22.3.16
Putins Staat im Namen der Kirche
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat nicht nur eine politische Dimension. Er tangiert auch den Vatikan.
Einen Monat bevor US-Präsident Barack Obama
mit seinem Staatsbesuch auf Kuba einen historischen Akt setzte, gab es
gleichfalls ein Ereignis auf einer Karibikinsel, das in die Geschichte
einging. Es war die Begegnung des Oberhaupts der katholischen Kirche,
Papst Franziskus, mit jenem der russisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft
Patriarch Kyrill. Zum Abschluss des Zusammentreffens wurde ein
achtseitiges Dokument verabschiedet, das das Miteinander der beiden
Kirchen ebenso beschwört wie zum Schutz der Christen in den
Krisengebieten des Nahen Ostens aufruft. Mit etwas Verspätung hat sich
nun auch die mit Abstand größte katholische Ostkirche, nämlich die
griechisch katholische Kirche der Ukraine zu Wort gemeldet.
Großerzbischof, Svjatoslav Shevchuk, lässt dabei mit einigen kritischen
Anmerkungen aufhorchen, die insbesondere an die Adresse des Vatikans
gerichtet sind.
Im Kern geht es um die nicht
unproblematische Verquickung von Staat und Kirche im heutigen Russland,
wie Monsignore Franz Schlegl, der die griechisch katholische Kirche in
Wien betreut, in einer EurActiv.de vorliegenden Analyse detailliert
festhält. Der Traum von Moskau als dem „3. Rom“ (neben dem alten
Konstantinopel) reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert und wurde vor
allem von den Zaren gepflegt, die sich als „Schutzherr aller Orthodoxen“
betrachteten. Und er lebte auch in der Zeit des Leninismus und
Stalinismus immer wieder auf. Es ist der russische Präsident Wladimir
Putin, der wieder die Beziehungen zwischen Staat und Kirche besonders
pflegt und darauf auch in der öffentlichen Darstellung besonderen Wert
legt. Bei nicht wenigen besorgten Katholiken des Westens, hat es Putin
in letzter Zeit immer wieder verstanden, sich als „Retter der
christlichen Moral und Gesellschaft“ darzustellen. Eine Attitüde, gegen
die erhebliche Zweifel angemeldet werden.
Die vergessenen Tragödien der Stalin-Ära
Vor diesem Hintergrund ist die kritische
Stellungnahme des Kirchenoberhauptes in der Ukraine zu verstehen, wie
Schlegl weiter ausführt. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang unter
anderem auf die bewusste Desinformationspolitik des KGB, dem Putin als
prominentes Mitglied angehört hat und die keiner Erwähnung Wert fand.
Dabei gäbe es viele Verbrechen aus der kommunistischen Ära
aufzuarbeiten. So etwa, dass Stalin 1946 bei der Auflösung der
ukrainisch griechisch katholischen Kirche 16 Bischöfe in Arbeitslagern
ermorden ließ. Oder, dass bis 1989 jeder orthodoxe Priester, der zum
Bischof in Russland geweiht werden sollte, dem KGB einen Blankoscheck
über Zusammenarbeit unterschreiben musste, worauf der Bischof einen
Decknamen erhielt.