22.4.21
Gesund auch im hohen Alter - Fortschritte der regenerativen Medizin
Die Lebenserwartung steigt erfreulicherweise unaufhaltsam an. Noch
schöner wäre es, wenn parallel dazu auch die altersbedingten
Abnutzungserscheinungen aufgehalten oder verlangsamt werden könnten.
Die
regenerative Medizin arbeitet genau daran. Ihr Ansatz ist: Statt
Reparaturmedizin sollen die Selbstheilungskräfte des Körpers genutzt
werden. Dadurch verlangsamen sich die Abbauvorgänge im Körper und der
Alterungsprozess allgemein.
Funktionsgestörte Zellen wieder aktivieren
Nach
Verletzungen, Unfällen oder Operationen können biotechnologische
Verfahren eingesetzt werden, um funktionsgestörte Zellen, Gewebe- und
Organstrukturen wiederherzustellen. Wenn es möglich ist, wird der Körper
bei der Selbstheilung unterstützt. Schafft er es nicht, gibt es
verschiedene Wege, um Heilungsprozesse anzukurbeln.
Implantierte
mesenchymale Stammzellen können sich zu Knorpel- oder Knochenzellen
weiterentwickeln. Außerdem „sprechen“ sie mit den Zellen im Umfeld,
locken Gefäße an, modulieren Immunzellen und sorgen so dafür, dass die
Entzündungsprozesse abklingen.
Mit Fettstammzellen gegen Osteoarthrose
Am
AUVA-Forschungszentrum, dem Ludwig-Boltzmann-Institut für
experimentelle und klinische Traumatologie, wird an zellbasierten
Therapien geforscht. Das Material dafür stammt aus medizinischen
Abfallprodukten. Österreich ist weltweit führend bei der
Wiederverwertung dieser Materialien. Denn in einer Plazenta oder dem
durch eine Operation entfernten Fettgewebe befinden sich sehr viele
regenerative Zellen, die aufbereitet und genutzt werden können. Das
Besondere an diesen Zellen: Sie werden von der köpereigenen Immunabwehr
nicht angegriffen. Auch diese Zellen sorgen dafür, dass
Entzündungsprozesse in erkrankten Körperstrukturen zurückgehen und es
zur Regeneration kommt. So können zum Beispiel Fettstammzellen bei
Osteoarthrose ins Knie gespritzt werden.
Susanne Wolbank PhD,
Co-Director und Head of Tissue Regeneration am
Ludwig-Boltzmann-Institut, hat sich auf die Stammzellenforschung
spezialisiert. Sie beschäftigt sich mit ganz bestimmten Bestandteilen
von Stammzellen, nämlich den Vesikeln. Diese Bläschen enthalten die
Substanzen für den Heilungsprozess.
Außerdem können physikalische Signale, zum Beispiel Stoßwellen oder Low Level Laser, Regenerationsvorgänge in Knochen, Sehnen, Nerven und dem Herzmuskel aktivieren. Die Stoßwellen-Methode wird am Institut untersucht. Es beginnt gerade eine Studie, um die Wirkung an Rückenmarksverletzungen zu testen.
Blutbestandteile stoppen Entzündungen
Die
Orthopädie kann als Pionier in der klinischen Anwendung regenerativer
Methoden gesehen werden. Vor allem Knorpelschäden sind ja sehr häufig.
Das Zentrum für Regenerative Medizin an der Donauuniversität Krems,
unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, hat sich der
Knorpel- und Arthroseforschung verschrieben. Es wird daran gearbeitet,
neue Verfahren zu entwickeln und die „Reparaturmedizin“ in eine
„Regenerationsmedizin“ umzuwandeln. In gewissen Bereichen gibt es
bereits Erfolge. So können zum Beispiel Knorpeldefekte bei jungen
Menschen mit Zelltransplantation behandelt werden.
In Zukunft
könnten Blutprodukte bei Verletzungen der Gelenksoberflächen gespritzt
werden. Denn bestimmte Bestandteile des Blutes können
Entzündungsreaktionen stoppen und dadurch eine Regeneration ermöglichen.
Der Vorteil dieser Methoden ist, dass sie im Vergleich zur
herkömmlichen Behandlung mit Schmerzmedikation und antientzündlichen
Medikamenten keine Nebenwirkungen haben.
Die Donauuniversität Krems
bietet als eine von wenigen Institutionen in Europa ein PhD-Studium im
Bereich der regenerativen Medizin an. Im nächsten Jahr wird es auch ein
Master-Studium mit internationalen Kooperationspartnern geben.
Implantate aus dem 3D-Drucker
Ein weiteres spannendes Gebiet der regenerativen Medizin ist Bioprinting. Im Zuge eines internationalen Projekts wird an der Meduni Wien gerade an der Herstellung von Knochen für Zahnimplantate und Knieprothesen geforscht. Assoc. Prof. Dipl.-Ing. Francesco Moscato, PhD, vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik, versucht Biomaterial herzustellen, das dann als „Tinte“ für den 3D-Druck von individuellen Implantaten verwendet werden kann. Die Bio-Tinte ist ein biokompatibles Material, das entweder Zellen enthält oder als Gerüst fungiert, damit Zellen hineinwachsen können.
Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer
Facharzt für Orthopädie, Leiter des Zentrums für Regenerative Medizin an der Donauuniversität Krems
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Susanne Wolbank PhD
Co-Director und Head of Tissue Regeneration am Ludwig-Boltzmann-Institut für Experimentelle und Klinische Traumatologie
Donaueschingenstraße 13
A-1200 Wien
Tel.: +43 5 93 93 41961
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Assoc.-Prof. Dipl.-Ing. Francesco Moscato, PhD
Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik Medizinische Universität Wien
Spitalgasse 23
1090 Wien
Tel.: +43 1 40400 39830
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Homepage
Info-Links:
Medica Magazin: Regenerative Medizin: Der Körper wie neu gemacht?
Gesundheitstrends.com: Menschliches Recycling – Wie wertvoll ist medizinisches Abfallmaterial?
Universimed: Intraoperative Herstellung eines hochqualitativen Zelltherapeutikums aus körpereigenem Fett
Ästhetische Dermatologie und Kosmetologie: Regenerative Zellen in der ästhetischen und rekonstruktiven Medizin
Donauuniversität Krems: Knorpelregeneration durch extrazelluläre Vesikel
Donauuniversität Krems: Signale von extrazellulären Vesikeln therapeutisch nutzen
Sports Orthopaedics and Traumatology: Regenerative Therapie in der Sportmedizin
Donauuniversität Krems: PhD-Studium Regenerative Medizin
APA: Erster ultraschneller Nano-3D-Drucker an der Medizinischen Universität Wien installiert
Quelle: Ö1