16.1.19

 

Ärztemangel - Ein Mythos oder droht der medizinische Kollaps?

In regelmäßigen Abständen ist zu lesen und zu hören, dass Kassenarztpraxen selbst in Ballungszentren nicht mehr besetzt werden können und vor allem der für die Basisversorgung so wichtige "Landarzt" eine aussterbende Spezies sei. Dabei weist Österreich eine sehr hohe Dichte an Medizinern auf die Einwohnerzahl bezogen auf.

Ein Problem mit mehreren Ursachen

Nach den Angaben der OECD hat Griechenland die größte Dichte an Ärzten gefolgt von Österreich: Hierzulande kommen auf 1.000 Einwohner 5 Mediziner. Im EU-Schnitt sind es etwa 3,5.
Trotzdem sind in Österreich die Wartezeiten auf Termine bei Ärzten mit einem Kassenvertrag keineswegs unterdurchschnittlich kurz, wie wir alle wissen.

Die Ansprüche der jungen Medizin-Generation

Dazu unser Sendungsgast Dr.in Mirjam Hall, Assistenzärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe: "Das Einzelkämpfer-Dasein ist nicht attraktiv. Die meisten von uns sind vom Studium her Team-Work gewöhnt. Wir sind interessiert an flexiblen Arbeitszeitmodellen und es ist gut, dass in Zukunft Ärzte andere Mediziner anstellen dürfen. Außerdem wäre es wichtig, wenn man bereits im Studium intensiv darüber informiert werden würde, wie unser Gesundheitssystem funktioniert und welche Verantwortung wir übernehmen sollen."

Österreich hat ein Attraktivitätsproblem

Es gab über Jahrzehnte hinweg ausreichend Jungärzte, die Frondienste in den Krankenhäusern leisteten. Das war für die Verantwortlichen recht bequem.
Nun hat sich das Blatt gewendet. Der Bedarf ist größer als das Angebot. Denn viele Absolventen der österreichischen Medizinunis gehen ins Ausland. Mehr Verdienst und bessere Konditionen sind die Gründe.

Neue Kassenverträge in Umsetzung

Im Dezember 2018 haben die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse und die Niederösterreichische Ärztekammer einen neuen Vertrag abgeschlossen, der von beiden Seiten aus gelobt wird. Das ist schon mal sehr ungewöhnlich.
Und was bisher unmöglich erschien, geht plötzlich doch. Der Generaldirektor der Niederösterreichischen GKK Mag. Jan Pazourek: "Allgemeinmediziner und Kinderärzte erhalten deutlich mehr Geld. Es gibt mehr Freiräume bei Vertretungen, die Wochenenddienste werden attraktiver geregelt, Gemeinschaftspraxen werden gefördert und erstmals dürfen Ärzte andere Mediziner anstellen."

Zuerst denken, dann handeln

Österreich hat zwei gravierende Probleme, so der Mediziner und Publizist Dr. Ernest G. Pichlbauer: "Erstens: Das duale System sorgt für hohe Ausgaben. Da die Krankenhausambulanz steuerfinanziert ist und die niedergelassenen Ärzte durch unsere Sozialabgaben, gilt der Satz: Alle vorhandenen Ressourcen werden auch genutzt. Ein Beispiel: Die Gebietskrankenkassen sind keineswegs böse, wenn der praktische Arzt einen Patienten in eine Krankenhausambulanz schickt. Denn die zahlt der Staat. Zweitens: Der wichtigste und schwierigste Schritt wäre festzulegen, welche Leistungen in unserem Gesundheitssystem erbracht werden sollen. Erst dann kann man entscheiden, welche Organisationsform (Primärversorgungszentren, mehr Geld für die niedergelassenen Ärzte) dafür geeignet ist.

Im allseits gelobten Dänemark steht zum Beispiel die "Gemeindeschwester" im Mittelpunkt der Grundversorgung. Sie ist die erste Anlaufstelle, die auch die meisten Beschwerden selbst behandelt. Legt man das auf Österreich um, würden jährlich 2,4 Millionen Menschen weniger zum Arzt gehen."

Ö1

Dr. Ernest G. Pichlbauer
Mediziner und Publizist
Weihburggasse 26/2a
1010 Wien
+43/676/5315398
E-Mail
Homepage

Mag. Jan Pazourek
Generaldirektor der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse
Kremser Landstraße 3
3100 St. Pölten
050 899-5101
E-Mail
Homepage

Dr.in Mirjam Hall
Assistenzärztin
Wilhelminenspital
Gynäkologisch-geburtshilfliche Abteilung mit Ambulanz, Pavillon 28
Montleartstraße 37
1160 Wien
+43/1/491 50/4708
E-Mail
Homepage

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