24.12.15

 

«Stille Nacht» als «Welt-Friedenslied»


«Stille Nacht, heilige Nacht» zählt zu den beliebtesten Weihnachtsliedern. In den Gottesdiensten an Heiligabend werden in der Regel drei Strophen gesungen. Dabei hatte das Lied ursprünglich sechs Strophen. Sie erzählen von der Sehnsucht nach Frieden und Völkerverständigung.

Um die Entstehung des Klassikers ranken sich Legenden: Laut einer sollen die Mäuse schuld daran gewesen sein, dass das Lied Heiligabend 1818 überhaupt erstmals aufgeführt wurde. Weil die Mäuse vor lauter Hunger die Bälge der Orgel im österreichischen Oberndorf (bei Salzburg) anknabberten, musste Pfarrer Joseph Mohr vor der Messe noch schnell ein Lied zur Gitarre texten.

Sehnsucht nach Frieden

Michael Neureiter, Präsident der «Stille Nacht»-Gesellschaft, hat so seine Zweifel an der «Mäuse-Legende». Er geht davon aus, dass es in Oberndorf durchaus üblich gewesen sei, für die volksnahe Krippenfeier die Gitarre einzusetzen. Mittlerweile gilt als gesichert, dass Pfarrer Mohr den Text auch bereits zwei Jahre zuvor verfasst hatte. Der Oberndorfer Organist Franz Xaver Gruber komponierte die Melodie dagegen erst kurz vor Heiligabend 1818.
Zu dieser Zeit hatte Europa gerade die napoleonischen Kriege hinter sich. Vor allem die vierte Strophe von «Stille Nacht», die nicht im Gesangbuch steht, macht die Friedenssehnsucht jener Zeit deutlich: «Stille Nacht! Heilige Nacht! / Wo sich heut alle Macht / Väterlicher Liebe ergoss / Und als Bruder huldvoll umschloss / Jesus die Völker der Welt.»

Nach 21 Jahren: US-Premiere

Ein ähnliches Lebensgefühl zeigt die fünfte Strophe, die ebenfalls heute üblicherweise nicht mehr gesungen wird: «Stille Nacht! Heilige Nacht! / Lange schon uns bedacht, / Als der Herr vom Grimme befreit / In der Väter urgrauer Zeit / Aller Welt Schonung verhiess!» Der Orgelbaumeister Mauracher, der die Oberndorfer Orgel reparierte, brachte das Lied dann in seinen Heimatort Fügen, von wo aus es die tourende Sängerfamilie Strasser bekanntmachte. Die erste belegbare Aufführung ausserhalb Österreichs fand 1832 in Leipzig statt. 1839 erklang «Stille Nacht» erstmals in New York.
In Deutschland nahm der Hamburger Diakoniegründer Johann Hinrich Wichern (1808-1881) das Lied ins Gesangbuch für sein «Rauhes Haus», allerdings in einer Kurzfassung. Die Strophen drei, vier und fünf wurden gestrichen und die sechste Strophe zwischen die ersten beiden platziert. Aus «Jesus! in deiner Geburt» machte Wichern «Christ, in deiner Geburt». Sein Vorschlag, aus dem «hochheiligen Paar» ein «so seliges Paar» zu machen, setzte sich allerdings ebenso wenig durch wie sein Titel «Freude am Christkind».

In 300 Sprachen übersetzt

Einige Landeskirchen hätten seinerzeit gegen «Stille Nacht» votiert, andere wollten alle sechs Strophen übernehmen, erinnert sich Diakon Günter Vogelsang, damals Sekretär der Gesangbucharbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Am Ende habe sich keine Mehrheit für die sechs Strophen gefunden. Doch andere Kirchen zeigten mehr Freude an dem populären Kirchenlied. So sind im Gesangbuch der evangelisch-methodistischen Kirche alle sechs Strophen zu finden.
Bis heute wurde das Lied in mehr als 300 Sprachen und Dialekte übersetzt. Für die «Stille Nacht»-Gesellschaft, die sich für die Verbreitung aller sechs Strophen einsetzt, ist es mittlerweile fester Bestandteil der europäischen Festkultur. Es sei ein «Welt-Friedenslied», das weit über die christlichen Kirchen hinaus in andere Religionen hineinwirke. Im März 2011 wurde es in Österreich in die nationale Liste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes aufgenommen.

Hier das komplette Lied in der ursprünglicher Version:

1. Stille Nacht! Heilige Nacht!
Alles schläft; einsam wacht
Nur das traute heilige Paar.
Holder Knab im lockigen Haar,
Schlafe in himmlischer Ruh!
Schlafe in himmlischer Ruh!

2. Stille Nacht! Heilige Nacht!
Gottes Sohn! O wie lacht
Lieb' aus deinem göttlichen Mund,
Da schlägt uns die rettende Stund'.
Jesus in deiner Geburt!
Jesus in deiner Geburt!

3. Stille Nacht! Heilige Nacht!
Die der Welt Heil gebracht,
Aus des Himmels goldenen Höhn
Uns der Gnaden Fülle lässt seh'n
Jesum in Menschengestalt,
Jesum in Menschengestalt

4. Stille Nacht! Heilige Nacht!
Wo sich heut alle Macht
Väterlicher Liebe ergoss
Und als Bruder huldvoll umschloss
Jesus die Völker der Welt,
Jesus die Völker der Welt.

5. Stille Nacht! Heilige Nacht!
Lange schon uns bedacht,
Als der Herr vom Grimme befreit,
In der Väter urgrauer Zeit
Aller Welt Schonung verhiess,
Aller Welt Schonung verhiess.

6. Stille Nacht! Heilige Nacht!
Hirten erst kundgemacht
Durch der Engel Alleluja,
Tönt es laut bei Ferne und Nah:
Jesus der Retter ist da!
Jesus der Retter ist da!


Webseite: Stille-Nacht-Gesellschaft


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