12.12.18

 

Neue Behandlungsstrategien bei Netzhauterkrankungen

Das Auge gilt nicht nur als Spiegel der Seele, sondern neuerdings auch als Spiegel der Gesundheit. Da Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes die feinen Gefäße der Netzhaut schädigen, lassen sich mit einem geschulten Blick ins Auge auch die dahinterliegende Erkrankung erkennen.

Künstliche Intelligenz beurteilt die Netzhaut

In Zukunft könnte der Computer hier den Augenarzt ersetzen: Seit wenigen Monaten versieht ein automatische Netzhautscanner "seinen Dienst" in der Diabetesambulanz. Auf Basis der optischen Kohärenztomografie (OCT), die über Laserreflexion ein hochauflösendes Bild der Netzhaut liefert, und eines Algorithmus, der auf Komplikationen durch Diabetes trainiert wurde, kann der Computer völlig eigenständig Diagnosen erstellen. Die Erfolgsquote kann sich sehen lassen: Mit einer Sensitivität von mehr als 95 Prozent ist das System sogar besser, als das menschliche Pendant.
Konkurrenz für ihren Berufsstand fürchtet die Augenspezialistin Ursula Schmidt-Erfurth von der Meduni Wien, die solche Algorithmen für die künstliche Intelligenz mitentwickelt, jedoch nicht. Schließlich ergäbe sich damit eine Möglichkeit, all jene Personen zu erreichen, die man sonst nie, oder viel zu spät, zu Gesicht bekommen würde.

Da es viele Betroffene verabsäumen, rechtzeitig zum Augenarzt zu gehen, könne diese einfache Untersuchung künftig zur Früherkennung auch in der Hausarztpraxis, in der Apotheke, im Supermarkt ums Eck oder auch zu Hause durchgeführt werden.

Datenklau aus dem Auge?

Der maschinelle Blick ins Auge erlaubt eine Aussage über den Zustand der Gefäße im ganzen Körper und ermöglicht damit in nur einem Augenblick einen Gesundheitscheck. Eine medizinische Revolution. Das Interesse der großen Datenkonzerne wie Google oder Facebook ist enorm. Sie betrachten die Medizin als einen der größten Zukunftsmärkte. Bei mehr als 300.000 Personen hat die künstlichen Intelligenz Deepmind, ein Google-Tochterunternehmen, bereits Scans des Augenhintergrundes durchgeführt. Und zwar in Zusammenarbeit mit dem britischen nationalen Gesundheitsdienst. Eine rechtlich umstrittene Kooperation, die eine Reihe von Datenschützern auf den Plan rief.

Gefährliche Erkrankungen der Netzhaut - die AMD

In der Augenklinik der Meduni Wien wird an weiteren Algorithmen - etwa zur Detektion der Makula-Schädigung - gearbeitet. Denn die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) zählt zu den häufigsten Schädigungen der Netzhaut. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden die Erkrankungszahlen in Zukunft steigen.

Die genauen Zusammenhänge der Entstehung sind noch nicht vollständig geklärt: u.a. begünstigen genetische Faktoren, Umwelteinflüsse, Rauchen und Übergewicht die Entwicklung einer AMD.
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) hat zwei unterschiedliche Verlaufsformen: die trockene und die feuchte Form.
Bei der weitaus häufigeren (ca. 80 Prozent), aber zum Glück eher langsam verlaufenden "trockenen" Form sterben zentrale Netzhautzellen langsam ab. Dies führt zu einer ganz allmählichen Sehverschlechterung.
Dagegen gibt es keine Behandlungsmöglichkeiten.

Bei der feuchten AMD wachsen Blutgefäße an der Stelle des schärfsten Sehens und dies führt ebenfalls zum Absterben der dortigen Nervenzellen. Gegen die feuchte Variante werden sogenannter VEGF-Antagonisten ins Augeninnere gespritzt. Sie stoppen das Gefäßwachstum und verlangsamen den Sehverlust.

Das Glaukom

Unter diesem Begriff werden unterschiedliche Formen des grünen Stars zusammengefasst. Es liegen ein individuell erhöhter Augeninnendruck und/oder eine Durchblutungsstörung des Sehnervs vor. In weiterer Folge werden Nervenfasern des Nervus optikus geschädigt.
Zur Senkung des Augeninnendrucks werden verschiedene Medikamente in Form von Augentropfen eingesetzt. Manchmal muss auch operiert werden.

Die diabetische Retinopathie

Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte führen zu Schäden an der Netzhaut.
Je nachdem ob die Veränderungen mit oder ohne Gefäßneubildungen einhergehen, unterscheidet man zwei Verlaufsformen:
1. die nichtproliferative Retinopathie: das erste Stadium der Netzhautschädigung
2. die proliferative Retinopathie: das zweite Stadium der Netzhautschädigung
Die Therapie kann recht individuell gestaltet werden. Es stehen Injektionen in das Auge, Lasertechniken und weitere operative Strategien zur Verfügung.
Bei optimaler Kontrolle und Behandlung führt die Erkrankung nur in fünf Prozent der Fälle zu einer schweren Einschränkung des Sehvermögens.

Ö1

Univ.-Prof.in Dr.in Ursula Schmidt-Erfurth
Fachärztin für Augenheilkunde
Leiterin der der Universitätsaugenklinik am Wiener AKH
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Tel.:+43/1/ 40400 79300
E-Mail
Homepage

Österreichische Ophthalmologische Gesellschaft
Digitale Revolution in der Augenheilkunde - Meduni Wien (11/2018)
Infos zur Altersbedingte Makuladegeneration AMD (Netdoktor.at)
Infos zum Glaukom (Mini-Med)
Infos zur diabetischen Retinopathie
Ausführliche Beschreibungen von Netzhauterkrankungen (Pro Retina Deutschland e.V. - Selbsthilfevereinigung)
Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich
Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs

Katarzyna Konieczka, "Glaukom: Ein Handbuch für Betroffene", Hogrefe Verlag 2015
Birgit Hartmann, Wolfram Goertz, "Augen-Sprechstunde: Was Ihre Beschwerden bedeuten",
Springer-Verlag 2011
Wolfgang Hätscher-Rosenbauer, "Kleine Augenschule", Mankau Verlag 2017


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