13.2.16

 

Lässt sich der Kapitalismus überwinden?

In den US-Vorwahlen triumphiert der Links-Demokrat Bernie Sanders mit sozialistischen Versprechen. In Wuppertal diskutierten Forscher auf einem Kongress über "Wege aus dem Kapitalismus". Seit Finanz-, Euro- und Flüchtlingskrise ist Kapitalismuskritik und die Suche nach einem "demokratischen Sozialismus" auch in der Wissenschaft wieder angesagt.

"Kapitalismus tötet"
Wenn jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, "der Kapitalismus tötet", wäre er als Spinner angesehen worden, heute sagt es der Papst und sein Wort wird ernsthaft diskutiert.

Und zwar auch unter Soziologen, Philosophen und Politikwissenschaftlern, so auf der Tagung "Jenseits des Kapitalismus", zu der Professor Smail Rapic an die Universität Wuppertal eingeladen hatte. Anlass für die Wende war die Finanzkrise von 2008, die eine nicht endende Folge von Wirtschaftsproblemen auslöste und sich mittlerweile zu einer Krise der demokratischen Institutionen ausgewachsen hat. Hauke Brunkhorst, emeritierter Professor für Philosophie in Flensburg, konstatiert:
Die Nationalstaaten werden nicht mehr Herr des Kapitalismus, mit der deutschen Gesetzgebungsmaschine können Sie das europäische Kapital nicht mehr unter Kontrolle kriegen, das globale schon gar nicht.

Über-nationale politische Gremien, insbesondere das Europäische Parlament, haben sich erst recht als machtlos erwiesen. Steht also das baldige Ende der kapitalistischen Wirtschaftsordnung bevor? Der Soziologe Wolfgang Streeck, ehemals Leiter des angesehenen Max-Planck-Instituts für Wirtschaftsforschung, ist davon überzeugt. Man müsse sich nur klar machen:
Dass diese Gesellschaftsformation irgendwann Anfang des 19. Jahrhunderts anfing und alles was geschichtlich anfängt, steht im Verdacht, dass es irgendwann zu Ende kommt.
Um seine düstere Prognose zu untermauern, zählte Professor Streeck eine Fülle konkreter Indizien auf, die die Forschung in den letzten Jahren in den westlichen Ländern diagnostiziert hat:
Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wächst, auch innerhalb einzelner Staaten, der Raubbau an den natürlichen Ressourcen hält an und soziale Institutionen gleichen Wirtschafts- und Lebensrisiken der Bürger nicht mehr aus, sondern bürden sie wieder dem Einzelnen auf: Versicherungsleistungen beispielsweise müssen zunehmend privat finanziert werden, anspruchsvolle Ausbildungsgänge ebenso. Und die langfristige Niedrigzinspolitik verlagert auch die Risiken des Geldmarkts auf private Kleinanleger.

Marx und Engels als Grundlage
Die wissenschaftliche Basis für ihre Analysen finden die Forscher nach wie vor in den Arbeiten von Marx und Engels – egal ob sie ihre Karriere noch in der Aufbruchszeit der 68er begonnen haben oder jünger sind wie der Philosoph Rapic.
Wenn man sich mal die großen soziologischen Theorien des 20. Jahrhunderts anschaut, ob das Max Weber ist, ob das Talcott Parsons ist, ob Bourdieu, sie haben alle ihre Positionen in der Auseinandersetzung mit der von Marx und Engels entwickelt. Insofern stehen wir auf einem ganz breiten theoretischen Hintergrund. Unsere Aufgabe ist es, wie man diese historischen Analysen re-aktualisieren kann.
Marx und Engels

Die wissenschaftliche Basis finden die Forscher in den Arbeiten von Marx und Engels
Demnach kann es auch nur eine Alternative zum Kapitalismus geben: Dass die Produktionsmittel eben nicht in Privatbesitz bleiben, sondern wenigstens zum Teil in die öffentliche Hand übergehen. Kernproblem dabei:
Wie kann eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel aussehen, die eben nicht in einen Staatskapitalismus zurückfällt, wie er in den nominell kommunistischen Staaten praktiziert wurde?

Demokratischer Sozialismus
Nur durch eine Stärkung demokratischer Institutionen, eine Art "Demokratischen Sozialismus", darüber waren sich die Forscher auf der Tagung einig. Klar ist nach den Erfahrungen in den Ländern des Ostblocks auch, dass trotzdem ein Markt für Konsumgüter erhalten bleiben muss. Zudem wird eine nach-kapitalistische Wirtschaft weiterhin auf Wachstum angewiesen sein, denn, so Hauke Brunkhorst:
Bisher hat noch niemand was erfunden, auch die Sozialisten nicht, eine Gesellschaft mit Minus-Wachstum oder Stagnation, die das technische Niveau hat, das wir haben.
Konkrete Modelle für eine solche nach-kapitalistische Ordnung konnte niemand vorstellen. Dass sie dennoch mehr ist als ein Wunschtraum abgehobener Wissenschaftler, zeigen die Erfolge von Bernie Sanders: Ein Politiker, der sich "Demokratischer Sozialist" nennt und in den vermeintlich so konservativen USA den Nerv vieler Wähler trifft.

SWR2 Campus 


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