13.7.19

 

Welche Technologie im Katastrophenfall am besten ist

Apps wie Katwarn sind in aller Munde. Doch was passiert, wenn die Mobilfunknetze bei Gefahrenlagen ausfallen oder bei Stromausfall kein Zugang zum Internet mehr möglich ist? Bayern möchte für diesen Fall einen Informations- und Warnkanal im Digitalradio DAB+ etablieren.

Die ständige Erreichbarkeit an jedem Ort zu jeder Zeit gehört inzwischen zu unserem Alltag. Vor allem das mobile Internet vermittelt ein sicheres Gefühl jederzeit informiert zu sein. Seit den jüngsten Gefahrenlagen wie den Terroranschlägen in Bayern oder dem Amoklauf in München sind Katastrophen-Warnapps wie Katwarn in aller Munde. Doch diese Apps hätten bei einigen Krisen der Vergangenheit nichts genützt. Gerade die jüngst gemachten Erfahrungen wie die Überschwemmungen in Bayern, die Terroranschläge von Paris oder den Anschlag auf den Boston-Marathon zeigten, dass der Mobilfunk störanfällig war und im Katastrophenfall oftmals nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht. Bei den Überschwemmungen in Bayern ist in den Katastrophengebieten der gesamte Strom ausgefallen, es war weder Mobilfunk noch Internet verfügbar. Dagegen liefen die Rundfunksende­anlagen dank Notstrom-Versorgung.

Informationskanal über DAB+

Die Bayern Digital Radio GmbH hat daher mit Partnern aus der Wirtschaft ein Projekt ins Leben gerufen, dass diese Aufgabe über einen speziellen Informationskanal - ausgestrahlt über das terrestrische Digitalradio DAB+ - leisten soll. Dieses Programm wird ab September in Bayern weitgehend landesweit im Kanal 10D ausgestrahlt und kann mit jedem handelsüblichen DAB+-Radio empfangen werden. Auf dem analogen UKW-Spektrum ist aufgrund Frequenzmangels für einen solchen Warnkanal kein Platz mehr. Die Projektphase dauert zunächst bis Dezember 2016. Nach erfolgreicher Einführung besteht die Möglichkeit, den Informationskanal als ständigen Service über DAB+ in Bayern zu etablieren.
In dem Infokanal, der rund um die Uhr auf Sendung sein soll, gibt es nicht nur Hinweise über eventuelle Gefahrenlagen wie Terroranschläge, Amokläufe oder Chemieunfälle, sondern beispielsweise auch Unwetterprognosen oder Hinweise auf Ereignisse wie Lawinengefahr in den Alpen. Auch auf Polizei- oder Feuerwehreinsätze oder temporäre Straßensperrungen könnte der Infokanal hinweisen.
Die DAB-Technologie erfüllt die Anforderungen, die an ein Rundfunk­system mit einem Versorgungsauftrag gestellt werden, das heißt das unabhängig von Nutzerzahl und Netzkapazität die Bevölkerung auch im Ernstfall mit neuesten Informationen erreicht wird. Das Projekt erfolgt in Zusammenarbeit mit erfahrenen Spezialisten und unter Einbeziehung moderner Prognosetools. So werden die Wetterprognosen von der Kachelmann GmbH und Meldungen aus dem Bereich Sicherheit und Katastrophenschutz von den entsprechenden Behörden an die TMT GmbH & Co. KG in Bayreuth zugeliefert.

EWF schaltet Radios automatisch ein oder um

Um über Gefahrenlagen informiert zu werden, müssen Radiohörer jedoch den Informationskanal aktiv einschalten, eine automatische Warnung der Bevölkerung wie bei den Warn-Apps per Smartphone erfolgt nicht. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen entwickelte die Bayern Digital Radio GmbH daher auch das sogenannte EWF (Emergency-Warning-Functionality)-System. Durch EWF soll künftig eine landesweite Warnung der Bevölkerung bei Großschadensereignissen oder im Katastrophenfall über Digitalradio möglich sein. Damit die Informationen schnellstmöglich beim Hörer ankommen, wird es einen speziellen Warnkanal geben, auf den sämtliche Radiogeräte im Bedarfsfall automatisch umschalten, beziehungsweise aus dem Standby-Betrieb "aufgeweckt" werden und sich selbständig auf diesen Kanal schalten. Einige Digitalradiogeräte sind heute schon darauf vorbereitet, andere lassen sich per Firmware-Upgrade entsprechend aufrüsten.

Manko: Bisher mangelhafte Marktdurchdringung mit DAB+-Radios

Gegen Informationskanäle und die EWF-Funktion spricht aber heute noch die geringe Marktdurchdringung mit DAB+-Geräten. Nur fünf Prozent der Neuwagen in Deutschland haben DAB+ serienmäßig eingebaut, und erst in rund 15 Prozent der Haushalte steht mindestens ein Digitalradio-Gerät. Dabei kann EWF vor allem im Auto eine wichtige und vom Mobilfunk unabhängige Funktion übernehmen. Bei bevorstehenden Wetterereignissen wie Gewitter, Starkregen, Schneefälle oder Polizei- und Feuerwehreinsätzen können Autofahrer schnell gewarnt werden, auch wenn sie beispielsweise Musik via MP3 hören. Bisher gibt es solch eine Funktion nur für Verkehrsmeldungen (ARI).
Dagegen verfügen Apps wie Katwarn vor allem über eines: eine extrem hohe Reichweite. Seit den Ereignissen in Bayern hat sich die Zahl der Personen, die diese Apps auf ihr Smartphone geladen haben, verdoppelt. So lange die Mobilfunknetze stabil laufen, erreichen diese Dienste weit mehr Menschen als ein Warndienst über das terrestrische Radio DAB+, denn die Mehrheit der Deutschen besitzt ein Smartphone. Doch bei Ausfall der Mobilfunknetze oder in Funklöchern nützt die beste Applikation nichts.
Wer umfassend über Gefahrenlagen informiert sein möchte, sollte also künftig auf beide Technologien setzen. Hier bleibt allerdings zunächst abzuwarten, ob Informations- und EWF-Kanäle im Digitalradio auch außerhalb Bayerns installiert werden, ob DAB+ überhaupt in den kommenden Jahren zu einer nennenswerten Marktdurchdringung kommt und ob die EWF-Funktion Standard bei möglichst allen Digitalradio-Geräten wird.

Quelle

Anmerkung: In Österreich auch bereits vorhanden!

Sofortige Notfall-Alarmierung über Digitalradio dank „Emergency Warning Functionality“ (EWF)

EWF



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