7.3.18
Pfingstkirchen in Brasilien
Seit einem Vierteljahrhundert boomen die Pfingstkirchen in Brasilien – eine unüberschaubare Fülle großer und kleiner, lokaler und globaler Kirchen, die sehr unterschiedlich ausgerichtet sind. Eine neue Form, Christ zu sein, ist im Werden. Neben Katholizismus, Protestantismus und Orthodoxie entsteht mit dem Pentekostalismus ein vierter Zweig des Christentums.
ORF
Die 42 Millionen Mitglieder der verschiedenen Pfingstkirchen in Brasilien sind „jünger, ärmer und weiblicher“ als der Durchschnitt der Bevölkerung. Ihre Spiritualität mutet in manchem vormodern an - ekstatisches Singen und Beten, viel Amen und Halleluja, bis hin zu Teufelsaustreibungen in manchen Pfingstkirchen. Doch in gewisser Weise sei der Pentekostalismus hochmodern, sagt der Religionssoziologe Alberto Moreira.
Anders als der traditionelle Katholizismus, der vielfach eine Haltung des Duldens und Hoffens auf das Jenseits hochhielte, würden die Pfingstkirchen ihre Mitglieder zu einer aktiven, zupackenden, kämpfenden Haltung den Herausforderungen des Alltags gegenüber motivieren. So biete der Pentekostalismus Halt in einer sich rasant entwickelnden Gesellschaft, Orientierung in einer unsicher gewordenen Welt, in der das Individuum zunehmend auf sich selbst gestellt sei. Das mache ihn für viele Menschen attraktiv.
Die „Orientierung“ hat verschiedene Pfingstkirchen besucht und mit Mitgliedern gesprochen. Mitglieder der „Assembleia de Deus“, der ältesten Pfingstkirche, die ihren Anhängerinnen und Anhängern eine strenge Ethik abverlangt, erzählen von ihren Bekehrungserfahrungen und missionarischen Einsätzen - besonders bei den Armen.
Als Vertreterin eines „Hardcore“-Pentekostalismus gilt die „Igreja Universal do Reino de Deus“, die sich wenig in das Leben ihrer Mitglieder einmischt, dafür aber in ihre Brieftaschen greift. Ein ehemaliges Kirchenmitglied erzählt von seinen Erfahrungen - unter anderem von Teufelsaustreibungen.
„Fonte da Vida“ bietet einen Pentekostalismus „light“ für die Mittelklasse und betreibt einen Fernsehsender, ihr Bischof Fábio Souza ist auch Politiker. Die „Videira“ wiederum setzt auf Gemeinschaft und organisiert ihre Mitglieder in sogenannten Zellen, verbindlichen Gruppen, die sich in Privatwohnungen treffen.
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