1.4.17

 

Ökumenischer Gottesdienst nach 500 Jahren Kirchenspaltung

Der ökumenische Gottesdienst, den die Evangelische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz am 11. März in Hildesheim als Christusfest gefeiert haben, bildet einen Höhepunkt im Jahr des Reformationsjubiläums. Die gesamte deutsche Staatsspitze war zugegen.
Nach 500 Jahren Kirchenspaltung sollte der Gottesdienst ein starkes Zeichen der Versöhnung setzen. Es sollte das die Kirchen Verbindende über das noch Trennende stellen. Heute wird ja vielfach betont, dass die Kirchen nach einem Jahrhundert der Ökumene inzwischen mehr verbindet als trennt. Doch in Hildesheim ging es um mehr, nämlich um einen öffentlichen Akt der Buße und der Versöhnung.

"Wir bitten Gott und einander um Vergebung, und wir gewähren einander Vergebung", das war die zentrale Botschaft. Gemeinsam richtete man den Blick auf das, was Christen in der Vergangenheit seit der Reformation und der Gegenreformation an Leid zugefügt haben. Von Scham und Trauer war die Rede und von der Hoffnung, dass die Möglichkeit der Heilung von Erinnerung, aber auch der Heilung durch Erinnerung besteht. Solche Versuche unter dem Motto "Healing of Memories" hat es in der jüngeren Zeit schon mehrfach gegeben, zum Beispiel in Südafrika nach dem Ende des Apartheidregimes oder unter den christlichen Konfessionen in Siebenbürgen. "Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen", lautete das Motto in Hildesheim.

Kritische Bestandsaufnahme


Die ökumenische Vision ist die Einheit der noch getrennten Kirchen in versöhnter Verschiedenheit. Sind wir dieser Einheit aber nun wirklich eine bedeutenden Schritt näher gekommen?
Wie in Hildesheim hat es schon in Lund am Reformationstag 2016 große Gesten gegeben, als Papst Franziskus gemeinsam mit der Spitze des Lutherischen Weltbundes einen gemeinsamen Gottesdienst feierte. Er vermied es freilich sorgfältig, von der Lutherischen Kirche als Kirche zu sprechen. In Hildesheim war es nicht anders. Nach wie vor spricht die römisch-katholische Kirche den Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, ihr Kirchesein ab. Lediglich Elemente von Kirchlichkeit mag man ihnen zubilligen. Dem evangelischen Pfarramt, zu dem heute Männer wie Frauen zugelassen sind, bleibt die Anerkennung weiterhin versagt. Daher wird auch die evangelische Abendmahlsfeier weiterhin der katholischen Eucharistie für nicht gleichwertig gehalten. Kritischen Beobachtern ist übrigens nicht entgangen, dass der große Buß- und Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim am Samstag und nicht am Sonntag gefeiert wurde - denn da bleiben die Katholiken bei der Messe unter sich.


Davon abgesehen zeigte das Bußritual in Hildesheim theologische Mängel, weil unklar blieb, wer hier eigentlich wem welche konkrete Schuld vergeben sollte. Im Ernst kann niemand anstelle von Tätern früherer Jahrhunderte für begangene Schuld um Vergebung bitten und niemand hat die Vollmacht, anstelle von Opfern Vergebung zu gewähren. Sünde vergeben kann zudem allein Gott. Für die Reformation selbst aber können evangelische Christen Gott auch nach 500 Jahren nur dankbar sein, und die evangelischen Kirchen brauchen sich nicht dafür zu entschuldigen, dass es sie gibt.

Plädoyer für ökumenische Nüchternheit

In der entscheidenden Frage ihrer Anerkennung gibt es auch im Jahr des Reformationsjubiläums leider keine substantiellen Fortschritte. Atmosphärische Verbesserungen, medienwirksame Gesten und symbolische Aktionen können darüber nicht hinwegtäuschen. In Österreich hat man auf derartige Aktionen dankenswerterweise verzichtet. Bemerkenswert und erfreulich sind aber gemeinsame Hirtenworte in Oberösterreich und Salzburg, aus denen der Geist der Versöhnung spricht. Was die Ökumene aber eben auch braucht, ist theologische Klarheit, Redlichkeit und Nüchternheit.

Ö1

Zwischenruf von Prof. Ulrich Körtner (Wien)

 

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