21.12.21
Einsamkeit – ein Schicksal?
Bestimmte Bevölkerungsgruppen leiden mehr an Einsamkeit als andere, weiß man aus verschiedenen Studien, und das hat sich in der Corona-Pandemie verfestigt: Es sind Menschen mit Behinderungen und schlechter körperlicher oder psychischer Gesundheit sowie Menschen, die diskriminiert werden oder sich diskriminiert fühlen. Es sind viele Arme und Arbeitslose, aber genauso stark Belastete, die überdurchschnittlich viel arbeiten und wenig Zeit für Freundschaften haben. Und es sind – auch das zeigt sich seit dem Ausbruch der Pandemie – eher Junge und Jüngere.
Das Bild der „verlassenen Alten“ auf der Parkbank hat wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Im Gegenteil: Menschen über 65 kommen mit dem Alleinsein gut zurecht, wie sie in Umfragen berichten. Das Risiko zu vereinsamen, steigt erst wieder im Alter ab 75, im Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen und dem Verlust des Ehepartners.
Die „Fähigkeit zum Alleinsein“ liege bei niemandem immer und absolut vor, schreibt der Psychiater und Psychoanalytiker Rainer Gross in seinem neuen Buch „Allein oder einsam?“ Es sei an der Zeit, viel mehr darüber zu reden – über die große Scham, die Alleinstehende oft empfinden, über die manchmal tief verspürte Einsamkeit mitten im Trubel und die heimliche Angst der vielen Umtriebigen, allein und einsam „zu enden“. Einsamkeit sei kein Schicksal, meint der Psychotherapeut, aber: „sie vergeht auch nicht von selbst“.