14.4.16

 

Mit dem Fernsehen Seelen retten




Martin Rothweiler, Geschäftsführer und Programmverantwortlicher für EWTN.TV in Deutschland, über Mutter Angelica, die Gründerin von EWTN.

Mutter Angelica ist am Ostersonntag gestorben. Sie haben sie gut gekannt – was bedeutet ihr Tod persönlich für Sie?
 
Der Tod von Mutter Angelica ist ein schmerzlicher Abschied. Dass sie ausgerechnet am Ostersonntag stirbt, am Fest der Auferstehung, dem höchsten Festtag der Kirche, ist ein besonders tröstliches und froh machendes Zeichen der göttlichen Vorsehung. So haben es viele gesehen, die uns ihr Beileid und ihre Wertschätzung für Mutter Angelica und den Sender zum Ausdruck gebracht haben. Und Papst Franziskus rief einer Mitarbeiterin von CNA/EWTN News, die ein Bild der Verstorbenen hochhielt, nach der Generalaudienz zu: „En el cielo!“ („Sie ist im Himmel!“)

Wie war ihre letzte Begegnung? Das letzte Mal bin ich Mutter Angelica 2006 zum 25-jährigen Jubiläum von EWTN begegnet. Das war also fünf Jahre, nachdem sie ein schwerer Schlaganfall am Heiligabend 2001 fast das Leben gekostet hätte, an den Rollstuhl fesselte und ihr Sprachzentrum so sehr traf, dass sie nicht mehr sprechen noch schreiben konnte. Ich erzählte ihr von der Entwicklung von EWTN in Deutschland und von unserer Hoffnung, trotz aller Schwierigkeiten bald über den für den deutschen Fernsehmarkt so wichtigen Satelliten Astra viele Millionen Haushalte im deutschsprachigen Europa zu erreichen. So bat ich um Ihr Gebet dafür. In ihren Augen und ihrem Lächeln konnte man erkennen, dass sie alles verstand, was man ihr sagte. Mutter Angelica, diese temperamentvolle und energische Frau, die von sich sagte, dass Geduld nicht gerade ihre Tugend war, strahlte eine unglaubliche Ruhe, Milde, Güte und Warmherzigkeit aus und drückte dabei liebevoll meine Hand. Man hatte mich zuvor gebeten, ihr keine Fragen zu stellen, da es sie ungemein quälen müsste, nicht darauf antworten zu können. Das lässt erahnen, wie sehr sie darunter gelitten hat, nicht mehr sprechen zu können, vor allem nicht mehr über Jesus sprechen und ihn den Menschen verkünden zu können, was ihre ganze Mission und Leidenschaft war. Wenig später konnten wir tatsächlich erstmals unsere deutschen Programme auch über den Satelliten Astra 19,2°Ost ausstrahlen.

Wie haben Sie sich kennengelernt? Ich denke natürlich ganz besonders an meine erste Begegnung mit Mutter Angelica im August 1999. Als ich sie in Birmingham/Alabama besuchte, hatte ich keine Ahnung, welche Persönlichkeit sich hinter der braunen Kutte der Klarissen verbarg und wusste kaum etwas über EWTN. Damals leitete sie als CEO den Sender und hatte absolutes Vetorecht. Man war auf der Suche nach jemandem, der bereit war, sich auf das Abenteuer, auch das finanzielle Abenteuer, einzulassen, um dieses Projekt in die Tat umzusetzen. Von der Wichtigkeit der Evangelisierung über das Fernsehen war ich sofort überzeugt und flog schließlich mit einer Mischung aus Neugierde und Skepsis gegenüber amerikanischen Fernsehpredigern über den großen Teich. Ich traf auf eine Ordensfrau mit einem erstaunlichen Charisma. Als sie am Ende unseres Gesprächs zu einem anwesenden Mitarbeiter von EWTN lächelnd sagte „I think, he can do it“ („Ich denke, er kann es machen.“), hatte sie wohl schon entschieden.

Können Sie etwas über den Moment ihres Sterbens sagen? Mutter Angelica wollte keinen plötzlichen Tod, sondern wach und in aller liebevollen Entschlossenheit dem Herrn begegnen. Noch am Ostermorgen konnte sie in ihrem Zimmer der heiligen Messe beiwohnen und das Blut Christi empfangen. Sie hatte im letzten Moment ihres Lebens ihren Blick nach oben gerichtet, über die Köpfe der Schwester hinweg, so, als würde sie etwas, jemanden, anschauen, bevor sie ihren letzten Atemzug tat. Die Schwestern berichten, dass am Karfreitag Morgen Mutter Angelika vor Schmerzen so laut schrie, dass man es in den Gängen des Klosters hören konnte und man sofort einen Geistlichen der Franziskanermissionare vom Ewigen Wort holte – diesen Orden hatte Mutter Angelika selbst gegründet –, der für die Seelsorge im Kloster zuständig war. Erst am Nachmittag nach 15.00 Uhr ließen die Schmerzen nach und ihre Schwestern erwarteten ihren Tod noch am selben Tag. Aber Gott wollte sie offensichtlich erst am Ostersonntag zu sich rufen. Was für eine besondere Gnade! Ich denke, dies alles sind Zeichen, wie sehr sie mit Jesus innerlich, freundschaftlich verbunden war.
„Man kann Mutter Angelika nicht verstehen“, so hat es der Franziskanermissionar Pater Joseph bei der Begräbnismesse zutreffend gesagt, „ohne die Beziehung zu dem einen, den sie mit der Leidenschaft einer Braut liebte: Jesus, das ewige Wort, der Mensch geworden ist und unter uns gewohnt hat.“ Nach der Heilung von einer schweren Krankheit als Teenager, so berichtete einmal Mutter Angelica selbst, hatte sie eine ganz andere Haltung. Zuvor sei sie eine „lauwarme Katholikin“ gewesen. Von da an aber „wusste ich, dass es Gott gab; ich wusste, dass Gott mich kannte und mich liebte und an mir interessiert war. Ich wusste das davor nicht. Alles was ich nach meiner Heilung wollte, war mich selbst Jesus hinzugeben.“ Diese Bereitschaft, sich ganz hinzugeben, charakterisierte ihr ganzes von Gebet und vielen Leiden geprägtes Leben. Für einige Dinge reiche das Gebet nicht aus, hatte Mutter Angelica immer wieder gesagt. Da bedürfe es auch des Leidens, das sie nicht nur ertragen, sondern insbesondere einwilligend angenommen hat – bis zum letzten Atemzug.

Mutter Angelica hatte ein besonderes Gottvertrauen... Ihr Biograph und News Director von EWTN, Raymond Arroyo, dessen Buch „Mutter Angelica. Eine Nonne schreibt Fernsehgeschichte“ auch in deutscher Sprache erschienen ist, hat beobachtet, dass ihre Krankheitsgeschichte und die Entwicklungsgeschichte von EWTN erstaunlich parallel verliefen. Entscheidende Schritte bei EWTN wurden von besonderen Leidensmomenten begleitet oder vorbereitet. Mutter Angelica hat viel gebetet, vor allem zu Jesus im Allerheiligsten Altarsakrament. Wenn sie erkannte, dass Gott etwas in einem bestimmten Augenblick von ihr wollte, gab es für sie kein Zögern. Und sie ist mit unerschütterlicher Entschlossenheit und großem Gottvertrauen seinem Willen gefolgt, koste es, was es wolle. Sie hatte schon Raymond Arroyo beim Verfassen der Biographie gewarnt: „Wenn Du irgendetwas in meinem Leben verklärst und beschönigst, wünsche ich Dir 40 Jahre im Fegefeuer“. Sie hatte nie einen Hehl aus ihren Fehlern, Unzulänglichkeiten und Schwächen gemacht. Süßliche und verklärende Heiligengeschichten konnte sie nicht ausstehen, da sie dazu führen, dass Menschen Heiligkeit für etwas Unerreichbares halten. Denn zur Heiligkeit seien wir alle berufen. Wir sind also alle „gewarnt“, wenn wir von Mutter Angelica erzählen. Aber die besonderen Fügungen in ihrem Leben und die Großherzigkeit, mit der sie sich und ihr Werk ganz in den Dienst Gottes gestellt hat, sind ganz sicher unbestreitbar.

Mutter Angelica war eine starke Fürsprecherin des Glaubens – wie hat sie die Herzen der Menschen erreicht? Es fiel Mutter Angelika nicht schwer, die Herzen der Menschen zu erreichen. Warum? Das hat viel mit dem zu tun, wo sie herkam und was sie alles in ihrem Leben durchgemacht hatte. Nichts Menschliches war ihr fremd. Sie wuchs in den wirtschaftlich schwierigen 20er Jahren als Rita Antoinette Rizzo im kleinen Industriestädtchen Canton im US-Bundesstaat Ohio auf, in einem Viertel, das von der „Schwarzen Hand“, einer Mafia-Gang, beherrscht war. Ihr Vater verließ die Familie als sie fünf Jahre alt war und ihre Mutter litt an Depressionen. Schon in jungen Jahren musste sie mithelfen, für den Unterhalt zu sorgen. Als Teenager litt sie an einem schmerzhaften Magenleiden, das ihr es erschwerte, normale Nahrung zu sich zu nehmen. Die spontane Heilung, die sie nach einer Novene zur kleinen Therese von Lisieux erfuhr, die ihr von der Mystikerin Rhoda Wise aufgetragen wurde, hatte sie zu der Erkenntnis geführt, dass es einen Gott gibt, der sie kennt und sie liebt. Diese tiefgreifende Erfahrung hat ihr Leben von da an geprägt und in ihr den Entschluss reifen lassen, ganz für Gott da zu sein, ohne zu wissen, wie und wohin sie das eines Tages führen würde.
Ich selbst habe erlebt, wie sie unmittelbar vor einer ihrer Live-Shows die Zuschauer fragte, worüber sie denn heute sprechen solle. Sie schlug die Heilige Schrift auf und legte sie ganz lebenspraktisch aus, eine halbe Stunde lang, um sich dann den Fragen der Zuschauer zu widmen.

Sicher war es wichtig für Mutter Angelica, gerade im südlichen Bundesstaat Alabama den Fernsehsender EWTN gegründet zu haben. Als Mutter Angelica Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre sich aufmachte, um im amerikanischen Südstaat Alabama ein Kloster zu gründen, hatte das noch gar nichts mit dem Fernsehsender zu tun. Sie hatte sich schon einige Zeit mit dem Gedanken getragen, in den Südstaaten, im sogenannten „Bible Belt“, wo die Katholiken eine kleine Minderheit bildeten – wir würden sagen „in der Diaspora“ – ein Kloster zu errichten. Die Idee des Fernsehens kam viel später auf. Erst als sie im Jahr 1978 in Chicago das kleine Fernsehstudio eines von Baptisten geführten Senders sah, entdeckte sie, wie viele Menschen man auf diese Weise mit dem Wort Gottes erreichen konnte: „Herr, so etwas muss ich auch haben!“, war ihr unmittelbarer Gedanke. Sie hatte sofort die Bedeutung des Fernsehens erkannt. Durch ihre kleinen Publikationen und Vorträge war sie schon einem wachsenden Publikum bekannt. Aber das Fernsehen eröffnete ganz neue Chancen, Christus zu den Menschen zu bringen, und zwar direkt dorthin, wo sie Zuhause waren mit ihren Fragen, Hoffnungen, Nöten und Ängsten. Wenn sie erkannte, dass etwas Gottes Wille war, dann zögerte sie keinen Moment und ging mit nahezu wilder Entschlossenheit und absolutem Gottvertrauen ans Werk. Mit dem medienaffinen heiligen Papst Johannes Paul II., mit dem sie eine gegenseitige Freundschaft und tiefe Wertschätzung verband, hatte sie einen kongenialen Zeitgenossen. Ohne EWTN wären die Botschaften und Reisen des Papstes nicht in alle Welt über das Fernsehen verbreitet worden.

Als sich Mutter Angelica als Vorsitzende und CEO von EWTN zurückgezogen hatte, ließ ihre innovative Kraft für den Sender keineswegs nach – worin bestand ihre erstaunliche Wirkung? Erstaunlich ist das enorme Wachstum und auch die qualitative Entwicklung, die der Sender in den vergangenen 15 Jahren erlebt hat, nachdem Mutter Angelica freiwillig die Leitung des Senders abgegeben hat, um sich ihrer Klostergemeinschaft wieder ganz zu widmen. Auch das ein Zeichen dafür, dass Mutter Angelica immer gefragt hat: Was will Gott von mir jetzt, in diesem Augenblick? Und dann ist sie, so schmerzlich es auch sein mochte, den Weg auf sein Wort hin gegangen. Sie trat zunächst noch in ihren Live-Sendungen weiterhin auf, bis sie am Heiligabend 2001 den schweren Schlaganfall erlitt, der sie sprachunfähig machte und ihre Mobilität stark einschränkte. 15 Jahre lang hat sie dieses Schicksal hinter den Klostermauern nicht nur ertragen, sondern schließlich angenommen und ganz für den Sender EWTN aufgeopfert, und das durchaus frohgemut, wie die Mitschwestern bezeugen. Sie wurde über die Entwicklung des Senders stets auf dem Laufenden gehalten und konnte wohl alles verstehen, wie man ihrer Mimik, dem Augenrollen, dem schelmischen Blick oder ihrem Lächeln entnehmen konnte. Das Geheimnis der Entwicklung des Senders schreiben viele nicht zuletzt ihrem Gebet und ihrer Opferbereitschaft zu. Nach dem Warum des Leidens gefragt, antwortete sie, weil für manche Dinge das Gebet nicht ausreiche.

Wie würden Sie die Persönlichkeit der Franziskanerklarissin beschreiben? Mutter Angelica war authentisch, natürlich und übernatürlich zugleich. Wenn sie den Glauben mit den Worten beschreibt „ein Bein auf dem Boden, ein Bein in der Luft und ein flaues Gefühl im Magen“, dann spürt man die Bodenhaftung dieser großartigen Frau. Manchmal fügte sie hinzu: „Ich glaube, aber mein Magen weiß das noch nicht.“ Wer hätte sich nicht leicht mit ihr identifizieren können, gerade auch wenn sie offen ihre Schwächen und Neigungen bekannte, ganz besonders ihre Ungeduld. Sie hatte eine Gabe für das richtige Timing, wann was zu sagen war. Sie war, durch ihre eigene Lebensgeschichte gereift, den Menschen nahe und konnte wirklich mitfühlen mit dem Leid und den Schicksalsschlägen der Menschen, die sie um Rat fragten in der unmittelbaren Begegnung ebenso wie bei ihren Sendungen, wenn Zuschauer anriefen.
Ihre große Liebe zu Christus war die Quelle ihres Lebens und Wirkens. Sie wollte, dass jeder in Christus seinen wahren Freund findet. Sie wollte Seelen retten helfen, so viele wie möglich, weil sie die Menschen liebte. Aus einem anderen Munde hätte das platt klingen können, aber ihr nahm man das sofort ab, wenn sie am Ende einer Sendung sagte: „Ich liebe euch, und Gott liebt euch auch, sogar mehr, als ihr euch vorstellen könnt.“

Worin besteht das Vermächtnis von Mutter Angelica und wie sehen Sie die Zukunft von EWTN? Ihr Vermächtnis ist es, uns immer wieder daran zu erinnern, ganz auf Gott zu vertrauen. Dazu gehört es, im Gebet danach zu fragen, was Gott von mir in diesem konkreten Augenblick möchte, und es dann ohne zu zögern entschlossen zu tun, im festen Vertrauen darauf, dass Gott auch die notwendigen Mittel dazu gibt. Sie tat oft den ersten Schritt, ohne zu wissen, wie der zweite Schritt aussah. Das schließt ein mögliches Scheitern nicht aus, wie es Mutter Angelica ja auch selbst verschiedentlich erfahren hatte, bis hin zum zweimaligen Beinahe-Bankrott des Senders. Bei allem Hadern mit Gott hat sie verstanden, dass Gott aus dem Scheitern noch etwas Besseres machen wollte. Sie war mutig und ohne Angst. Das einzige, wovor sie Angst habe, sagte Mutter Angelica, sei, nicht dem Willen Gottes gefolgt zu sein und nicht genügend vertraut zu haben. „Wenn Du nicht den Mut hast, etwas Lächerliches zu tun, wird Gott auch nichts Wunderbares daraus machen“, war das Motto von Mutter Angelica. Nur mit dieser Haltung können wir die missionarische, risikobereite Kirche sein, die auch Papst Franziskus immer wieder einfordert. Wir dürfen nicht den geordneten Rückzug des Christentums hierzulande antreten und verwalten, weil es laut Prognosen immer weniger Christen gibt. Wir müssen hinaus gehen. Denn wir haben die beste und für alle Menschen notwendigste Botschaft, die es gibt: Jesus Christus. Darin liegt auch in Zukunft der Auftrag von EWTN: Christus zu den Menschen zu bringen bis in die entlegensten Winkel der Erde und in jede Wohnung, Ihn auffindbar zu machen für alle, auch für die, die nicht nach ihm suchen. Das ist, davon bin ich überzeugt, auch ein wichtiger Beitrag für den Frieden in unserer Gesellschaft angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit.

EWTN ist nur ein Instrument, aber offensichtlich eines, das Gott benutzen möchte, um zu den Herzen der Menschen zu gelangen. Die wachsende Nachfrage nach unserem Sender und die große Dankbarkeit, die wir durch die vielen Zuschauerreaktionen erfahren, zeigen uns, wie notwendig unsere Arbeit ist und wieviel Arbeit noch vor uns liegt. Es gibt noch ein großes Potenzial und großen Bedarf. Die Frage „wann kommt EWTN endlich ins Kabel“ ist eine der häufigsten, die wir hören. Und es wäre wirklich wichtig, wenn wir nicht nur in einigen regionalen Kabeln, sondern auch in den großen Kabelnetzen präsent wären. Das Vermächtnis von Mutter Angelica und die genannten Erfahrungen bedeuten für uns jedenfalls: wir wollen und müssen weitermachen, um noch mehr Menschen zu erreichen. Eines möchte ich gerne noch hinzufügen: Mutter Angelica kam es nie auf die Einschaltquote an, sondern hatte immer den einzelnen Zuschauer im Blick. Wenn jede einzelne Seele das ganze kostbare Blut Jesu Christi wert ist, wie sehr lohnen sich dann auch alle Anstrengungen und Risiken.

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