7.7.19

 

Raumklimaforschung - Personalisierung des Raumklimas

Welchen Einfluss hat das Raumklima auf die Menschen? Und wie könnte ein optimiertes Heiz- und Belüftungssystem der Zukunft aussehen? Diesen Fragen geht das internationale Forschungsteam um Prof. Conrad Völker, Leiter der Professur Bauphysik, mit einem neuen Messverfahren auf den Grund: »Mit dem sogenannten Schlierenverfahren werden kleinste Luftströmungen der Raumluft sichtbar«, erläutert Prof. Völker. Das Prinzip sei ähnlich wie bei einer überhitzten Straße im Sommer, wenn die Luft über dem Asphalt flimmert. »Mit dem Unterschied, dass man die Schlieren, auf die es uns ankommt, aufgrund der geringen Temperaturunterschiede mit bloßem Auge nicht sehen kann«, fährt er fort. Mithilfe des Messverfahrens lassen sich ab sofort präzise Rückschlüsse auf vorhandene Luftströmungen im Raum und folglich auf das Wohlbefinden eines Menschen ziehen. 

Weltweit existieren derzeit nur vier Großschlieren-Systeme, welche jeweils in unterschiedlichen Forschungsbereichen eingesetzt werden. In Weimar liegt der Fokus auf bauphysikalischen Messreihen. Kern der Untersuchungen ist die Simulation unterschiedlichster Klimaverhältnisse in einem abgeschlossenen, mit Sensorik ausgestattetem Raum, der sogenannten Klimakammer. Mithilfe des thermischen Manikins »Feelix« (von engl. »feel«, fühlen), einer Puppe mit unter der Hautoberfläche verlaufenden Heizdrähten, simulieren die Forscher eine dem Menschen ähnliche Hauttemperatur und prüfen, wie sich diese bei wechselnder Raumklimatisierung verändert. Das Schlierenverfahren kommt hierbei ergänzend zum Particle-Streak-Tracking-Verfahren (PST) sowie thermografischen Untersuchen mittels Wärmebildkamera zum Einsatz. 

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Auf der Suche nach Behaglichkeit

Zu warm, zu kalt, zu feucht: Wenn das Klima nicht stimmt, reagiert der Mensch mit Unwohlsein. In Weimar arbeiten Wissenschaftler an der Optimierung des Raumklimas, etwa in Büros. Bei minimalem Energieaufwand sollen individuelle Wärme-Bedürfnisse befriedigt werden.

Auch der Mensch beeinflusst das Raumklima

„Herzstück unserer Anlage ist das thermische Manikin Feelix, also von to feel – fühlen, welches die Wärmeabgabe des menschlichen Körpers simulieren kann. Es hat nämlich Heizdrähte unter der Hautoberfläche und kann damit die Wärmeabgabe zum Beispiel eines sitzenden Menschen – was ungefähr 120 Watt entspricht – simulieren, womit wir den Einfluss des Menschen auf das Raumklima untersuchen können und aber auch andererseits den Einfluss des Raumklimas auf den Menschen. Wir können also schauen, ob sich gewisse Körperteile von anderen unterscheiden, ob die zu kalt werden, ob die zu warm werden, wie es hinsichtlich der thermischen Behaglichkeit aussieht.“
Feelix kann sogar atmen – die Raumluft mit seinem Atem bewegen und anfeuchten. Völker sieht hier nicht etwa eine gelbe Puppe in einem fensterlosen Raum vor sich, verdrahtet und angepustet von einem Schlauch, sondern einen Angestellten, dem es im Sommer im Büro zu warm wird, oder im Winter zu kalt. Aber nicht einfach, weil die Klimaanlage falsch eingestellt ist, sondern zum Beispiel weil die Außenwand nicht gedämmt ist und eine unangenehme Kühle ausstrahlt. Oder weil es permanent zieht. Oder zu feucht ist. Das alles kann die Kammer simulieren. Es geht – so viel Ehrlichkeit muss sein – im Großen und Ganzen um Büroräume.
„Das Ziel ist es, den Raum möglichst so zu klimatisieren, dass wir einerseits das Ganze möglichst energieeffizient hinkriegen – und zwar im Sommer, aber auch im Winter – und andererseits soll aber auch die thermische Behaglichkeit gewährleistet sein.“
Oder noch knapper: Der Mensch soll sich – bei minimalem Energieeinsatz und damit geringen Kosten – im Büro wohlfühlen. Dafür forscht Völker in Weimar. Ob es sinnvoll ist, den Boden zu beheizen oder vielleicht sogar die Wände, ob man im Sommer einen Raum auch über die Fußbodenheizung kühlen kann – oder ob Feelix dann kalte Füße bekommt.

Die Auswertung erfolgt nebenan am Computer. Dort sieht man Feelix, sein Körper in 20 Segmente eingeteilt, die, je nach Temperatur, in verschiedenen Rot-, Gelb- oder Grüntönen erscheinen. Davor sitzt Völkers Assistent Hayder Alsaad. Thema seiner Promotion, an der er arbeitet: die Personalisierung des Raumklimas.

Im Auto kennt man die Sitzheizung

Warum einen ganzen Raum, warum hundert Kubikmeter heizen, wenn die zu temperierende Person nur ein paar Kubikmeter nutzt? Dort soll die Temperatur und die Luftqualität stimmen, meint der Iraker Alsaad. Im persönlichen Raumklima sehen sie die Zukunft der Büroklimatisierung. Und wem das zu absurd erscheint, den verweist Völker gern auf das Beispiel Auto:
„Im Automobilbereich ist das – kann man fast sagen – gang und gäbe, dass da teilweise die Temperierung für den Fahrer anders ist als für den Beifahrer. Man hat Kühlung als auch Heizung; man kann seine einzelnen Körperteile auch unterschiedlich temperieren; ich habe Sitzheizung. Davon sind wir noch weit entfernt im Gebäudebereich. Aber wir arbeiten hart daran, wir forschen daran, das in Zukunft zu ändern.“
Dann könnte im Büro auch der Streit darüber aufhören, ob im Winter die Heizung, im Sommer die Klimaanlage zu hoch eingestellt ist, ob das Fenster offen oder geschlossen sein soll. Am Streit, ob und wie sich in diese Kampf an Geschlechterfronten abspielt, möchte sich Conrad Völker ausdrücklich nicht beteiligen.
„Wir simulieren im Moment den Durchschnittsmenschen – und damit simulieren wir Unisex!“




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