28.11.18
Der Wert der Individualität - Zum 250. Geburtstag des Philosophen Friedrich Schleiermacher
"Immer mehr zu werden, was ich bin, das ist
mein einziger Wille", so lautete die Lebensmaxime von Friedrich
Schleiermacher, die er auch in die Praxis umsetzte. Der Philosoph,
Theologe und Pädagoge, der die Werke Platons ins Deutsche übertrug, gilt
als Begründer der modernen Hermeneutik. Wichtige Themen seiner
Schriften waren die Freundschaft und die Geselligkeit, die er im Umgang
mit den Frühromantikern, speziell mit Friedrich Schlegel, pflegte.
So wie sie lehnte auch Schleiermacher eine "rein rationale Philosophie" ab. Er war überzeugt, dass jedes Individuum die Fähigkeit besitzt, ein sinnvolles Selbst- und Weltverständnis auszubilden. Dabei spielte die Religion eine zentrale Rolle. Für Schleiermacher war sie "der Sinn und Geschmack fürs Unendliche" und benötigte keine Vermittlung durch kirchliche Institutionen. Die "religiösen Gefühle sollten wie eine heilige Musik alles Tun des Menschen begleiten".
Ö1
So wie sie lehnte auch Schleiermacher eine "rein rationale Philosophie" ab. Er war überzeugt, dass jedes Individuum die Fähigkeit besitzt, ein sinnvolles Selbst- und Weltverständnis auszubilden. Dabei spielte die Religion eine zentrale Rolle. Für Schleiermacher war sie "der Sinn und Geschmack fürs Unendliche" und benötigte keine Vermittlung durch kirchliche Institutionen. Die "religiösen Gefühle sollten wie eine heilige Musik alles Tun des Menschen begleiten".
Ö1
LITERATUR:
Friedrich Schleiermacher: Über die Religion. Schriften, Predigten, Briefe, Insel Verlag
Friedrich Schleiermacher: Hermeneutik und Kritik, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 211
Friedrich Schleiermacher: Dialektik, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 529
Andreas Arndt: Friedrich Schleiermacher als Philosoph, de Gruyter Verlag
Manfred Frank: Das individuelle Allgemeine, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 544
Gunter Scholtz: Ethik und Hermeneutik. Schleiermachers Grundlegung der Geisteswissenschaften, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 1191
Wiki
Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern
Schleiermachers erster Ansatz zu einer derartigen Theologie fand sich 1799 in Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. (Nach Wilhelm Dilthey stammten die ersten Ansätze aus Gesprächen mit Henriette Herz, die schon im Frühjahr 1798 stattgefunden hatten. Im Februar 1799 war die zweite Rede vollendet). Das anonym veröffentlichte Werk sollte Apologie und Kampfschrift zugleich sein. In ihm wollte Schleiermacher die Notwendigkeit religiöser Besinnung aus der Situation des Gebildeten heraus aufzeigen: Dem vernünftig Denkenden sollte gerade in seiner Vernunft die zentrale Bedeutung des Christentums nachgewiesen werden.
Zu einer der grundlegenden Behauptungen Schleiermachers wurde daher, dass die Religiosität genauso zum Menschen gehöre, wie das (deduktive) Denken und das (moralische) Handeln und somit beide als gleichwertig zu betrachten seien. Die Subjekt-Objekt-Spaltung zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem der Religion sollte nach Schleiermacher gerade durch die Religion überwunden werden, in der Überwindung sollte die Religion sich erst als solche sichtbar machen (und als tertium belegen).
Denn die Religion, die für Schleiermacher „Sinn und Geschmack für das Unendliche“ war, überwand in der Wahrnehmung, die er als Verschmelzung von Subjekt (dem religiösen Menschen) und Objekt (der göttlichen Unendlichkeit) begriff, diese Spaltung. „Das Charakteristische ist also ein Doppeltes“, wie Martin Kähler später formulierte: „Es ist ein Einswerden mit unseren Gegenständen in unserem Inneren […] und ferner: Es bezieht sich auf die Gegenstände als Träger der Wirkung des Universums.“ (Geschichte der protestantischen Dogmatik, 55).
Die Schleiermachersche Frömmigkeit als der subjektive Ausdruck der Religion, die später von vielen Theologen brüsk abgelehnt wurde, hat ihre Vorläufer in J. J. Hess mit seinem Werk Vom Reich Gottes. Ein Versuch über den Plan der göttlichen Anstalten und Offenbarungen (2. Auflage 1781) und Johann Albrecht Bengel und wurzelt in der deutschen Romantik und ihrem Menschenbild, wie es sich bei Johann Gottfried von Herder, Johann Georg Hamann, schließlich Schelling, Jakob Friedrich Fries, Wilhelm Martin Leberecht de Wette fand. So ist, wenn Religion als Privatsache ausgegeben wird, hier auch nicht egozentrische Überheblichkeit oder schales Privatisieren, sondern der in der Romantik geprägte Individualismus angesprochen, der sich gegen ein funktionell verstandenes Menschenbild der Spätaufklärung abgrenzte und gerade in der Wiederentdeckung der Gefühlswelt mechanistischen Menschenbildern, wie sie sich bei Descartes fanden, entgegenstand.
In der Religion sollen nach Schleiermacher dann aber Anschauung und Gefühl, rezeptiver und spontaner Bewusstseinsakt, das Affizierende und das Affizierte wieder zusammenfallen. Beide Pole werden in der Religion überwunden, denn „[…] Anschauung ohne Gefühl ist nichts und kann weder den rechten Ursprung noch die rechte Kraft haben, Gefühl ohne Anschauung ist auch nichts: beide sind nur dann und deswegen etwas, wenn und weil sie ursprünglich Eins und ungetrennt sind.“ (Reden, 73).
In der Glaubenslehre, die 1821/22 in zwei Bänden erschien (zweite, wesentlich überarbeitete Auflage 1830/1831), legt Schleiermacher dann eine Darstellung des christlichen Glaubens vor. In der Einleitung zu diesem Werk verankert er den Begriff der Religion in einer Theorie des unmittelbaren Selbstbewusstseins bzw. des Gefühls. Religion ist das Gefühl absoluter Abhängigkeit. Der Mensch ist sich immer einer partiellen Freiheit und einer partiellen Abhängigkeit in allem Denken und Handeln bewusst, aber gerade die teilweise Abhängigkeit in allem Bewusstsein der Freiheit führt letztlich auf ein Gefühl völliger Abhängigkeit. In der theologischen Diskussion ist Schleiermachers Religionstheorie heftig umstritten.
Weithin anerkannt ist dagegen inzwischen die Zentralstellung, die Schleiermacher dem Religionsbegriff innerhalb der theologischen Beschreibung der christlichen Frömmigkeit gibt. Denn sowohl der Gottesbegriff als auch der Begriff der Offenbarung, welche in der altprotestantischen Orthodoxie das theologische System trugen, waren in der Zeit der Aufklärung scharfer Kritik unterzogen worden. Diese wesentlichen Lehren des Christentums lassen sich demnach nicht mehr durch den Verweis auf die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift begründen. Schleiermacher versucht dieses Problem durch zwei religionsphilosophische Theorieelemente: nämlich durch Aufnahme des Religionsbegriffs und durch die Bestimmung des Wesens des Christentums zu lösen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermeneutik_(Methode)
http://gutenberg.spiegel.de/autor/friedrich-schleiermacher-522
Friedrich Schleiermacher: Über die Religion. Schriften, Predigten, Briefe, Insel Verlag
Friedrich Schleiermacher: Hermeneutik und Kritik, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 211
Friedrich Schleiermacher: Dialektik, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 529
Andreas Arndt: Friedrich Schleiermacher als Philosoph, de Gruyter Verlag
Manfred Frank: Das individuelle Allgemeine, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 544
Gunter Scholtz: Ethik und Hermeneutik. Schleiermachers Grundlegung der Geisteswissenschaften, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 1191
Wiki
Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern
Schleiermachers erster Ansatz zu einer derartigen Theologie fand sich 1799 in Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. (Nach Wilhelm Dilthey stammten die ersten Ansätze aus Gesprächen mit Henriette Herz, die schon im Frühjahr 1798 stattgefunden hatten. Im Februar 1799 war die zweite Rede vollendet). Das anonym veröffentlichte Werk sollte Apologie und Kampfschrift zugleich sein. In ihm wollte Schleiermacher die Notwendigkeit religiöser Besinnung aus der Situation des Gebildeten heraus aufzeigen: Dem vernünftig Denkenden sollte gerade in seiner Vernunft die zentrale Bedeutung des Christentums nachgewiesen werden.
Zu einer der grundlegenden Behauptungen Schleiermachers wurde daher, dass die Religiosität genauso zum Menschen gehöre, wie das (deduktive) Denken und das (moralische) Handeln und somit beide als gleichwertig zu betrachten seien. Die Subjekt-Objekt-Spaltung zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem der Religion sollte nach Schleiermacher gerade durch die Religion überwunden werden, in der Überwindung sollte die Religion sich erst als solche sichtbar machen (und als tertium belegen).
Denn die Religion, die für Schleiermacher „Sinn und Geschmack für das Unendliche“ war, überwand in der Wahrnehmung, die er als Verschmelzung von Subjekt (dem religiösen Menschen) und Objekt (der göttlichen Unendlichkeit) begriff, diese Spaltung. „Das Charakteristische ist also ein Doppeltes“, wie Martin Kähler später formulierte: „Es ist ein Einswerden mit unseren Gegenständen in unserem Inneren […] und ferner: Es bezieht sich auf die Gegenstände als Träger der Wirkung des Universums.“ (Geschichte der protestantischen Dogmatik, 55).
Die Schleiermachersche Frömmigkeit als der subjektive Ausdruck der Religion, die später von vielen Theologen brüsk abgelehnt wurde, hat ihre Vorläufer in J. J. Hess mit seinem Werk Vom Reich Gottes. Ein Versuch über den Plan der göttlichen Anstalten und Offenbarungen (2. Auflage 1781) und Johann Albrecht Bengel und wurzelt in der deutschen Romantik und ihrem Menschenbild, wie es sich bei Johann Gottfried von Herder, Johann Georg Hamann, schließlich Schelling, Jakob Friedrich Fries, Wilhelm Martin Leberecht de Wette fand. So ist, wenn Religion als Privatsache ausgegeben wird, hier auch nicht egozentrische Überheblichkeit oder schales Privatisieren, sondern der in der Romantik geprägte Individualismus angesprochen, der sich gegen ein funktionell verstandenes Menschenbild der Spätaufklärung abgrenzte und gerade in der Wiederentdeckung der Gefühlswelt mechanistischen Menschenbildern, wie sie sich bei Descartes fanden, entgegenstand.
In der Religion sollen nach Schleiermacher dann aber Anschauung und Gefühl, rezeptiver und spontaner Bewusstseinsakt, das Affizierende und das Affizierte wieder zusammenfallen. Beide Pole werden in der Religion überwunden, denn „[…] Anschauung ohne Gefühl ist nichts und kann weder den rechten Ursprung noch die rechte Kraft haben, Gefühl ohne Anschauung ist auch nichts: beide sind nur dann und deswegen etwas, wenn und weil sie ursprünglich Eins und ungetrennt sind.“ (Reden, 73).
In der Glaubenslehre, die 1821/22 in zwei Bänden erschien (zweite, wesentlich überarbeitete Auflage 1830/1831), legt Schleiermacher dann eine Darstellung des christlichen Glaubens vor. In der Einleitung zu diesem Werk verankert er den Begriff der Religion in einer Theorie des unmittelbaren Selbstbewusstseins bzw. des Gefühls. Religion ist das Gefühl absoluter Abhängigkeit. Der Mensch ist sich immer einer partiellen Freiheit und einer partiellen Abhängigkeit in allem Denken und Handeln bewusst, aber gerade die teilweise Abhängigkeit in allem Bewusstsein der Freiheit führt letztlich auf ein Gefühl völliger Abhängigkeit. In der theologischen Diskussion ist Schleiermachers Religionstheorie heftig umstritten.
Weithin anerkannt ist dagegen inzwischen die Zentralstellung, die Schleiermacher dem Religionsbegriff innerhalb der theologischen Beschreibung der christlichen Frömmigkeit gibt. Denn sowohl der Gottesbegriff als auch der Begriff der Offenbarung, welche in der altprotestantischen Orthodoxie das theologische System trugen, waren in der Zeit der Aufklärung scharfer Kritik unterzogen worden. Diese wesentlichen Lehren des Christentums lassen sich demnach nicht mehr durch den Verweis auf die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift begründen. Schleiermacher versucht dieses Problem durch zwei religionsphilosophische Theorieelemente: nämlich durch Aufnahme des Religionsbegriffs und durch die Bestimmung des Wesens des Christentums zu lösen.
Primärtexte
- Hermeneutik und Kritik. Reimer, Berlin 1838. (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
- Sämmtliche Werke. Berlin 1834–64 (Abteilung I: Zur Theologie, 11 Bände, 1835–1864, zwei geplante Bände sind nicht erschienen; Abteilung II: Predigten, 10 Bände, 1834–1856; Abteilung III: Zur Philosophie, 9 Bände, 1835–1862) (vollständig bei google books, inkl. der Dialektik, hg. Jonas von 1839)
- Werke in Auswahl. hg. von Otto Braun und Johannes Bauer. 4 Bände. (= Philosophische Bibliothek 136–139). Leipzig 1910–1913. (späterer Nachdruck: Aalen 1981)
- Kritische Gesamtausgabe. Walter de Gruyter, Berlin/ New York 1980 ff. (Abteilung I: Schriften und Entwürfe, 15 Bände in 18 Teilbänden, 1980–2005; Abteilung II: Vorlesungen, bisher 5 Bände in 6 Teilbänden, 1998 ff.; Abteilung III: Predigten, bisher 11 Bände; Abteilung IV: Übersetzungen, bisher ein Band, 2016; Abteilung V: Briefe und biographische Dokumente, bisher 11 Bände, 1985 ff.)
- Monologen. Meiner, Hamburg 1978, ISBN 3-7873-0441-X.
- Über die Religion. Hrsg. v. Andreas Arndt. Meiner, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1690-6.
- Über die Religion. Synoptische Studienausgabe der Textfassungen 1799, 1806 und 1821. Hrsg. v. Niklaus Peter, Frank Bestebreurtje und Anna Büsching, Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2012, ISBN 978-3-290-17626-6.
- Ethik (1812/13). Hrsg. v. Hans-Joachim Birkner. Meiner, Hamburg 1990, ISBN 3-7873-0971-3.
- Dialektik (1811). Hrsg. v. Andreas Arndt. Meiner, Hamburg 1986, ISBN 3-7873-0670-6.
- Dialektik (1814/15). Hrsg.v. Andreas Arndt. Meiner, Hamburg 1988, ISBN 3-7873-0721-4.
- Die Weihnachtsfeier. Ein Gespräch. Manesse, Zürich 1989, ISBN 3-7175-8155-4.
- Hermeneutik und Kritik: mit einem Anhang sprachphilosophischer Texte Schleiermachers. (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft. 211). Hrsg. v. M. Frank. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-27811-8.
- Bruchstücke der unendlichen Menschheit, Fragmente, Aphorismen und Notate der frühromantischen Jahre. Hrsg. v. Kurt Nowak. Union Verlag Berlin, 1984.
- Pädagogik. Die Theorie der Erziehung von 1820/21 in einer Nachschrift. de Gruyter, Berlin 2008 (de Gruyter Texte).
- Literatur von und über Friedrich Schleiermacher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Friedrich Schleiermacher in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Edierte Briefe von und an Friedrich Schleiermacher im Webservice correspSearch der BBAW
- Primärquellen
- Werke von Friedrich Schleiermacher im Projekt Gutenberg-DE
- Projektwebseite des Akademievorhabens „Schleiermacher in Berlin 1808–1834. Briefwechsel, Tageskalender, Vorlesungen.“ (Beta-Version, online seit dem 7. April 2016)
- Erkennen, nicht lernen ist der Zweck der Universität, Ein fiktives Gespräch aus: Forschung & Lehre Oktober 2008.
- Jan Rohls: Schleiermacher und die wissenschaftliche Kultur des Christentums, HU Berlin, Hefte 160 2009, ISBN 978-3-86004-241-0, S. 3–58.
- Wesley Wildman: Schleiermacher, Zusammenfassungen zu „Der christliche Glaube“ nach George Cross, einführende Darstellung und andere Informationen (engl.)
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermeneutik_(Methode)
http://gutenberg.spiegel.de/autor/friedrich-schleiermacher-522