5.7.16
Erdogan verliert die Kontrolle
Der türkische Präsident versöhnt sich mit Israel und Russland, um
wenigstens an einigen Fronten Ruhe zu haben. Aber der größten Gefahr,
dem IS-Terror, ist er nicht gewachsen.
Kommentare:
Könnte es möglich sein, dass der IS möglicherweise die Türkei eines nicht allzu fernen Tages regiert? Ein Bürgerkrieg könnte die Türkei spalten, ein IS Putsch die Türkei zum Feind des Westens machen.
Längst scheint Erdogan und seiner
islamisch-konservativen Regierungspartei AKP die Kontrolle über die
Islamisten im Land entglitten zu sein, obwohl die Türkei noch vor drei
Jahren als Stabilitätsanker im Nahen Osten galt. Erdogan befindet sich
in der Lage von Goethes Zauberlehrling, der die Geister, die er rief,
nicht mehr loswird. Experten sprechen von Hunderten IS-Zellen in
ostanatolischen Städten, aber auch in Ankara und Istanbul, die auf
Sympathie in Teilen der Bevölkerung treffen. Eine Umfrage der Istanbuler
Kadir-Has-Universität Ende des letzten Jahres ergab, dass 13,6 Prozent
der Türken den IS nicht als Terrororganisation betrachten und 22 Prozent
ihn nicht für eine Bedrohung der Türkei halten.
Um
den syrischen Diktator Baschar al-Assad zu stürzen, unterstützte die
Türkei moderate ebenso wie dschihadistische Rebellengruppen im
Nachbarland. Ausländische Islamisten nahmen den Weg ins Kampfgebiet über
den „Dschihad-Highway“ durch die Türkei, die auch der IS bis vor kurzem
noch als Rückzugsraum nutzen konnte. Zwar erklärt Erdogan jetzt, die
IS-Terroristen hätten „nichts mit dem Islam zu tun“ und „gehören in die
Hölle“. Das „Kalifat“ aber betrachtet sich sehr wohl als islamisch und
die Türkei als Feind, seitdem diese sich der internationalen
Anti-IS-Koalition anschloss und den USA erlaubte, die Luftwaffenbasis
Incirlik für Angriffe auf IS-Positionen zu nutzen.
Während der Staat auf Angriffe von Rebellen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK mit unnachgiebiger Härte reagiert, erfolgte die Reaktion auf den islamistischen Terror viel zu spät und viel zu schwach.
Mit seiner atemberaubend schnellen Wiederannäherung an Israel, Russland und Ägypten versucht Erdogan jetzt, wenigstens einige Fronten zu stabilisieren, die er mit seinem Konfrontationskurs geschaffen hat. Das ist vernünftig, doch verfolgt der Präsident mit dem neuen Pragmatismus weniger das Ziel, den Islamismus einzudämmen, als die schlingernde Wirtschaft zu konsolidieren, um sein wichtigstes politisches Ziel zu erreichen: die Einführung eines exekutiven Präsidialsystems, das ihm die alleinige Herrschaft im Land auch juristisch sichern würde. Wer diesen Kurs kritisiert und auf die anhaltenden Defizite in der Terrorabwehr hinweist, muss mit Konsequenzen rechnen.
Während der Staat auf Angriffe von Rebellen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK mit unnachgiebiger Härte reagiert, erfolgte die Reaktion auf den islamistischen Terror viel zu spät und viel zu schwach.
Mit seiner atemberaubend schnellen Wiederannäherung an Israel, Russland und Ägypten versucht Erdogan jetzt, wenigstens einige Fronten zu stabilisieren, die er mit seinem Konfrontationskurs geschaffen hat. Das ist vernünftig, doch verfolgt der Präsident mit dem neuen Pragmatismus weniger das Ziel, den Islamismus einzudämmen, als die schlingernde Wirtschaft zu konsolidieren, um sein wichtigstes politisches Ziel zu erreichen: die Einführung eines exekutiven Präsidialsystems, das ihm die alleinige Herrschaft im Land auch juristisch sichern würde. Wer diesen Kurs kritisiert und auf die anhaltenden Defizite in der Terrorabwehr hinweist, muss mit Konsequenzen rechnen.
Die politische Führung verkennt, dass die Türkei
inzwischen genauso im Visier der Dschihadisten ist wie die muslimischen
Staaten Mali, Tunesien, Bangladesch oder Irak. Die Terrorplaner wollen
„abtrünnige“ Regierungen strafen und „ungläubige“ Ausländer töten. In
der Türkei können sie beide Ziele gleichzeitig treffen und sich dabei
wie Fische im Wasser bewegen.
Indem Erdogan an
den falschen Fronten kämpft, öffnet er den Gotteskriegern immer neue
Räume. Weglächeln wird ihm nicht helfen. Er braucht jetzt im Innern den
gleichen Pragmatismus wie in der Außenpolitik. Es ist höchste Zeit, die
Front mit den Kurden zu begradigen. Sonst läuft die Türkei Gefahr, ins
Chaos zu stürzen.
Kommentare:
Könnte es möglich sein, dass der IS möglicherweise die Türkei eines nicht allzu fernen Tages regiert? Ein Bürgerkrieg könnte die Türkei spalten, ein IS Putsch die Türkei zum Feind des Westens machen.