26.11.19
Wie uns Tiere und Pflanzen aus der Krise helfen können
Die Natur
liebt das Wachstum. Ein Baum etwa wächst vom Samenkorn bis zum ausgewachsenen
Baum um das 5300fache pro Jahr. Man stelle sich vor, auf den Börsen würden die
Aktien wie die Bäume in den Himmel wachsen. Das wäre nicht nur wegen der
Wachstumsrate enorm reizvoll, sondern auch wegen der Art, wie die Bäume das
machen. Sie wachsen nämlich rekordverdächtig krisenfrei.
Das Ziel
des Baumwachstums ist nämlich nicht einfach Wachstum um jeden Preis, wie das
die Märkte so offen zelebrieren, sondern Stabilität. Kein Teil des Baumes wird
bei der Verteilung der produzierten Nährstoffe und Moleküle vergessen, überall
wird Substanz angelagert, welche die Elastizität und die Überlebensfähigkeit
des Gesamten steigern. Nicht umsonst sind die ältesten Bäume 9000 Jahre alt.
Unser
Wachstum in Umsatz, Dollar und Gewinn ist da ganz anders. Es denkt nicht an das
Ganze. Es denkt an sich als Selbstzweck. Die Summe heiligt die Ungleichheit.
Die Finanzmärkte haben längst den höchsten Anteil am Gewinn für sich
beansprucht, und diese Entwicklung verstärkt sich immer weiter. Das Kapital
bleibt sozusagen in der Baumkrone der Wirtschaft hängen, während Stamm und
Wurzeln der Realwirtschaft hungern. Beim ersten Sturm passiert dem Finanzbaum,
was passieren muss: Die Krone bricht ab.
Man
müsste also umdenken. Aber wie? In einem bescheidenen Wunschtraum würde das
Vermögen des Einzelnen durch gesunde Anlageformen zur Stabilität der
Gesellschaft beitragen. Wenn man aber ganz ehrgeizig sein wollte, dann würde
man überhaupt gleich das eigentliche Verfahren des Baums kopieren. Die
Fotosynthese. Man würde Fabriken bauen, die wie die Bäume aus der Luft CO2
entnehmen und mithilfe von Sonnenlicht daraus Zucker produzieren. Dieser Zucker
kann in Nahrung verwandelt werden ebenso wie in Treibstoff. Und aus den
Schornsteinen dieser fotosynthetischen Fabriken würde reiner Sauerstoff
steigen. Damit hätte man die Energiefrage und das Klima gleichzeitig gelöst,
nach dem Motto: Sprit aus dem Spirit der Bäume.
Buch, Oliver Tanzer, "Animal Spirits", Molden-Verlag