14.4.16
Deutschland gibt sich wie ein gefühlsgeleiteter Hippie-Staat
Der britische Politologe Anthony Glees kritisiert Deutschland für die
Aufnahme der Flüchtlinge. Es habe damit Regeln gebrochen. Die Briten
haben den Eindruck, Deutschland habe den Verstand verloren.
Der britische Politologe
Anthony Glees hat Deutschlands Vorgehen in der Flüchtlingskrise als
"undemokratisch" kritisiert. Mit der Entscheidung, die in Ungarn
gestrandeten Migranten aufzunehmen, habe sich Berlin nicht an EU-Regeln
gehalten, sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. In Großbritannien herrsche der Eindruck, die Deutschen hätten den Verstand verloren.
Die
Willkommensrufe am Münchner Bahnhof hätten ihn sehr überrascht, sagt
der Brite. Nicht weil er meine, die Deutschen und die deutsche Regierung
hätten keine humanitären Gefühle, sondern, weil Deutschland sich
besonders während der Griechenland-Krise immer auf die Regeln berufen
habe.
Die Deutschen seien den Briten "sehr unsympathisch" geworden
"Man
mag über Ungarn denken, was man will. Aber wenn Deutschland sich nicht
an die Regeln hält, fällt die ganze EU auseinander", sagte Glees. Die
Bundesrepublik gebe sich im Moment als "Hippie-Staat, der nur von
Gefühlen geleitet wird". Statt nur mit dem Herzen, müsse man auch mit
dem Hirn handeln, forderte der Politologe – wie vor ihm der britische
Premierminister David Cameron.
Nach Glees' Worten gibt
Deutschland Kennern des Landes im Moment Rätsel auf. Während
Großbritannien sich in Syrien militärisch engagiere, um die Terrormiliz
"Islamischer Staat" zu bekämpfen, halte sich Berlin heraus.
Gleichzeitig
sage die Bundesregierung dann aber den verzweifelten Menschen in Syrien
und im Irak, sie sollten in die Bundesrepublik kommen. "Das scheint
vielen Briten unsinnig." Er bedaure sehr, dass die Ereignisse der vergangenen Tage die Deutschen in Großbritannien "sehr unsympathisch" gemacht hätten.
Der
ungarische Regierungschef Viktor Orbán hatte in der vergangenen Woche
den Zustrom von Flüchtlingen nicht als europäisches, sondern als
"deutsches Problem" bezeichnet. Die Migranten wollten schließlich nicht
in Länder wie Ungarn, Polen oder Estland. "Alle würden gerne nach
Deutschland gehen."
Zur
Kritik an dem Flüchtlingschaos in Ungarn erklärte Orbán, dass er sich
nur an die europäischen Regeln halte. Und diese sähen eben vor, dass
kein Flüchtling ausreisen dürfe, bevor er nicht registriert sei. Zudem
müsse Ungarn seine Grenze nach dem Schengen-Abkommen sichern.
Merkel und Gabriel fordern "Kraftakt"
Ende
der vergangenen Woche spitzte sich die Flüchtlingskrise zu. Ungarn
stellte Busse bereit, mit diesen kamen die Flüchtlinge nach Deutschland.
Die Bundesrepublik hatte in den vergangenen Tagen Tausende Flüchtlinge
aufgenommen.
Bundeskanzlerin Angela
Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel stimmen die Deutschen auf einen
Kraftakt zur Überwindung der Flüchtlingskrise ein. Gabriel sprach von
der größten Herausforderung seit der deutschen Einheit. "Wir werden noch
lange Zeit freiwilliges Engagement brauchen", sagte Merkel.
Die Regierungsparteien CDU, SPD und CSU einigten sich auf ein Maßnahmenpaket im Volumen von sechs Milliarden Euro. Merkel hält für das nächste Jahr Gesamtkosten von zehn Milliarden Euro zur Bewältigung des Flüchtlingszuzugs in Deutschland für möglich.
Merkel
und Gabriel riefen zudem erneut alle EU-Staaten dazu auf, Flüchtlinge
aufzunehmen und drohten andernfalls mit Konsequenzen.