15.9.17
Rede zur Lage der EU
Irgendetwas oder -jemand
ist fast am Ende; entweder ist es die EU oder der EU-
Kommissionspräsident Juncker. Oder trifft es auf EU und Juncker zu?
Seine jährliche Rede zur Lage der EU regt jedenfalls zum Nachdenken über
den jeweiligen Zustand an und lässt da auch viel Spielraum offen. Seine
bei seiner Rede vorgebrachte Forderung, dass alle EU-Länder dem Euro,
dem Schengenraum und der Bankenunion angehören sollen, lassen nämlich
das Schlimmste befürchten. Großbritannien hat sich wohlweislich
Sonderregeln ausgehandelt und nie daran gedacht, sein Pfund gegen den
Euro einzutauschen. Das Thema Großbritannien in der EU hat sich aber
mittlerweile selbst erledigt. Auch die Schweden, die Tschechen, die
Ungarn lehnen nach wie vor mehrheitlich den Euro ab. Denen ist bewusst,
dass eine Zugehörigkeit zum Euro für den Staat existenzbedrohend werden
kann. Sie sehen, wie es als Extremfall Griechenland ergeht. Die haben
sich (oder wurden) in den Euro hineingelogen und kommen immer mehr in
Teufels Küche. Auf der einen Seite werden nach wie vor die Reichen und
Superreichen geschont. Auf der anderen Seite jedoch wird alles
öffentliche Gut wie Flughäfen, Wasserversorgung, Kraftwerke etc.
privatisiert, werden Gehälter und Pensionen gekürzt, wird
Massenarbeitslosigkeit geschaffen, und trotzdem oder gerade deswegen
steigt die Staatsverschuldung. Das Land wird geplündert, die Bevölkerung
verarmt zunehmend. In Zypern, Portugal, Irland war es ebenfalls
schlimm, aber nicht so schlimm. Diese und einige weitere Länder sind
noch lange nicht reif für den Euro. Die Bankenunion wiederum ist ein
Instrument zur Plünderung jener Staaten, die noch auf etwas solideren
wirtschaftlichen Beinen stehen, um in absehbarer Zeit jene Staaten
(Banken) zu retten, die vor dem Kollaps stehen. In Frankreich, Spanien
und Italien nehmen die Probleme zu, und diese Länder haben mit ihren
Problemen das Potenzial, den Euro und die EU mehr als nur in Gefahr zu
bringen. Dass Juncker in dem Zusammenhang auch gleich einen
EU-Finanzminister fordert, ist nicht verwunderlich. Diese Forderungen
bestätigen, dass die Nationalstaaten immer mehr Kompetenzen an den
Moloch EU abgeben und die nationalstaatlichen Regierungen sich selbst
für überflüssig erklären sollen. Auch die Forderung Junckers nach einer
Zugehörigkeit zum Schengenraum für alle EU-Staaten ist absurd. Solange
einzelne EU-Staaten nicht fähig oder nicht willens sind, ihre
Außengrenzen, nicht nur zum Mittelmeer, zu schützen, wie sie es sollten,
und die EU-Kommission Staaten bestraft, die das auf korrekte Weise
machen, kann man das nur als schlechten Scherz auffassen. Genauso wie
seinen Hinweis, dass Rechtsstaatlichkeit in der Union keine Option,
sondern Pflicht ist; wie viele eigene Regeln hat die EU eigentlich schon
gebrochen oder nicht geahndet? Manche Leute vertreten die Meinung, dass
Juncker vor seiner „Rede zur Lage der EU“ aus dem hauseigenen
Weinkeller kam.
Josef Höller
Josef Höller