in dem Zustand in den Himmel eingehen würden, in dem viele von uns beim Sterben sind, wäre der Himmel recht armselig. All die sündigen Schwachstellen, unter denen wir zeitlebens leiden, wären auch im Himmel noch nicht aufgearbeitet und würden uns und die Gemeinschaft mit den anderen belasten.
Sehr schön schreibt Benedikt XVI. in seiner Enzyklika über die Hoffnung: „So wird auch das Ineinander von Gerechtigkeit und Gnade sichtbar: Unser Leben ist nicht gleichgültig, aber unser Schmutz befleckt uns nicht auf ewig, wenn wir wenigstens auf Christus, auf die Wahrheit und auf die Liebe hin ausgestreckt geblieben sind“ (Spe salvi, 47).
Auszüge aus seinem Buch: Das Ziel vor Augen (S. 89-99)
VISION 2000 1/2019
Das Fegefeuer – ein Thema, das nur ungern angesprochen wird. Im folgenden eine einleuchtende und ansprechende Deutung.
Gehen wir davon aus, dass ein Mensch im persönlichen Gericht nach seinem Tod den Himmel offen sieht und seine erste direkte Begegnung mit Gott hat. So jedenfalls hat es der sterbende Stephanus beschrieben: „Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,56). Diese Begegnung mit Gott und mit Christus an der Seite Gottes wird für einen heiligen Menschen wie Stephanus überaus beglückend sein. Dieser war ja der erste Christ, dem der Glaube an Jesus mehr bedeutete als sein eigenes Leben. Als erster christlicher Märtyrer konnte Stephanus hoffen, dass Jesus „seinen Geist aufnimmt“ (vgl. Apg 7,59) und dass seine Seele sogleich „die Herrlichkeit Gottes“ (Apg 7,55) genießen darf. Diese Vorfreude auf den Himmel prägte auch den Apostel Paulus. Sein großer Wunsch war es, „aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein“ (2 Kor 5,8).
Die Gottverbundenheit der Apostel, der Märtyrer und natürlich der heiligen Jungfrau Maria war schon zu Lebzeiten so intensiv, dass der Übergang vom Zustand des Glaubens in den Zustand des Schauens nur ein sehr kleiner Schritt für sie war. Ähnliches gilt von allen großen Lichtgestalten der Geschichte. Sie trugen auf der Erde schon so viel Himmel in sich, dass sie von der Herrlichkeit Gottes nicht geblendet, sondern angezogen wurden. Was aber ist mit jenen Menschen, die in der Gnade Gottes sterben, aber bis zu ihrem Tod das Gute nur bruchstückhaft verwirklicht haben? Der katholische Glaube sagt über sie: „Wer in der Gnade und Freundschaft Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist, ist zwar seines ewigen Heiles sicher, macht aber nach dem Tod eine Läuterung durch, die notwendig ist, in die Freude des Himmels eingehen zu können“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1030). Mit etwas einfacheren Worten: Nur Heilige kommen gleich nach dem Tod in den Himmel.
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Fegefeuer setzt sich zusammen aus zwei Teilen: Der erste Teil heißt Fegen im Sinn von Reinigen. Es ist das, was wir normalerweise mit dem Putzzeug machen. Der zweite Wortteil ist Feuer und erinnert daran, dass Gold erst dann richtig zum Vorschein kommt, wenn es im Feuer geläutert ist (vgl. 1 Petr 1,7; Offb 3,18). Der Name Fegefeuer kann sich auf eine Stelle im ersten Korintherbrief stützen, die wohl Pate für Wort und Inhalt des Fegefeuers gestanden ist. Ganz vortrefflich hat Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Spe salvi diese Bibelstelle erklärt. (…)
Der heilige Paulus vergleicht in seinem Brief das Leben des Christen mit dem Bau eines Hauses. Der Grund, auf dem das Haus steht, ist Jesus Christus. Solange wir diesem Fundament treu bleiben, wird unser Lebenshaus am Lebensende nicht völlig zugrunde gehen. Wohl aber kommt es darauf an, ob wir mit gutem oder schlechtem Material darauf weiter gebaut haben.
Denn am Tag des Gerichtes, den Paulus mit dem Bild vom Feuer umschreibt, wird sich zeigen, was unser Lebenshaus wert war. Kommt bei einem Menschen dann zum Vorschein, dass vieles in seinem Leben aus dürftigem Material gebaut war, hält es im Feuer nicht stand. Wer nur mittelmäßiges Material für das Haus seines Lebens aufgewendet hat, über den sagt Paulus abschließend: „Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch“ (1 Kor 3,15).
Das reinigende Feuer des Purgatoriums muss nicht von außen kommend gedacht werden. Es ist der Schmerz im Innern, wenn wir erkennen müssen, so viele Chancen im Leben verpasst zu haben, so viel Gutes unterlassen, Gott so wenig ernst genommen oder an den Mitmenschen vorbeigelebt zu haben. Dieser Schmerz des Erkennens und zugleich die Unfähigkeit, es wieder gutmachen oder nachholen zu können, macht wohl das Leiden des Fegefeuers aus. Die Liebe Gottes brennt in unserem Herzen, um es zu reinigen. Gleichzeitig leidet die Seele unsäglich, weil sie im Tod bereits einen Blick in das Antlitz ihres Herrn und Erlösers werfen durfte, dann aber selber merkte: für diesen Blick bin ich noch nicht reif. Wer Liebeskummer kennt oder im Leben einmal lange auf einen Geliebten warten musste, ahnt vielleicht, wie sich Sehnsucht nach dem Himmel anfühlen könnte.
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Was ist dann mit Gottes Barmherzigkeit, die doch in unserer Zeit und besonders von Papst Franziskus so stark verkündet wird? Gerade weil Gott barmherzig ist, macht der Glaube an ein Fegefeuer Sinn. Wenn wir nämlich in dem Zustand in den Himmel eingehen würden, in dem viele von uns beim Sterben sind, wäre der Himmel recht armselig. All die sündigen Schwachstellen, unter denen wir zeitlebens leiden, wären auch im Himmel noch nicht aufgearbeitet und würden uns und die Gemeinschaft mit den anderen belasten.
Sehr schön schreibt Benedikt XVI. in seiner Enzyklika über die Hoffnung: „So wird auch das Ineinander von Gerechtigkeit und Gnade sichtbar: Unser Leben ist nicht gleichgültig, aber unser Schmutz befleckt uns nicht auf ewig, wenn wir wenigstens auf Christus, auf die Wahrheit und auf die Liebe hin ausgestreckt geblieben sind“ (Spe salvi, 47).
Auszüge aus seinem Buch: Das Ziel vor Augen (S. 89-99)
VISION 2000 1/2019