17.2.18
Kontraste wie zwischen Fasching und Fastenzeit
Schon der Rosenmontag war in vergangenen Zeiten ein Tag der
extremen Gegensätze. Der Tag hatte eher mit rasen im Sinn von tollen zu
tun, nicht mit Rosen. Es war ein Tag der umgestürzten Verhältnisse. Im
Mittelalter wurde in einigen Gegenden Europas das "Fest der Narren"
begangen. Dieser Tag war ein Tag der verkehrten Hierarchien, der
umgestürzten Herrschaft. Nicht der Adel, einschließlich der Bischöfe,
regierte an diesem Tag, sondern die Narren. Unsere Faschingsprinzen und
-prinzessinnen sind davon nur noch ein schwacher Abklatsch, nicht mehr
als Folklore und Tourismusattraktion.
Den Mächtigen waren diese Tage des Kontrasts stets ein Dorn im Auge. Im Jahr 1431 verdammte das Konzil von Basel das Fest der Narren. Dennoch überlebte es bis ins 16. Jahrhundert. Die Ohnmächtigen, vertreten durch die Narren, wollten auf den einen Tag im Jahr nicht verzichten, an dem sie wenigstens den Anschein von Macht hatten.
Es ist durchaus vorstellbar, dass diese zur Anarchie neigenden Feste eine religiöse Wurzel haben. Die altrömischen Lupercalien, die auch in Shakespeares Drama Julius Cäsar vorkommen, versetzten das Volk in die mythische und wilde Zeit vor der Gründung Roms. Das Fest, das am 15. Februar gefeiert wurde, begann mit dem Opfer eines Bocks - und Opfer sind ein Urakt der Religion. Als das Imperium christlich geworden war, hat das Lupercalienfest von allen heidnischen Ritualen am längsten überlebt - allen Verboten zum Trotz.
Von der alten Wildheit und Anarchie ist in unseren Tagen am Rosenmontag kaum etwas zu spüren. Die Zeit flacht alle Erfahrungen ab, hat der im Vorjahr verstorbene Religionssoziologe Peter Berger festgestellt. Aber was wäre das für ein Leben, in dem alles abgeflacht, gleich gemacht, eingeebnet wird! Kontraste beleben, Kontraste machen Unterschiede spürbar. Die Anarchie des Fests der Narren und der Rosenmontag können bewusst machen, wie flach und eintönig ein bis ins letzte Detail geregeltes Leben wird.
Ö1
Den Mächtigen waren diese Tage des Kontrasts stets ein Dorn im Auge. Im Jahr 1431 verdammte das Konzil von Basel das Fest der Narren. Dennoch überlebte es bis ins 16. Jahrhundert. Die Ohnmächtigen, vertreten durch die Narren, wollten auf den einen Tag im Jahr nicht verzichten, an dem sie wenigstens den Anschein von Macht hatten.
Es ist durchaus vorstellbar, dass diese zur Anarchie neigenden Feste eine religiöse Wurzel haben. Die altrömischen Lupercalien, die auch in Shakespeares Drama Julius Cäsar vorkommen, versetzten das Volk in die mythische und wilde Zeit vor der Gründung Roms. Das Fest, das am 15. Februar gefeiert wurde, begann mit dem Opfer eines Bocks - und Opfer sind ein Urakt der Religion. Als das Imperium christlich geworden war, hat das Lupercalienfest von allen heidnischen Ritualen am längsten überlebt - allen Verboten zum Trotz.
Von der alten Wildheit und Anarchie ist in unseren Tagen am Rosenmontag kaum etwas zu spüren. Die Zeit flacht alle Erfahrungen ab, hat der im Vorjahr verstorbene Religionssoziologe Peter Berger festgestellt. Aber was wäre das für ein Leben, in dem alles abgeflacht, gleich gemacht, eingeebnet wird! Kontraste beleben, Kontraste machen Unterschiede spürbar. Die Anarchie des Fests der Narren und der Rosenmontag können bewusst machen, wie flach und eintönig ein bis ins letzte Detail geregeltes Leben wird.
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Der Faschingsdienstag ist der Höhe-
und zugleich Endpunkt des närrischen Treibens. Der Kontrast zwischen dem
üppigen Treiben und der in früheren Zeiten strengen Fastenzeit könnte
kaum größer sein. In den sechs Wochen der Fastenzeit war einst der
Genuss von Fleisch und tierischem Fett verboten. Das Wort Karneval wird
daher aus dem Lateinischen abgeleitet: Carnem levare bedeutet "das
Fleisch wegnehmen".
Masken und Verkleidung gehören zum Fasching. Sie sind Ausdruck der menschlichen Sehnsucht, ein anderer oder eine andere zu sein - ein Gott, ein Tier, eine Dämonin, eine Herrscherin, ein Priester oder ein feuriger Liebhaber.
Das mag als Erklärung für die bei manchen Menschen so beliebten Maskenbälle reichen. Für eine kurze Zeit ist man ein ganz anderer, und was in diesen Stunden sich ereignet und ergibt, ist nach dem Ablegen der Masken nicht nur vergessen, sondern nie gewesen.
Masken können aber auch eine Verwandlung ins Lächerliche, ins Aggressive und Obszöne bewirken. Es geht nicht darum, wer und was ein Mensch ist, sondern als was er erscheint. Das kommt im altgriechischen Wort für Maske schön zum Ausdruck: Prosopon ist das, was man ansieht - das, als was jemand erscheint. Vom Wort Prosopon leitet sich unser Wort Person her. Und ist es nicht tatsächlich so, dass es bei vielen Personen, nicht minder bei denen, die als Persönlichkeit gelten, mehr auf den Schein ankommt als auf das Sein? Wer hinter der Maske sich verbirgt, kann nach der Demaskierung offenbar werden. Auf diese Weise sind schon Nationalhelden ihres Glanzes beraubt und Denkmäler vom Sockel gestürzt worden.
So viele Masken ein Mensch auch anlegt - der hinter der Maske bleibt doch immer derselbe. Es ist wie bei einer Reise: Man mag noch so weit gehen, fahren oder fliegen, und wäre es hinter den Mond: Sich selbst nimmt man dabei doch immer mit.
Ö1Masken und Verkleidung gehören zum Fasching. Sie sind Ausdruck der menschlichen Sehnsucht, ein anderer oder eine andere zu sein - ein Gott, ein Tier, eine Dämonin, eine Herrscherin, ein Priester oder ein feuriger Liebhaber.
Das mag als Erklärung für die bei manchen Menschen so beliebten Maskenbälle reichen. Für eine kurze Zeit ist man ein ganz anderer, und was in diesen Stunden sich ereignet und ergibt, ist nach dem Ablegen der Masken nicht nur vergessen, sondern nie gewesen.
Masken können aber auch eine Verwandlung ins Lächerliche, ins Aggressive und Obszöne bewirken. Es geht nicht darum, wer und was ein Mensch ist, sondern als was er erscheint. Das kommt im altgriechischen Wort für Maske schön zum Ausdruck: Prosopon ist das, was man ansieht - das, als was jemand erscheint. Vom Wort Prosopon leitet sich unser Wort Person her. Und ist es nicht tatsächlich so, dass es bei vielen Personen, nicht minder bei denen, die als Persönlichkeit gelten, mehr auf den Schein ankommt als auf das Sein? Wer hinter der Maske sich verbirgt, kann nach der Demaskierung offenbar werden. Auf diese Weise sind schon Nationalhelden ihres Glanzes beraubt und Denkmäler vom Sockel gestürzt worden.
So viele Masken ein Mensch auch anlegt - der hinter der Maske bleibt doch immer derselbe. Es ist wie bei einer Reise: Man mag noch so weit gehen, fahren oder fliegen, und wäre es hinter den Mond: Sich selbst nimmt man dabei doch immer mit.
Was für ein Kontrast! Gestern das tolle
Treiben des Faschingsdienstags, heute die karge Stimmung des
Aschermittwochs. Fasten, Buße, Verzicht. Gedenke Mensch, dass du Staub
bist und zum Staub zurückkehrst.
Vielfach wird dieser Kontrast heute allerdings kaum wahrgenommen. Im Betrieb der modernen Arbeitswelt sind die Tage einander ähnlicher geworden. Die Maschine der Unterhaltungsindustrie läuft das ganze Jahr über auf Hochtouren. Die Fastenzeit ist für viele nicht mehr als eine vage Erinnerung. Und wer möchte schon gern daran erinnert werden, dass der Tod keine ferne Möglichkeit ist, sondern eine bevorstehende Wirklichkeit?
Einem kalendarischen Zufall ist es zu danken, dass der heutige Aschermittwoch zugleich Valentinstag ist. So sind heute weitere Kontraste vereint: Blumen und Asche, Liebe und Tod. So konträr diese Dinge scheinen, so sehr gehören sie doch zusammen. Auch die schönsten Blumen welken, verfallen, werden zu Staub. Jede Liebe steht unausweichlich unter dem Horizont ihres Endes - oder jedenfalls des Endes ihrer aktuellen Form.
Aber gerade das Ende verleiht allem erst seinen Wert und seine Würde. Was immer da ist und immer zur Verfügung steht, wird alltäglich und gewöhnlich.
Zu fasten, auf etwas von Zeit zu Zeit zu verzichten, könnte den Dingen ihren Wert zurückgeben. Es ist wie mit den Erdbeeren: Was war das doch für ein Ereignis, wenn wir als Kinder im Juni die ersten Erdbeeren pflückten. Heute sind sie das ganze Jahr über verfügbar - aber sie haben dadurch buchstäblich ihren Geschmack verloren.
Fasten ist aber darüber hinaus ein Akt zur Sicherung der persönlichen Freiheit. An viele Dinge des alltäglichen Lebens kann man sich so sehr gewöhnen, dass sie gewöhnlich geworden sind. Man merkt dabei oft gar nicht, dass man von ihnen abhängig geworden ist. Das Mobiltelefon mit der Verlockung, ständig online und erreichbar zu sein, ist nur ein Beispiel dafür, der ständige Lärm der vielfachen Ablenkungsmöglichkeiten ein anderes. Es könnte helfen, manchen Dingen den ihnen zukommenden Platz zu geben, wenn man einmal auf sie verzichtet. Es wäre ein Schritt zu einem bewussten Leben. Es wäre ein Beitrag zur Sicherung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit.
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Vielfach wird dieser Kontrast heute allerdings kaum wahrgenommen. Im Betrieb der modernen Arbeitswelt sind die Tage einander ähnlicher geworden. Die Maschine der Unterhaltungsindustrie läuft das ganze Jahr über auf Hochtouren. Die Fastenzeit ist für viele nicht mehr als eine vage Erinnerung. Und wer möchte schon gern daran erinnert werden, dass der Tod keine ferne Möglichkeit ist, sondern eine bevorstehende Wirklichkeit?
Einem kalendarischen Zufall ist es zu danken, dass der heutige Aschermittwoch zugleich Valentinstag ist. So sind heute weitere Kontraste vereint: Blumen und Asche, Liebe und Tod. So konträr diese Dinge scheinen, so sehr gehören sie doch zusammen. Auch die schönsten Blumen welken, verfallen, werden zu Staub. Jede Liebe steht unausweichlich unter dem Horizont ihres Endes - oder jedenfalls des Endes ihrer aktuellen Form.
Aber gerade das Ende verleiht allem erst seinen Wert und seine Würde. Was immer da ist und immer zur Verfügung steht, wird alltäglich und gewöhnlich.
Zu fasten, auf etwas von Zeit zu Zeit zu verzichten, könnte den Dingen ihren Wert zurückgeben. Es ist wie mit den Erdbeeren: Was war das doch für ein Ereignis, wenn wir als Kinder im Juni die ersten Erdbeeren pflückten. Heute sind sie das ganze Jahr über verfügbar - aber sie haben dadurch buchstäblich ihren Geschmack verloren.
Fasten ist aber darüber hinaus ein Akt zur Sicherung der persönlichen Freiheit. An viele Dinge des alltäglichen Lebens kann man sich so sehr gewöhnen, dass sie gewöhnlich geworden sind. Man merkt dabei oft gar nicht, dass man von ihnen abhängig geworden ist. Das Mobiltelefon mit der Verlockung, ständig online und erreichbar zu sein, ist nur ein Beispiel dafür, der ständige Lärm der vielfachen Ablenkungsmöglichkeiten ein anderes. Es könnte helfen, manchen Dingen den ihnen zukommenden Platz zu geben, wenn man einmal auf sie verzichtet. Es wäre ein Schritt zu einem bewussten Leben. Es wäre ein Beitrag zur Sicherung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit.
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