7.11.16

 

Methoden in der Türkei "wie unter Nazi- Herrschaft"

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat die aktuellen Entwicklungen in der Türkei mit denen in der NS- Zeit verglichen. Zum Vorgehen gegen Regierungsgegner unter dem von Präsident Recep Tayyip Erdogan ausgerufenen Ausnahmezustand sagte Asselborn am Montag im Deutschlandfunk: "Das sind Methoden, das muss man unverblümt sagen, die während der Nazi- Herrschaft benutzt wurden." Österreichs Außenminister Sebastian Kurz meinte gegenüber der "Passauer Neuen Presse": "Für mich ist die rote Linie längst überschritten."

Die EU- Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Ankara seien bereits jetzt "theoretisch" ausgesetzt, so Asselborn. Er brachte am Montag zudem mögliche Wirtschaftssanktionen gegen Ankara ins Spiel. "50 Prozent der Exporte der Türkei gehen in die Europäische Union", so der Minister. "60 Prozent der Investitionen in die Türkei kommen aus der Europäischen Union. Das ist ein absolutes Druckmittel. Und in einem gewissen Moment kommen wir nicht daran vorbei, dieses Druckmittel einzusetzen, um die unsägliche Lage der Menschenrechte zu konterkarieren.


Regierungskritischer Journalist: "Steuern auf Gestapo- Regime zu"

Der frühere Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, schlug ähnliche Töne an wie Asselborn und meinte, die Türkei steuere "gerade auf ein Gestapo- Regime zu". In einem am Montag erschienen Interview mit der Online- Ausgabe des Magazins "Die Zeit" sagte der im Exil in Deutschland lebende Journalist, es würde ihn nicht wundern, wenn die Todesstrafe wieder in der Türkei eingeführt wird. Es gehe darum, Angst zu verbreiten. Erdogan nehme jetzt keine Rücksicht mehr auf die EU, mit der Todesstrafe wolle er seine autoritäre Stellung festigen. Auf die Frage, ob das Parlament für die Todesstrafe stimmen werde, antwortete Dündar: "Die Massen werden derzeit darauf eingestimmt."

Die jüngste Verhaftungswelle gegen kurdische Politiker  hatte in der EU große Besorgnis ausgelöst. Zahlreiche Spitzenpolitiker übten scharfe Kritik am Vorgehen der Regierung in Ankara gegen Oppositionelle - darunter auch Bundeskanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz. Da es laut Kern bereits seit geraumer Zeit eindeutige Signale aus der Türkei gebe, die auf ein Platzen des im März geschlossenen Flüchtlingsabkommens hindeuteten, müsse sich Europa "auf die nächsten Schritte in der Politik gegenüber der Türkei vorbereiten", meinte der Kanzler am Wochenende gegenüber der "Krone".

Kern und Kurz wollen Geldhahn zudrehen

Eine dieser Gegenmaßnahmen sei das Zudrehen des Geldhahns. Die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei sieht unter anderem vor, dass im Gegenzug für die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland Milliarden nach Ankara fließen. Laut Kern wären "derzeit noch rund 2,5 Milliarden Euro an die Türkei" zu zahlen.
Außenminister Kurz betonte am Montag im ORF- Radio, dass die drei Milliarden Euro, die für die Türkei im EU- Türkei- Flüchtlingsabkommen vorgesehen sind, "ganz klar nicht fließen" werden, wenn die Bedingungen des Abkommens von der Türkei nicht eingehalten werden. Kurz plädierte dafür, die Außengrenzen "selbst zu schützen", um nicht "in Abhängigkeit gegenüber dieser Türkei" zu kommen: "Wenn man sich auf diese Türkei verlässt, ist man verlassen."

Deutsche Grünen- Politikerin für Aus von "Flüchtlings- Abwehr- Deal"

Die deutsche Bundestags- Vizepräsidentin Claudia Roth forderte sogar einen Ausstieg aus dem Flüchtlingsabkommen. Es sei "höchste Zeit", diesen "Flüchtlings- Abwehr- Deal" zu beenden statt sich von Erdogan vorführen, beschimpfen und erpressen zu lassen "und ihn dadurch ja nur zu unterstützen", sagte Roth am Montag im Radiosender Bayern 2.
Roth verlangte eine laute, klare und deutliche Reaktion seitens der deutsche Bundesregierung und der EU auf das Vorgehen gegen Journalisten und Oppositionelle in der Türkei. Auch die NATO, die sich ja als "Wertegemeinschaft" verstehe, sei gefordert: "Ich finde, dass die Stationierung von deutschen Bundeswehrsoldaten in Incirlik schnellstmöglich auf den Prüfstand gehört", sagte die Grünen- Politikerin.

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