13.12.17
Persönliche Erinnerungen an den Gründer von Taizé
Am 20. August 1940 kam Roger Schutz, ein junger evangelischer Theologe
aus der Schweiz in den kleinen Ort Taizé in Burgund. Lange Zeit war er
schwerkrank gewesen und hatte einen Traum: Er wollte Menschen die Liebe
Gottes nahebringen und eine christliche Bruderschaft gründen. Heute
gehören der Gemeinschaft rund 100 Brüder aus über 30 Ländern an. Von
Anfang an hatte Taizé eine besondere Strahlkraft. Seit den 1970er-Jahren
veranstalten die Brüder große Jugendtreffen. Millionen von Menschen
kennen die 'Nächte der Lichter' und die Lieder aus Taizé.
Mit diesem Buch formuliert Klaus Hamburger seinen persönlichen Dank an Frère Roger - und spricht damit wohl vielen aus dem Herzen. In seinen Schilderungen wird deutlich, welch ein besonderer Mensch der Gründer der Taizé-Gemeinschaft war: einer, der andere mit seiner Begeisterung anstecken konnte und doch selbst immer wieder zweifelte und fragte. Ein Einsamer mit Sinn für Gemeinschaft. Ein Gottsucher, der dreimal täglich betete. Ein Liebender, der in seinem Innersten verwundet war.
Buch
Selbst die Staatssicherheit der DDR hat sich für Roger Schutz, der am 12.
Mai 1915 geboren wurde, interessiert. Der Gründer der ökumenischen Bruderschaft
von Taizé in Burgund war ihr suspekt. Frère Roger, gebürtiger Schweizer, kam
mitten in Zeiten des Kalten Krieges in den kirchenfernen ostdeutschen Staat und
sorgte dort mit öffentlichen Auftritten für Aufsehen.
So findet sich der Name von Frère Roger auch in Unterlagen der Stasi. Im Sommer 1981 formulierte das Ministerium für Staatssicherheit einen dreiseitigen Auskunftsbericht. Der Text, der der Deutschen Welle mit anderen Stasi-Archivalien zu Schutz vorliegt, listet detailliert die Kontakte in den Vatikan, seine größeren Reisen und seine beiden Besuche in der DDR 1980 und 1981 auf. Am Ende heißt es zusammenfassend: "Roger Schutz wird als eine Persönlichkeit eingeschätzt, die eine starke gruppenbildende Anziehungskraft ausübt, er sei ruhig und könne den Menschen - besonders den jungen Menschen - lange zuhören."
Über Konfessionsgrenzen hinweg
Längst hat die Kommunität – seit 1962 – ihre eigene große Kirche. Und sie bleibt dabei bewusst den verschiedenen christlichen Traditionen verbunden, vereint Brüder mit katholischer oder protestantischer Herkunft. In der Unterkirche feiern Katholiken die Eucharistie, jüngere Erweiterungen des Gotteshauses nahmen jeweils orthodoxe Elemente auf. Taizé gehört im engeren Sinne nicht einer Konfession. Es will im Sinne seines Gründers und ersten Priors offen sein für die Jugend Europas, die Jugend der Welt. Dazu hatte Frère Roger 1974 ein "Konzil der Jugend" mit zigtausend jungen Leuten einberufen. Seitdem leben Brüder aus Taize in vielen Teilen der Welt. In den Slums Lateinamerikas wie in den Brennpunkten afrikanischer oder asiatischer Metropolen. Und seit einigen Monaten auch in Kiew. Da sind manche Parallelen zum Werben des heutigen Papstes Franziskus für Barmherzigkeit, sein tiefes Mit-Leiden mit Flüchtlingen und Marginalisierten.
"Die Aussagen … bezogen sich ausschließlich auf religiöse Probleme. Zu Vorkommnissen kam es nicht", heißt es in einer vertraulichen Information der Stasi über einen Besuch Frère Rogers in Dresden 1984. Das zeigt, dass der Theologe, der in den 1970er und 1980er Jahren für viele junge Christen in Mitteleuropa zum Hoffnungsträger jenseits bürgerlicher Kirchenmauern wurde, nicht auf direkte politische Appelle setzte. Aber er wollte stets politische, soziale und konfessionelle Grenzen überwinden. Auch mit "Europäischen Jugendtreffen", die Taize seit 1978 jeweils zum Jahreswechsel initiiert und mit seinem globalen "Pilgerweg des Vertrauens" seit 1982. Immer wieder warb Frère Roger dabei für Gewaltlosigkeit und die Versöhnung der Völker, der Religionen und Konfessionen. Er ermutigte junge Leute zu ihrem eigenen Weg und redete Staatsmännern und politisch Verantwortlichen ins Gewissen.
Roger und Ratzinger
Zu jedem der römisch-katholischen Päpste hatte Schutz einen guten Draht. Und als er, bereits im Rollstuhl, auf dem Petersplatz an der Trauerfeier für Johannes Paul II. teilnahm, reichte der deutsche Kurienkardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., dem reformierten Theologen die Eucharistie. Ein bleibendes, ein großes Bild.
Monate später, am 16. August 2005, fällt Frère Roger einem Gewaltverbrechen zum Opfer. In der großen Versöhnungskirche von Taize verletzt ihn eine offenbar geistig verwirrte Frau mit Messerstichen tödlich. Während des Abendgebet, mitten in der voll besetzten Kirche.
Frère Roger war einer der großen europäischen Christen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Botschaft der Versöhnung und der Offenheit prägt bis heute die Brüderschaft von Taizé, die seitdem von dem deutschen Prior Frère Alois geleitet wird. Jahr für Jahr kommen viele hunderttausend Menschen auf den Hügel, auffallend viele junge Leute aus Mittel- und Osteuropa. Und viele halten inne an einem schlichten Grab vor der alten kleinen Kirche des Dorfes. Seines Dorfes Taizé. „F. Roger“ steht auf dem schlichten Holzkreuz.
http://www.dw.com/de/fr%C3%A8re-roger-eine-stimme-f%C3%BCr-die-%C3%B6kumene/a-18443300
Klaus Hamburger hat Bücherändernleben nun folgende Fragen beantwortet:
Lieber Klaus Hamburger, über Frere Roger wurde bereits viel geschrieben. Warum nun auch noch dieses Buch?
Es war mir möglich, aus der Nähe über ihn zu schreiben, in der ich Jahrzehnte hindurch mit ihm zusammenlebte. Zugleich konnte ich es auf dem Hintergrund von Erfahrungen tun, die ich vor und nach meiner Zeit in Taizé vor allem in Deutschland sammelte. Darauf bin ich nicht selbst gekommen; der Programmleiter des Verlages erkannte das. Er hatte recht. So entstand keine Biographie – es sind zwei über ihn im Handel –, sondern ein persönlich gefärbter Dank für das, was Frère Roger war und in seinem Leben umsetzte. Es scheint das einzige Buch zu sein, das zu seinem 100. Geburtstag über ihn auf Deutsch veröffentlicht wird. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich bin so froh, dass es dieses Buch gibt. Es ist wie ein Geschenk – auch an mich.
Sie selbst haben als Frere Wolfgang viele Jahre in Taize mit Frere Roger zusammen gelebt. Wie kam es dazu?
Als einer von hunderttausenden Jugendlichen kam ich, Anfang der siebziger Jahre nach Taizé. Bald erkannte ich die Tiefe und die Weite, in der an diesem Ort der Glaube Woche für Woche lebendig wurde, ohne Umständlichkeit und auch ohne Angst vor den mehr oder weniger ausgegorenen Vorstellungen, die meine Generation damals hatte. Diese Aufgeschlossenheit kam in einer Weise aus der Stille, aus einer innigen Christus-Verbundenheit, die ich vorher nie so erlebt hatte. Die Kirche, in der ich aufgewachsen war, durchaus mit Gleichaltrigen verschiedener Konfession, stand dort erst so richtig offen. Dieser Offenheit schloss ich mich an und kann bis heute nicht hinter sie zurück.
Sehr schön beschreiben Sie Seiten an Roger, die ich so noch nie beschrieben fand. Für was kann dieser Mann mit seinem Leben heute als Vorbild dienen?
Frère Roger hat dafür gesorgt, dass Taizé nicht lediglich ein Ort für Gleichgesinnte wurde. Er hat, aus meiner Sicht, sich bildende Kreise immer wieder aufgebrochen, was ihm nicht nur Zustimmung einbrachte. Er wusste, dass es im Leben keinen Stillstand geben kann, Treue war für ihn, auf dem Weg zu bleiben, immer auf den anderen zu, auf unfertige Menschen mit allen Spannungen, die mit ihnen auszuhalten waren. Er wollte dieser Mühe ganz bewusst nicht dadurch entkommen, dass er andere verurteilte oder auch nur durch Kategorien beurteilte.
Man spürt beim Lesen Ihres Buches sofort etwas von der Strahlkraft des Frere Roger und dennoch stellen Sie ihn nicht auf einen Heldensokel. Welche Schwächen hatte dieser Mann?
Auch bei der neuerlichen Betrachtung seines Lebens erkannte ich an ihm keine Schwächen, die nicht zugleich Stärken waren. Er stellte sich seiner Einsamkeit, wenn auch oft unter Schmerzen. So nahm man ihm ohne weiteres ab, dass er auf lautere Weise nach Gemeinschaft suchte. Er hing an der Kirche, die er nur als die eine sehen konnte, auch dort, wo sie weit unter ihren Möglichkeiten blieb, wo selbst er sich eingeschüchtert fühlen musste. So fand man sich gerade mit ihm in der Gemeinschaft der Glaubenden geborgen. Um seine persönlichen Schwächen wusste er, wie ich es erlebt habe, besser Bescheid als jeder andere. Er verstand es aber, sie in herzliche Zuneigung umzuwandeln, ja in Liebe, statt darüber zu verbittern. Das zog die Menschen an, ohne dass er ihnen nach dem Mund redete.
Was geschieht in Taize heute ohne Frere Roger?
Das kann ich nicht ohne weiteres sagen, nachdem ich es nicht mehr dort miterlebe. Es gibt gewiss bis heute keinen religiös geprägten Ort, an den man unbedenklicher mit jungen Leuten unterschiedlichster Prägung fahren kann. Man entdeckt dort – etwas anderes höre ich nicht – nach wie vor die Schönheit des Glaubens, nicht durch eine ängstliche Engführung, die nicht in die Tiefe führt, sondern durch eine Weite, in die man selbstständig hineinwachsen kann.
https://buecheraendernleben.wordpress.com/2015/04/14/klaus-hamburger-danke-frere-roger/
Stimmen:
Frère Roger war ein wunderbarer Mensch, der immer wieder seine eigenen Grenzen sprengte und anderen half, mit viel Vertrauen und Mut weiter zu gehen, als sie zuvor jemals geahnt hatten. Und das alles in der ihm eigenen Schlichtheit, die sich niemals jemandem aufdrängte. Man kann sich diesem „Danke, Frere Roger“ eigentlich nur anschließen.
Barbara
Frère Roger ein Wegbereiter der Versöhnung der Konfessionen.
Wie schön, dass wir durch das neue Buch über ihn und die Bruderschaft etwas mehr erfahren!
Tom
Buchauszüge
Interview
Klaus Hamburger (geb. 1953) arbeitet als Klinikseelsorger in der Marienhaus Holding und in einer Justizvollzugsanstalt am Mittelrhein sowie als Autor. Er lebte von 1976 bis 2011 in der Communauté de Taizé und studierte in Lyon und Straßburg Theologie.
herder-korrespondenz
„Ich mache das, was in der Bibel steht. Ich gehe in Häuser, die niemand mag, aber wo man schneller hineinkommen kann, als einem lieb ist: Gefängnis und Krankenhaus.“
Neben dem Seelsorger ist auch ein Diakon in der JVA. Sie wechseln sich mit der Gestaltung des samstäglichen Gottesdienstes in der hauseigenen Kapelle ab. Hierzu kommen auch Muslime oder Atheisten. „Mir ist klar, dass viele diesen einstündigen Gottesdienst erst einmal deswegen in Anspruch nehmen, weil sie so aus ihrer Zelle rauskommen“, berichtet Hamburger. Dies sei für viele neben dem Hofgang nahezu die einzige Möglichkeit, etwas anderes außer ihren vier Wänden auf Zeit zu sehen.
Neben der Kommunionausteilung gibt es auch eine Zeit der Stille. Zudem liest Hamburger einen Bibeltext vor, über den er auch predigt. „Ich verwende in meiner Predigt einfache Worte, um alle Anwesenden im Gottesdienst mit einzubeziehen – unabhängig von der Religionszugehörigkeit – das geht sehr gut, auch ohne das Christentum zu verleugnen“, erklärt er. Seine Predigten sind auch Thema in einer Gruppe, zu der zehn Gefangene ganz unterschiedlichen Glaubens gehören. „Es ist unglaublich, was den Menschen dort zu meinem Predigttext alles einfällt. Ich versuche, auf die Einwürfe einzugehen und immer etwas von ihrem Alltag einzubauen.“ Er komme nämlich nicht, um etwas zu verkünden, sondern um den Menschen zu dienen. Dazu zähle es auch, den Insassen zu verdeutlichen, dass sie trotz ihrer derzeitigen Situation etwas wert seien. „Daher sage ich ihnen, dass ich für sie singe und auch die Orgel für sie spielt.“ Die Art seiner Gottesdienstgestaltung kommt an: „Viele bedanken sich am Schluss des Gottesdienstes“, berichtet der Seelsorger.
Hamburger ist auch für die Angestellten der JVA da. Neben der Gefängnisseelsorge hat er noch eine halbe Stelle in der Krankenhausseelsorge. „Es sind zwei Orte, wo man nie hin will, aber schneller dort ist, als man denkt“, gibt er zu bedenken. Bei beiden Stellen begegnet Hamburger den Menschen immer nur für eine gewisse Zeit. Ob seine Arbeit nachhaltig wirkt, weiß der gebürtige Regensburger nicht. Die Justizvollzugsanstalt Koblenz ist nur eine Durchgangsstation für die Inhaftierten. Nach einer Verurteilung kann es in andere Strafanstalten gehen, ein ständiger Wechsel. Hamburger bemerkt: „In dem Sinne habe ich keine Gemeinde, aber eine Schicksalsgemeinschaft.“
Mit diesem Buch formuliert Klaus Hamburger seinen persönlichen Dank an Frère Roger - und spricht damit wohl vielen aus dem Herzen. In seinen Schilderungen wird deutlich, welch ein besonderer Mensch der Gründer der Taizé-Gemeinschaft war: einer, der andere mit seiner Begeisterung anstecken konnte und doch selbst immer wieder zweifelte und fragte. Ein Einsamer mit Sinn für Gemeinschaft. Ein Gottsucher, der dreimal täglich betete. Ein Liebender, der in seinem Innersten verwundet war.
Buch
Stimmen zum Buch
- „Interessant war Frère Roger für manche Kirchenleute, weil er, wie es hieß, die Jugendlichen hatte. Er 'hatte' die jungen Leute aber nicht, er liebte sie, ein großer Unterschied.“
- „Solche und noch viel tiefere Erlebnisse und Erfahrungen mit Frère Roger hat auch Klaus Hamburger gemacht. Über drei Jahrzehnte lebte er als Frère Wolfgang in Taizé, übersetzte Texte von Frère Roger, war für die Publikationen der Gemeinschaft mitverantwortlich und hat nun seine persönlichen Erinnerungen an den Gründer von Taizé als Buch veröffentlicht: 'Danke, Frère Roger', erschienen im adeo-Verlag.“
- „Kenntnisreich, klug und mit warmem Humor verwebt Klaus Hamburger auf über 200 Seiten unzählige Details aus dem geistlichen Innenleben der Gemeinschaft und erschafft ein vielschichtiges, oft berührend nahes Porträt des Ordensgründers, der 2005 im Alter von 90 Jahren in Taizé von einer geistig verwirrten Frau erstochen wurde. Nebenbei entrollt sich ein Stück Zeitgeschichte durch den politischen und sozialen Wandel, auf den man in Taizé durch alle Jahrzehnte ohne Vorbehalte reagierte.“
- „Und trotzdem gelingt es dem Autor etwas zu zeigen, was Frère Roger undTaizé gleichermaßen kennzeichnet: das Unfertige, Vorläufige, Poetische, Unterwegsseiende an beiden. Das Buch ist ein überzeugendes Dankeschön.“
- „Ein gutes Buch, um über Frère Roger, den Gründer von Taizé, eine mit der Bewegung verbundene Spiritualität besser kennen und lieben zu lernen.“
- „Ein bewegendes Erinnerungsbuch, das sich von bisherigen Büchern über Taizé absetzt, weil es die Information mit der Emotion, die Erinnerung mit der Kommentierung gut zu verbinden weiß.“
- „Fazit: Ein inspirierendes Buch - nicht nur für erfahrene Taizé-Besucher empfehlenswert.“
- „Ein im besten Sinne 'hochgeistiges' Buch, das Richtung gebend zu sein vermag. Auf jeden Fall erweckt es in Taizé-Kennern den Wunsch auf einen erneuten Besuch, bei Taizé-Neulingen den Wunsch, das kleine Dorf inmitten Burgunds zu entdecken und seine Faszination zu erspüren. Sinn und Ziel des Buches aber mag es sein, in die Lebens und Glaubensüberzeugung Frère Rogers und Klaus Hamburgers einzutauchen und zu erfahren: 'Gott ist die Liebe'.“
- „Differenziert, klug beobachtet und aus einer dankbaren Haltung heraus beschreibt Klaus Hamburger anhand zahlreicher Begebenheiten aus dem Leben des charismatischen Ordensgründers, was diesen antrieb und wie es ihm gelang, über seinen Tod hinaus junge Menschen mit seiner einfachen Spiritualität und Lebensweise zu erreichen.“
- „"Das Leben auch eines großen Menschen ziegt sich oft in kleinen Begebenheiten", sagt Klaus Hamburger. Dreißig Jahre lang hat er in der Gemeinschaft des Gründers der ökomenischen Bruderschaft von Taizé, Frére Roger, gelebt. Anlässlich des hundertsten Geburtstags des Gründers hat er sich dazu überreden lassen, in Buchform über seine persönlichen Erlebnisse in der Gemeinschaft zu berichten.“
- „Langjähriger Taizé-Bruder erinnert sich an Frère Roger [...]. Über 30 Jahre lebte er als Frère Wolfgang in Taizé, übersetzte Texte von Frère Roger, half in der Gästebetreuung.“
- „Er wollte die Konfessionen versöhnen und die Armen stärken. Frère Roger, der Gründer der Bruderschaft von Taizé, wurde vor 100 Jahren geboren. Er überwand viele Grenzen, eckte aber auch an und sorgte für Aufsehen [...]: "Danke, Frère Roger - Persönliche Erinnerungen an den Gründer von Taizé" von Klaus Hamburger. Der Autor lebte mehr als drei Jahrzehnte in Taizé.“
- „Manchmal denke ich beim Lesen: Welch ein schwärmerischer Ton, aber anderes ist wohl nicht bekannt über Roger. Er verließ Taizé nicht oft, empfand es als seine Lebensaufgabe und strebte keine hohen Posten an. Was er glaubte lebte er, vielleichtist es gerade dies was seine Faszination bis heute ausmacht. Wer sich auf dieses Buch einlässt, der wird Frère Roger neu kennenlernen und erfahren, auf was es wirklich im Glauben ankommt!“
- „Ein bewegendes Erinnerungsbuch, das sich von bisherigen Büchern über Taizé absetzt, weil es die Information mit der Emotion, die Erinnerung mit der Kommentierung gut zu verbinden weiß.“
Frère Roger: Eine Stimme für die Ökumene
Er wollte die Konfessionen versöhnen und die Armen
stärken. Frère Roger, der Gründer der Bruderschaft von Taizé, wurde vor
100 Jahren geboren. Er überwand viele Grenzen, eckte aber auch an und
sorgte für Aufsehen.
So findet sich der Name von Frère Roger auch in Unterlagen der Stasi. Im Sommer 1981 formulierte das Ministerium für Staatssicherheit einen dreiseitigen Auskunftsbericht. Der Text, der der Deutschen Welle mit anderen Stasi-Archivalien zu Schutz vorliegt, listet detailliert die Kontakte in den Vatikan, seine größeren Reisen und seine beiden Besuche in der DDR 1980 und 1981 auf. Am Ende heißt es zusammenfassend: "Roger Schutz wird als eine Persönlichkeit eingeschätzt, die eine starke gruppenbildende Anziehungskraft ausübt, er sei ruhig und könne den Menschen - besonders den jungen Menschen - lange zuhören."
Über Konfessionsgrenzen hinweg
Längst hat die Kommunität – seit 1962 – ihre eigene große Kirche. Und sie bleibt dabei bewusst den verschiedenen christlichen Traditionen verbunden, vereint Brüder mit katholischer oder protestantischer Herkunft. In der Unterkirche feiern Katholiken die Eucharistie, jüngere Erweiterungen des Gotteshauses nahmen jeweils orthodoxe Elemente auf. Taizé gehört im engeren Sinne nicht einer Konfession. Es will im Sinne seines Gründers und ersten Priors offen sein für die Jugend Europas, die Jugend der Welt. Dazu hatte Frère Roger 1974 ein "Konzil der Jugend" mit zigtausend jungen Leuten einberufen. Seitdem leben Brüder aus Taize in vielen Teilen der Welt. In den Slums Lateinamerikas wie in den Brennpunkten afrikanischer oder asiatischer Metropolen. Und seit einigen Monaten auch in Kiew. Da sind manche Parallelen zum Werben des heutigen Papstes Franziskus für Barmherzigkeit, sein tiefes Mit-Leiden mit Flüchtlingen und Marginalisierten.
"Die Aussagen … bezogen sich ausschließlich auf religiöse Probleme. Zu Vorkommnissen kam es nicht", heißt es in einer vertraulichen Information der Stasi über einen Besuch Frère Rogers in Dresden 1984. Das zeigt, dass der Theologe, der in den 1970er und 1980er Jahren für viele junge Christen in Mitteleuropa zum Hoffnungsträger jenseits bürgerlicher Kirchenmauern wurde, nicht auf direkte politische Appelle setzte. Aber er wollte stets politische, soziale und konfessionelle Grenzen überwinden. Auch mit "Europäischen Jugendtreffen", die Taize seit 1978 jeweils zum Jahreswechsel initiiert und mit seinem globalen "Pilgerweg des Vertrauens" seit 1982. Immer wieder warb Frère Roger dabei für Gewaltlosigkeit und die Versöhnung der Völker, der Religionen und Konfessionen. Er ermutigte junge Leute zu ihrem eigenen Weg und redete Staatsmännern und politisch Verantwortlichen ins Gewissen.
Roger und Ratzinger
Zu jedem der römisch-katholischen Päpste hatte Schutz einen guten Draht. Und als er, bereits im Rollstuhl, auf dem Petersplatz an der Trauerfeier für Johannes Paul II. teilnahm, reichte der deutsche Kurienkardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., dem reformierten Theologen die Eucharistie. Ein bleibendes, ein großes Bild.
Monate später, am 16. August 2005, fällt Frère Roger einem Gewaltverbrechen zum Opfer. In der großen Versöhnungskirche von Taize verletzt ihn eine offenbar geistig verwirrte Frau mit Messerstichen tödlich. Während des Abendgebet, mitten in der voll besetzten Kirche.
Frère Roger war einer der großen europäischen Christen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Botschaft der Versöhnung und der Offenheit prägt bis heute die Brüderschaft von Taizé, die seitdem von dem deutschen Prior Frère Alois geleitet wird. Jahr für Jahr kommen viele hunderttausend Menschen auf den Hügel, auffallend viele junge Leute aus Mittel- und Osteuropa. Und viele halten inne an einem schlichten Grab vor der alten kleinen Kirche des Dorfes. Seines Dorfes Taizé. „F. Roger“ steht auf dem schlichten Holzkreuz.
http://www.dw.com/de/fr%C3%A8re-roger-eine-stimme-f%C3%BCr-die-%C3%B6kumene/a-18443300
Klaus Hamburger hat Bücherändernleben nun folgende Fragen beantwortet:
Lieber Klaus Hamburger, über Frere Roger wurde bereits viel geschrieben. Warum nun auch noch dieses Buch?
Es war mir möglich, aus der Nähe über ihn zu schreiben, in der ich Jahrzehnte hindurch mit ihm zusammenlebte. Zugleich konnte ich es auf dem Hintergrund von Erfahrungen tun, die ich vor und nach meiner Zeit in Taizé vor allem in Deutschland sammelte. Darauf bin ich nicht selbst gekommen; der Programmleiter des Verlages erkannte das. Er hatte recht. So entstand keine Biographie – es sind zwei über ihn im Handel –, sondern ein persönlich gefärbter Dank für das, was Frère Roger war und in seinem Leben umsetzte. Es scheint das einzige Buch zu sein, das zu seinem 100. Geburtstag über ihn auf Deutsch veröffentlicht wird. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich bin so froh, dass es dieses Buch gibt. Es ist wie ein Geschenk – auch an mich.
Sie selbst haben als Frere Wolfgang viele Jahre in Taize mit Frere Roger zusammen gelebt. Wie kam es dazu?
Als einer von hunderttausenden Jugendlichen kam ich, Anfang der siebziger Jahre nach Taizé. Bald erkannte ich die Tiefe und die Weite, in der an diesem Ort der Glaube Woche für Woche lebendig wurde, ohne Umständlichkeit und auch ohne Angst vor den mehr oder weniger ausgegorenen Vorstellungen, die meine Generation damals hatte. Diese Aufgeschlossenheit kam in einer Weise aus der Stille, aus einer innigen Christus-Verbundenheit, die ich vorher nie so erlebt hatte. Die Kirche, in der ich aufgewachsen war, durchaus mit Gleichaltrigen verschiedener Konfession, stand dort erst so richtig offen. Dieser Offenheit schloss ich mich an und kann bis heute nicht hinter sie zurück.
Sehr schön beschreiben Sie Seiten an Roger, die ich so noch nie beschrieben fand. Für was kann dieser Mann mit seinem Leben heute als Vorbild dienen?
Frère Roger hat dafür gesorgt, dass Taizé nicht lediglich ein Ort für Gleichgesinnte wurde. Er hat, aus meiner Sicht, sich bildende Kreise immer wieder aufgebrochen, was ihm nicht nur Zustimmung einbrachte. Er wusste, dass es im Leben keinen Stillstand geben kann, Treue war für ihn, auf dem Weg zu bleiben, immer auf den anderen zu, auf unfertige Menschen mit allen Spannungen, die mit ihnen auszuhalten waren. Er wollte dieser Mühe ganz bewusst nicht dadurch entkommen, dass er andere verurteilte oder auch nur durch Kategorien beurteilte.
Man spürt beim Lesen Ihres Buches sofort etwas von der Strahlkraft des Frere Roger und dennoch stellen Sie ihn nicht auf einen Heldensokel. Welche Schwächen hatte dieser Mann?
Auch bei der neuerlichen Betrachtung seines Lebens erkannte ich an ihm keine Schwächen, die nicht zugleich Stärken waren. Er stellte sich seiner Einsamkeit, wenn auch oft unter Schmerzen. So nahm man ihm ohne weiteres ab, dass er auf lautere Weise nach Gemeinschaft suchte. Er hing an der Kirche, die er nur als die eine sehen konnte, auch dort, wo sie weit unter ihren Möglichkeiten blieb, wo selbst er sich eingeschüchtert fühlen musste. So fand man sich gerade mit ihm in der Gemeinschaft der Glaubenden geborgen. Um seine persönlichen Schwächen wusste er, wie ich es erlebt habe, besser Bescheid als jeder andere. Er verstand es aber, sie in herzliche Zuneigung umzuwandeln, ja in Liebe, statt darüber zu verbittern. Das zog die Menschen an, ohne dass er ihnen nach dem Mund redete.
Was geschieht in Taize heute ohne Frere Roger?
Das kann ich nicht ohne weiteres sagen, nachdem ich es nicht mehr dort miterlebe. Es gibt gewiss bis heute keinen religiös geprägten Ort, an den man unbedenklicher mit jungen Leuten unterschiedlichster Prägung fahren kann. Man entdeckt dort – etwas anderes höre ich nicht – nach wie vor die Schönheit des Glaubens, nicht durch eine ängstliche Engführung, die nicht in die Tiefe führt, sondern durch eine Weite, in die man selbstständig hineinwachsen kann.
https://buecheraendernleben.wordpress.com/2015/04/14/klaus-hamburger-danke-frere-roger/
Stimmen:
Frère Roger war ein wunderbarer Mensch, der immer wieder seine eigenen Grenzen sprengte und anderen half, mit viel Vertrauen und Mut weiter zu gehen, als sie zuvor jemals geahnt hatten. Und das alles in der ihm eigenen Schlichtheit, die sich niemals jemandem aufdrängte. Man kann sich diesem „Danke, Frere Roger“ eigentlich nur anschließen.
Barbara
Frère Roger ein Wegbereiter der Versöhnung der Konfessionen.
Wie schön, dass wir durch das neue Buch über ihn und die Bruderschaft etwas mehr erfahren!
Tom
Buchauszüge
Interview mit Frère Wolfgang in Taizé
Klaus Hamburger im Gespräch
Klaus Hamburger (geb. 1953) arbeitet als Klinikseelsorger in der Marienhaus Holding und in einer Justizvollzugsanstalt am Mittelrhein sowie als Autor. Er lebte von 1976 bis 2011 in der Communauté de Taizé und studierte in Lyon und Straßburg Theologie.
herder-korrespondenz
Bruder Wolfgang kehrt in die Heimat zurück
„Ich mache das, was in der Bibel steht. Ich gehe in Häuser, die niemand mag, aber wo man schneller hineinkommen kann, als einem lieb ist: Gefängnis und Krankenhaus.“
Gefängnisseelsorger in Koblenz
Auch nach fünf Jahren geht er gern zu seiner Arbeitsstelle. „Ich bin richtig erfüllt von dieser Arbeit. Ich bekomme ein Geschenk, wenn sich Menschen mir anvertrauen“, sagt der Seelsorger. Zudem empfange er auch ganz viel von den Inhaftierten. „Das tut meiner Seele gut“, bekundet er.Neben dem Seelsorger ist auch ein Diakon in der JVA. Sie wechseln sich mit der Gestaltung des samstäglichen Gottesdienstes in der hauseigenen Kapelle ab. Hierzu kommen auch Muslime oder Atheisten. „Mir ist klar, dass viele diesen einstündigen Gottesdienst erst einmal deswegen in Anspruch nehmen, weil sie so aus ihrer Zelle rauskommen“, berichtet Hamburger. Dies sei für viele neben dem Hofgang nahezu die einzige Möglichkeit, etwas anderes außer ihren vier Wänden auf Zeit zu sehen.
Neben der Kommunionausteilung gibt es auch eine Zeit der Stille. Zudem liest Hamburger einen Bibeltext vor, über den er auch predigt. „Ich verwende in meiner Predigt einfache Worte, um alle Anwesenden im Gottesdienst mit einzubeziehen – unabhängig von der Religionszugehörigkeit – das geht sehr gut, auch ohne das Christentum zu verleugnen“, erklärt er. Seine Predigten sind auch Thema in einer Gruppe, zu der zehn Gefangene ganz unterschiedlichen Glaubens gehören. „Es ist unglaublich, was den Menschen dort zu meinem Predigttext alles einfällt. Ich versuche, auf die Einwürfe einzugehen und immer etwas von ihrem Alltag einzubauen.“ Er komme nämlich nicht, um etwas zu verkünden, sondern um den Menschen zu dienen. Dazu zähle es auch, den Insassen zu verdeutlichen, dass sie trotz ihrer derzeitigen Situation etwas wert seien. „Daher sage ich ihnen, dass ich für sie singe und auch die Orgel für sie spielt.“ Die Art seiner Gottesdienstgestaltung kommt an: „Viele bedanken sich am Schluss des Gottesdienstes“, berichtet der Seelsorger.
Hamburger ist auch für die Angestellten der JVA da. Neben der Gefängnisseelsorge hat er noch eine halbe Stelle in der Krankenhausseelsorge. „Es sind zwei Orte, wo man nie hin will, aber schneller dort ist, als man denkt“, gibt er zu bedenken. Bei beiden Stellen begegnet Hamburger den Menschen immer nur für eine gewisse Zeit. Ob seine Arbeit nachhaltig wirkt, weiß der gebürtige Regensburger nicht. Die Justizvollzugsanstalt Koblenz ist nur eine Durchgangsstation für die Inhaftierten. Nach einer Verurteilung kann es in andere Strafanstalten gehen, ein ständiger Wechsel. Hamburger bemerkt: „In dem Sinne habe ich keine Gemeinde, aber eine Schicksalsgemeinschaft.“