2.12.15

 

Die Ideologie des Islamischen Staates

„ISIS ist die erste Gruppe, seit dem Versagen von Al Qaeda, die diesen gedemütigten und wütenden jungen Männern eine Möglichkeit bietet, ihre Würde, ihre Familie und ihren Stamm zu verteidigen. Dies ist keine Radikalisierung für die Ideologie des IS, sondern die Hoffnung auf einen Ausweg aus ihrem unsicheren und unwürdigen Leben, die Verheißung eines Lebens voller Stolz, als irakischer, sunnitischen Araber – und das ist nicht nur eine religiöse Identität, sondern genauso eine kulturelle, stammesmäßige und nationale.“ schreibt die Forscherin Lydia Wilson von der Oxford University.

Viele der IS-Kämpfer sind also weit weniger religiös motiviert, als es scheint, und diese verblüffende Ungläubigkeit setzt sich teilweise vielleicht sogar bis in die höchsten Führungsebenen des IS fort. Denn weite Teile der IS-Führung bestehen aus ehemaligen Militärs und Geheimdienstchefs von Saddam Hussein, welche nach der US-Invasion durch Schiitische Personen ausgetauscht wurden und die mit dem IS eine neue sunnitische Machtbasis aufbauen wollen. Diese Gruppen waren bisher kaum für ihren flammenden Glauben bekannt und alles andere als Schriftgelehrte: Es sind politische Personen mit jahrzehntelanger Erfahrung in Kriegsführung der Strukturierung von Unterdrückungssystemen. Glauben diese Menschen die Ideologie, oder ist der IS nur ein Werkzeug für sie?
Trotzdem ist die apokalyptische Ideologie des IS, das tragende Element, Anziehungspol, vereinende Philosophie, Rechtfertigung und Unterdrückungsmechanismus zugleich. Und man darf davon ausgehen, dass ein wichtiger Teil der IS-Führung tatsächlich an die apokalyptischen Visionen des IS glaubt.

Obwohl der Westen den radikalen Islam selbst mit erzeugt hat – und der IS allein aus dem Islam heraus darum nicht zu erklären wäre – bleibt doch offensichtlich, dass der Islam eine wichtige Rolle spielt. Denn ohne den Islam würde es den IS in dieser Form auch nicht geben.

Die Ideologie des IS ist, wenn überhaupt, eine sehr spezielle Ausformung des Islam. Es wäre ebenso falsch, ihn als repräsentativ für den Glauben Millionen friedlicher Muslime zu sehen, wie zu behaupten, diese Ideologie würde mit dem Islam rein gar nichts zu tun haben. Tatsächlich nimmt die Ideologie des IS den Islam weit wörtlicher als viele andere Strömungen. Die religiösen Vordenker des IS sind ehemalige Al-Qaida-Philosophen und gehören zu den gelehrtesten Kennern des Islam und Korans überhaupt. Das gesamte Gedankengebäude ist hermetisch und – bei entsprechender Auslegung – durch den Koran, Sharia und Hadith lückenlos zu belegen. Die Aktionen des IS folgen dem Vorbild ihres Propheten teilweise mit akribischer Sorgfalt auf das Satzzeichen genau.

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