25.4.16

 

Kirche ist in Gefahr, sich nicht zu erneuern, sondern zu modernisieren

Kardinal Meiser warnt beim Kongress des „Forums Deutscher Katholiken“: „Die Botschaft für alle Zeiten, die wir in der Kirche haben, wird weithin verwechselt mit der Botschaft der Zeit.“ - Die Meisner-Predigt in voller Länge

„Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14) ist die Grundbotschaft des Evangeliums. Das ist nicht nur ein Fakt der Vergangenheit, sondern das ist eine Berufung in der Gegenwart für die Zukunft, dass wir dem Wort unser Fleisch geben, damit es für die Menschen berührbar, sichtbar, hörbar und wahrnehmbar bleiben kann oder wieder wird. Das ist für unsere Mitwelt mehr als wichtig.

Der Mensch heute hat Sein und Zeit vertauscht, so sagen die Philosophen, und außerdem auch Sein und Haben. Darum müssen wir wohl mit der Gegenwart härter umgehen als mit der Vergangenheit, weil wir hier noch etwas ändern können. Die Fragen an uns selbst müssen dabei wohl lauten: „Kümmern wir uns um falsche Dinge? Gleichen und passen wir uns an? Sind wir wegen der Anpassung eben nicht mehr einzigartig, sondern nur noch exotisch? Sind wir zu wenig wach für die wirkliche Verzweiflung der Menschen, und haben wir zu wenig Erbarmen mit unserer Zeit?“.

Die Kirche ist heute in Gefahr, sich nicht zu erneuern, sondern zu modernisieren. Freiheit heißt heute weithin Beliebigkeit, die dann aber in der Kirche dazu führt, dass man nicht mehr unterscheiden kann oder unterscheiden will zwischen dem Heilsein und dem Wohlsein, also dem Heil, das durch Gott kommt und dem Wohlsein, dem Genuss, den sich der Mensch selbst zu produzieren vermag. Die Botschaft aber für alle Zeiten, die wir in der Kirche haben, wird weithin verwechselt mit der Botschaft der Zeit. Wir haben zuerst nach unserer Existenz zu fragen und erst dann nach der Praktizität und dies auf allen Ebenen: im Wesen der Kirche, in der Gesellschaft und schließlich diese Frage auch an uns selbst heranlassen müssen: „Wer bin ich? Wo komme ich her? Wohin bin ich unterwegs? Wie sieht die Topographie meiner Gegenwart aus?“ - „Agere sequitur esse“, d.h. „Das Handeln fließt aus dem Sein“, ist eine urmenschliche Erfahrung.

Die Welt wird hier gleichsam als ein Vergnügungspark gesehen. Kirche und Welt haben in diesem Zusammenhang dafür zu sorgen, dass alle Karussells perfekt funktionieren. Wir fragen uns besorgt: „Was bietet uns die Botschaft des Evangeliums dazu als Gegenbewegung an?“. Die Antwort der Schrift ist ganz schlicht: „Ein Leben aus dem unverkürzten Glauben, dass wir Priester uns etwa auf unser ureigenes Fundament besinnen und nicht so zu sagen, Mätzchen zu vollführen, wenn wir die Gelegenheit haben, den Glauben zu verkünden. Dass wir nicht Psychologie, Politik, Soziologie und alles möglich Andere anstelle der wirklichen Verkündigung den Menschen anbieten. Es wäre deshalb töricht zu meinen, man müsse sich irgendwann nur einmal anpassen und dann modern aktuell auf dem Laufenden zu sein. Eine Anpassung an den Zeitgeist, der sich immer wieder ändert, zieht unweigerlich weitere Anpassungen nach sich, sodass die Gefahr des Verlustes des spezifisch Christlichen gegeben ist. Es geht uns dann wie Hans im Glück, der mit einem Goldklumpen antritt und mit einem Schleifstein in der Hand endet. Ist das nicht fast ein Bild der gegenwärtigen Kirche geworden: nicht mehr Gold, sondern Steine trägt sie in ihren Händen. Wir müssen uns deshalb die Frage gefallen lassen: „Passen wir uns zu sehr an? Wollen wir Demokratie in der Kirche nur weil es sie in der Gesellschaft gibt? Oder hat Demokratie in der Kirche nicht einen ganz anderen Namen? Sind die Generationen vor uns, die als Christen ihren Weg gegangen sind, mit Ihren Glaubens-, Lebens- und Hoffnungserfahrungen aus den Augen und aus dem Sinn? Oder sind sie in der Gemeinschaft der Heiligen innerhalb der Kirche uns präsent geblieben? Heißt nicht Demokratie in der Kirche: den Glaubenserfahrungen der Generationen vor uns Sitz und Stimme in der Kirche der Gegenwart zu geben?“. Theologisch heißt das, die Tradition beachten und damit das demokratische Prinzip in der Kirche.

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