9.6.16

 

Öffentlich-rechtliches YouTube?

Überlegungen zu alternativen sozialen Netzwerken

Das Verhältnis zu Sozialen Netzwerken ist in Österreich sehr widersprüchlich. Das geht aus einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF hervor. Während 90 Prozent der Befragten auf Facebook und Co besorgt um ihre Privatsphäre sind, ist das Wissen über Datenschutz und Überwachung bei 70 Prozent gleichzeitig relativ gering. Die Studie "Soziale Netzwerkseiten in der Überwachungsgesellschaft" belegt auch: Es gibt einen Wunsch nach alternativen Internetplattformen.

Technische und politische Barrieren

Der Ruf nach Alternativen zu Facebook und Co wird schon länger laut, das Angebot an nicht-kommerziellen Sozialen Netzwerken ist aber eher rar. Christian Fuchs, Leiter des Instituts für Kommunikation und Medienforschung an der Universität Westminster, kritisiert, dass in Netzaktivisten-Kreisen diesbezüglich eine gewisse Naivität vorherrscht: „Oft stellen sich Netzaktivisten vor, dass es lediglich eine Frage des alternativen Software-Codes ist. Technik ist aber nur eine Dimension.“

Neben der Technik ortet Christian Fuchs als weitere Dimension die Politik, auch die Medienpolitik. In Europa besteht eine lange Tradition der öffentlich-rechtlichen Medien mit dem Fokus auf Radio und Fernsehprogramme, beschreibt Christian Fuchs. Dazu im Widerspruch steht für ihn, dass das ORF-Gesetz einen stark eingeschränkten Auftrag für Online-Angebote vorsieht, die beispielsweise nur eine tagesaktuelle Überblicksberichterstattung liefern oder sendungsbegleitende Inhalte bereitstellen dürfen. „28 Online-Dienste darf der ORF laut ORF-Gesetz nicht anbieten“, zählt Christian Fuchs auf, „auch das frühere Informationstechnologieportal Futurezone befindet sich ja nicht mehr im Angebot des ORF, das wurde privatwirtschaftlich ausgelagert.“

Youtube von ORF, ZDF & Co

Auch das Bereitstellen von Sozialen Netzwerken ist laut ORF-Gesetz nicht erlaubt. Christian Fuchs spinnt diese Idee trotzdem weiter. Der Social-Media-Professor der Universität Westminster könnte sich vorstellen, dass der ORF, die BBC, ARD und ZDF sich beispielsweise zusammenschließen, um gemeinsam eine alternative, europäische Online-Plattform auf die Beine stellen: „Die könnten gemeinsam ein starker Akteur sein und ein alternatives Youtube ohne Werbung kreieren“, überlegt Fuchs und er hat noch weitere Pläne: „der ORF und die BBC haben ja auch massive Programm-Archive. Würde man diese Archive digitalisieren und unter Creative Commons auf den öffentlich-rechtlichen Youtube-Kanal stellen, dann könnten die Leute daraus zum Beispiel Dokumentationen basteln.“

Christian Fuchs schlägt außerdem eine partizipative Mediengebühr vor, sozusagen eine weiterentwickelte Rundfunkgebühr, von der ein Teil weiterhin an Öffentlich-Rechtliche gehen soll. Und nicht nur Haushalte sollen zahlen. Christian Fuchs könnte sich auch eine Steuer auf Online-Werbung für Unternehmen vorstellen. Bürgerinnen und Bürger sollen in Folge über eine Art Medien-Scheck das Geld an nicht-kommerzielle Medienorganisationen verteilen. Und so könnten auch alternative Plattformen wie freie Radios an Ressourcen kommen, glaubt Christian Fuchs. Geht es nach ihm, braucht es, um über Technikalternativen nachzudenken, zuerst Bewegung in der Politik und politische Alternativen.

Mehr



Comments: Kommentar veröffentlichen

<< Home

This page is powered by Blogger. Isn't yours?