16.5.16
Salafismus: Terror, Taliban, Twitter
Längst ist der Begriff «Salafismus» zum Synonym einer
terroristischen Bedrohung geworden. Doch was verbirgt sich tatsächlich hinter
dieser islamischen Bewegung und wer schliesst sich ihr an?
Die Motive reichen von Diskriminierungs- und Benachteiligungserfahrungen über eine allgemeine Sinnsuche bis hin zu Schicksalsschlägen. Unter den Protagonisten findet sich auch der bekannte deutsche Rapper Denis Cuspert alias Deso Dogg wieder. ZDF-Terrorismusexperte Elmar Thevessen ordnet die Interview-Ausschnitte mit den fünf jungen Männern ein und erklärt grundlegende Zusammenhänge.
Der Film zeigt auch, wie Salafisten das Internet für ihre Zwecke nutzen, um Propagandavideos zu platzieren und neue Mitglieder anzuwerben. Dabei spielen Organisationen wie das militante Islamisten-Netzwerk Millatu-Ibrahim oder der Verein Dawa.ffm eine wichtige Rolle. Salafisten- und Hassprediger wie Abu Waleed oder Pierre Vogel plädieren dabei für ein Leben nach den Richtlinien der Scharia.
Doch wie können junge Menschen vor einer Radikalisierung bewahrt werden? Dazu erklärt eine praktizierende Muslima und Lehrerin, wie sie mit ihren Schülern im Religionsunterricht den Koran kennenlernt, um den radikalen Tendenzen in ihrer Schule entgegenzuwirken.
Salafismus – nicht immer militant
Mit Salafismus (arab. Salaf ‚der Vorfahre; der Vorgänger‘) bezeichnet man im Islam die «Orientierung an den frommen Altvorderen». Salafisten versuchen, ihr Leben exakt und ausschliesslich nach dem Vorbild des Propheten Mohammed und der frühen Muslime auszurichten. Eine Interpretation des Islam, oder gar eine Anpassung an die modernen Gesellschaften, lehnen sie ab.Doch nicht alle Anhänger des Salafismus sind militante Islamisten, deren Ziel die Errichtung eines Gottesstaates ist. Erst die Interpretation radikaler «Neo-Salafisten» erhebt den Anspruch, die Gesellschaft habe sich als Ganzes den strengen Normen des frühen Islam unterzuordnen.
- Viele Jihadisten sind keine Islamgelehrten. Sie kennen nur eine Interpretation des Korans und oft reichen ihre Kenntnisse der arabischen Sprache nicht aus, um den Koran in seiner Original-Sprache zu verstehen. Trotzdem positionieren sie sich als die «einzig wahren» Muslime, indem sie vorgeben, genau den Willen des Propheten umzusetzen. Damit erringen sie auch den gewünschten Erfolg: Viele Nicht- und gemässigte Muslime denken, dass die Interpretation der Salafisten die eigentlich «richtige» ist.
Veränderungen bei den militanten Gruppierungen
- Der Beitrag wurde in den Jahren 2011-2013 gedreht. Seither hat sich einiges verändert:
- Mehreren Berichten zufolge ist Denis Cuspert im Oktober 2015 verstorben.
- Die beiden Organisationen Dawa.ffm und Millatu-Ibrahim sind heute verboten.
- Als Folge des Verbots von Millatu-Ibrahim reisten Mohamed Mahmoud und Denis Cuspert im Juni 2012 nach Ägypten aus.
- Im Film ist oft noch die Rede von Al Qaida. Heute ist der IS viel dominanter.
- Im Film ist mehrfach die Flagge zu sehen, die der IS heute auch verwendet. Die Rede ist aber von der Kriegsflagge der Al Qaida. Diese zeigt jedoch lediglich das islamische Glaubensbekenntnis, das sowohl der IS als auch Al Qaida als Symbol verwenden.
- Al-Qaida und IS: Die beiden Organisationen sind sich heute nicht mehr einig. Für den ehemaligen Al-Kaida-Führer Osama Bin Laden war der Westen immer der Feind, weil dieser Saudi-Arabien stützte. Das eigentliche Ziel waren die Saudis. Der Feind des IS ist nicht mehr eindeutig definierbar. Es sind die Menschen, die vor Ort leben: Schiiten, Kurden, Jesiden, Christen. Zudem fehlt dem IS auch ein klar definiertes strategisches Ziel. Selbst Al Qaida beklagt heutzutage, dass sie den IS nicht mehr verstehe.