5.7.16

 

Papyrus-Fund – Jesus heiratete Maria Magdalena

"Jesus sagte zu ihnen, 'meine Frau'", heißt es auf einem Papyrus, der jetzt in Rom vorgestellt wurde. Der Text aus dem 4. Jahrhundert könnte die Debatte um Frauen im frühen Christentum befördern.


Es klingt wie eine Erfindung von Dan Brown. Der amerikanischer Bestsellerautor hatte in seinem Weltbestseller "The Da Vinci Code" (dt.: "Sakrileg"; 2003) die populäre These verbreitet, Jesus habe Maria Magdalena geheiratet und mit ihr Kinder gezeugt, deren Linie sich bis in die Gegenwart erhalten habe.
Am Dienstag stellte Karen King, Historikerin an der Harvard-University, auf einer Tagung in Rom ein Papyrus-Fragment vor, das diese Deutung untermauern könnte. Heißt es doch in dem Text: "Jesus sagte zu ihnen, 'meine Frau'…"
Dabei soll es sich um keine Geringere als Maria Magdalena handeln. Die renommierte Religionswissenschaftlerin liest den 3,8 mal 7,6 Zentimeter großen Schnipsel als Dialog Jesu mit seinen Jüngern. Darin geht es um die Frage, ob Maria würdig sei, ein Jünger zu sein – was Jesus mit seiner Wendung bejaht.
Ob sich daraus mehr entwickelte als eine religiöse Beziehung, wird damit nicht gesagt. In der Frage, ob Frauen in der katholischen Kirche das Priesteramt übernehmen können, dürfte der Fund indes für neuen Gesprächsstoff sorgen.

Ein Zeugnis der Gnosis


Ein trautes Paar? Jesus und Maria Magdalena, wie sie Lucas Cranach d. Ä. um 1515/20 darstellte
Foto: picture alliance / akg images Ein trautes Paar? Jesus und Maria Magdalena, wie sie Lucas Cranach d. Ä. um 1515/20 darstellte
Karen King liegt es fern, Dan Brown neue Munition zu liefern. Das Dokument belege nicht, dass Jesus verheiratet gewesen sei, doch gebe es Hinweise auf das Verhältnis der frühen Christen zu Familie, Sexualität und Heirat.
Selbst das scheint reichlich hochgegriffen. Vor allem handelt es sich offenbar um ein Zeugnis der Gnosis, die aus der Perspektive der Amtskirche eine Häresie darstellte. Und deren Anhänger wurden blutig verfolgt.
Stimmt die Datierung von Karen King, stammt der Papyrus aus dem 4. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die christliche Kirche als privilegierte Glaubensgemeinschaft im römischen Imperium nach dem Sieg des Kaisers Konstantin längst etabliert. Sie berief sich auf das Bekenntnis, das das erste Ökumenische Konzil von Nicäa 325 formuliert hatte. Darin war auch der Kanon des Neuen Testaments mit seinen vier Evangelien im Kern festgelegt worden.
Außerhalb der neuen imperialen Glaubensordnung standen die Gnostiker. Unter dieser Sammelbezeichnung attackierten Theologen seit dem 2. Jahrhundert Glaubensbrüder, die eigene Wege der Offenbarung gingen. Gemein war diesen Anhängern der Gnosis, dass das wahre Wissen um die Erlösung von der irdischen Schuld nur durch geheime Erkenntnis (Gnosis) zu erreichen sei.
Hinzu kam eine dualistische Weltsicht, die das Leben als ewigen Kampf zwischen Mächten der Finsternis und des Lichts interpretierte. Das sogenannte "Evangelium des Judas", das 2006 für weltweites Interesse sorgte, ist eine der vielen heiligen Schriften gnostischer Gruppen.

Abschrift eines griechischen Textes

Der Fund von Frau Karen King ist in Koptisch, also einer späten Form des Altägyptischen, gehalten. Gerade in den Oasen am Rande der Sahara werden immer wieder gnostische Schriftfunde – zumal in koptischer Sprache – gemacht. Der aktuelle Text soll indes einem privaten Sammler gehören, der den Kontakt zu Karen King suchte. Daher muss die Frage seiner Provenienz offen bleiben.
King und Anne Marie Luijendijk von der Universität Princeton sagten indes, der Text sei vermutlich eine Abschrift eines ursprünglich in Altgriechisch verfassten Evangeliums aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, denn er weise Ähnlichkeiten mit anderen kürzlich entdeckten Evangelien auf.
Dieser Ansatz hat einiges für sich. So soll auch das sogenannte Evangelium der Maria, das nur in einer koptischen Version erhalten ist, ursprünglich ein griechischer Text gewesen sein, der Mitte des 2. Jahrhunderts datiert wird. Allerdings ist nicht klar, wer mit Maria gemeint ist, Maria Magdalena, Jesu Mutter oder eine andere Frau.
Sicherlich als Maria Magdalena kann eine Figur des sogenannten Philippus-Evangeliums angesprochen werden. Auch dabei handelt es sich um eine gnostische Schrift, die wohl im 3. Jahrhundert entstand und die 1945 mit zahlreichen anderen Texten bei Nag Hamadi in Ägypten ans Licht kam.
Darin heißt es unter anderem: "Die Gefährtin (des Erlösers) ist Maria Magdalena. Der (Erlöser liebte) sie mehr als (alle) Jünger und er küsste sie (oft) auf ihren (Mund)." Dieses Zeichen der Zuneigung muss aber nicht unbedingt erotisch gedeutet werden, sondern wird in der Regel als Übertragung der Lehrkompetenz gesehen.

Frauen bekamen ihre Chance

Das wiederum ist durchaus geeignet, die Position der Römischen Kirche im Streit um eine mögliche Frauenordination erschüttern. Überhaupt geht die gängige Überlieferung, Maria Magdalena habe ihren Lebensunterhalt als Prostituierte verdienen müssen, keineswegs auf die Bibel, sondern auf eine päpstliche Auslegung des fünften Jahrhunderts zurück.
Was also könnte der Papyrus-Fetzen von Karen King uns sagen: Dass es in den ersten Jahrhunderten deutlich mehr Spielarten des Christentums gegeben hat, als wir uns – geprägt von zwei Großkirchen – vorstellen können. Dass es wahrscheinlich mehr christliche Evangelien gegeben hat als die gut dreißig, die bislang bekannt sind. Und dass in vielen christlichen Gemeinden Frauen die Chance erhielten, aus überkommenen Rollenmustern auszubrechen.
In der paganen Gesellschaft der Antike galten Frauen als minderwertig, als allemal in der Lage, Kinder zu gebären, aufzuziehen und dem Mann zu dienen. Auch die Glaubensordnung des persischen Religionsstifters Mani, die sich im dritten Jahrhundert anschickte, mit dem Christentum um die Seelen der Menschen zu konkurrieren (und dabei fast den Sieg davon getragen hätte), hielt wenig von Emanzipation, predigte gar, dass sexuelle Enthaltsamkeit der erste Schritt zu Erlösung sei.
Gemeinden, die sich zur Gnosis hingezogen fühlten, sahen das offenbar anders. Allerdings gehörten auch sie nicht zu den Siegern der Weltgeschichte.

 

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