14.10.09

 

Unterscheidung der Geister

“Unterscheidung der Geister“ im Sinne der ignatianischen Exerzitien
meint den klärenden Umgang mit jeder Art von inneren Regungen
oder von seelischen Kräften, die ein Mensch in sich verspürt:
also Stimmungen, Gefühle, Gedanken, Pläne, Phantasien… .

Ziel ist es, zu erkennen, welches Verhalten mehr dem Leben und dem Willen Gottes dient,
oder welches Verhalten das Leben
und Gottes Willen eher behindert.


1. Wahrnehmen und erkennen:
was bewegt mich?

Der erste Schritt der Unterscheidung der Geister liegt in der Fähigkeit, seine inneren Regungen
überhaupt wahrzunehmen und zu erkennen:

• Was bewegt, interessiert, motiviert mich in einer bestimmten Situation?

• Was treibt mich an, was lähmt mich?

• Und zu was will mich diese Regung bringen?

Beispiel:
Ich sehe in der Stadt jemanden auf mich zukommen und wechsle schnell die Straßenseite.

Was geht da in mir vor?
Bei näherem Hinschauen auf meine Gefühle entdecke ich:
Ich bin wütend, weil dieser Mensch mich neulich beleidigt hat.
Deshalb möchte ich ihn jetzt nicht sehen und auch nicht gesehen werden.

Meine inneren Regungen: Kränkung und Wut bringen mich zum Ausweichen.

Wenn ich mir meine Regungen bewusst mache,
ist es wichtig, zunächst einmal alle Stimmungen, Gefühle und Gedanken einfach zuzulassen, ohne sie gleich zu bewerten.
Denn vorschnelle Bewertungen führen häufig dazu,
bestimmte Regungen erst gar nicht mehr wahrzunehmen,
weil ja bekanntlich nicht sein kann, was nicht sein darf.


2. Unterscheiden und Entscheiden:
Was ist das Bessere?
Was ist jetzt dran?

Es geht darum, sich nicht wie ein Blatt im Wind
von irgendwelchen Gedanken, Stimmungen, Plänen oder Gefühlen
treiben zu lassen,
sondern zu prüfen, welche Regungen zum Guten führen,
dem Willen Gottes entsprechen und welche nicht.

Zum Guten führt eine Regung,
wenn ich spüre: so zu handeln wird mich erleichtern, mir mehr Freiheit, Zufriedenheit, inneren Frieden... schenken;
es wird mein Vertrauen stärken
und mir helfen, in geglückten Beziehungen zu leben,
oder das Richtige zu tun.

lgnatius von Loyola spricht in diesem Zusammenhang vom “Trost“.


Zum Schlechten führt eine Regung,
wenn sie mich vielleicht trotz anfänglicher Genugtuung oder Befriedigung letztlich eng, unfrei, mürrisch, unzufrieden macht;

wenn ich spüre:
das führt zu Mutlosigkeit, Bitterkeit, Misstrauen, Resignation, Erschöpfung, oder macht durch Unwahrhaftigkeit jeden echten Umgang miteinander unmöglich.

lgnatius spricht hier vom “Mißtrost“.


Achtung:
Angenommen oder abgewiesen werden nicht die Regungen:
Man kann sich nicht entscheiden, nicht traurig, wütend, glücklich etc. zu sein. Abgewiesen oder angenommen wird der Handlungsimpuls, der von den Regungen ausgeht.


3. Frei werden

Wer im Laufe der Zeit durch Übung ein Gespür für seine inneren Regungen entwickelt hat
und unterscheiden kann, ob sie zum Guten oder zum Schlechten führen,
wird immer mehr fähig sein, freie und selbständige Entscheidungen zu treffen.

Denn er versteht immer besser, warum er sich für oder gegen etwas entscheidet.

Auch wird er in einer Entscheidungssituation immer leichter den Willen Gottes erkennen können, der zum Leben und in die Zukunft führt.


4. Hinweise für die Unterscheidung

Im Allgemeinen/in der Regel spricht für die Herkunft vom Geist Gottes:

• Wenn mir für ein Vorhaben gute Motive zur Verfügung stehen.
(Achtung: immer zuerst die eigenen Motive ehrlich/kritisch überprüfen!
Also: Weshalb will/tue ich etwas?
Weshalb trete ich für eine bestimmte Sache ein?
Aus Selbstsucht, wegen des Ansehens oder eines Vorteils, etc.?
Oder aus echter Hilfsbereitschaft oder Demut;
weil ich es als richtig oder als meine Aufgabe von Gott her erkannt habe; etc.?)

• Wenn mir auf Dauer die nötige Zeit und Kraft dafür gegeben ist.

• Wenn sich etwas gut einfügt in den Rahmen meiner anderen Aufgaben und Verpflichtungen.

• Wenn sich etwas “wie von selbst“ mir nahe legt.

• Wenn ich bei der Erwägung eines Vorhabens ein gutes Gefühl habe,
mag das Vorhaben auch noch so schmerzlich und hart für mich sein.

• Wenn die betreffende Sache auch ästhetisch schön und ansprechend ist.

• Wenn ich mir gut vorstellen kann, daß auch Jesus so entscheiden und handeln würde.

• Wenn ich mich bei einem Vorhaben in guter Gesellschaft befinde.

• Wenn ein Vorhaben in mir Glauben, Zuversicht und Vertrauen hervorruft bzw. herausfordert.

• Wenn es der Liebe dient; Ausdruck der Liebe ist und sie stärkt.


Im Allgemeinen/in der Regel kommt nicht vom Geist Gottes
und ist also nicht der Wille Gottes:

• Was über meine Kräfte geht, was mich permanent überlastet und überfordert.

• Was nur mit äußerster Anstrengung, mit Gewalt und Kampf verwirklicht werden kann, mit viel Hast und Hektik verbunden ist und Ängste auslöst.

• Was maßlos und verstiegen anmutet, aufsehenerregend und sensationell auf mich und andere wirkt.
(Meist zeigen sich hierin die schlechten Motive!) Gott wirkt diskret.

• Was ich nur mit dauerndem Widerwillen und Ekel tun kann

• Was sich ordinär, primitiv und unästhetisch gibt.

• Was kleinlich, haarspalterisch und spinnig wirkt.

• Was keine “Erdnähe“ hat und nicht konkret werden kann.

• Was lieblos ist und sich für mich und andere destruktiv auswirkt.

• Was nicht zu der Art und Handlungsweise Jesu paßt, wie ich ihn kennen gelernt habe.

• Was mir den Sinn für das Gebet und die Freude daran raubt.

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