5.2.16

 

Bisers Ansatz des Christentums als eine therapeutische und mystische Religion

Das Christentum ist  von seinem Ursprung her keine moralische, sondern eine therapeutische, auf die Heilung des todverfallenen und angstgepeinigten Menschen ausgehende und insbesondere eine mystische Religion, die aus der Einwohnung ihres Stifters in den Herzen der Seinen lebt.

Das Zentrum der christlichen Botschaft besteht in dem von Jesus entdeckten und verkündeten Gott der bedingungs- und vorbehaltlosen Liebe. Sie lehnt die Vorstellung von einem ambivalenten, zwischen Güte und Zorn  oszillierenden Gott als eine der menschlichen Geschichts- und Selbsterfahrung entstammende Projektion ab. Jesus hat den aus Angst und Hoffnung gewobenen Schleier vom Gottesbild der Menschheit entfernt. Indem er seinen Gott mit der ehrfürchtig-zärtlichen Anrede „Abba – Vater“ anrief, durchstieß er die Mauer der Unnahbarkeit Gottes, überbrückte den Abgrund der Gottesferne, erschloss den Zugang zum Herzen Gottes und begründete die Gotteskindschaft der Menschen. Wenn die Liebe dessen, der uns (nach Röm. 8, 32) mit seinem Sohn alles geschenkt, hat, an die Herzen rührt, muss die dort herrschende Angst weichen und der Gewissheit Raum geben, dass keine Macht der Welt die Zuwendung dieser Liebe aufhalten und uns von ihr trennen kann.

Die Neue Theologie entlarvt jede Form sozialer, geistiger und moralischer Repression als unchristlich, gestützt auf das große Paulus-Wort: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal. 5, 1). Sie befreit insbesondere von dem nach Nietzsche auf allem lastenden „Geist der Schwere“, der alles in die Gleise von „Satzung, Not und Folge“ zu zwingen sucht. Da wahre Freiheit nicht so sehr die der zerbrochenen Fesseln als vielmehr die zu höherer Selbstaneignung ist, wird sie vorzugsweise zum Urakt aller Kultur bewegen und anleiten müssen.
Der aber besteht in der unabdingbaren Aufgabe des Menschen, aus dem Rohstoff seiner Person das Kunstwerk der Persönlichkeit zu schaffen.


Eugen Biser Stiftung
 

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