14.12.16
Fünf zumutbare Glaubensweisen
Über den Glauben an die Zukunft
Die Existenz des Menschen hat etwas Expansives. Erblickt der Mensch neue
Ufer, will er dort landen, hört er von fremden Welten, will er sie
erobern.
Die gesamte moderne Wirtschaft lebt vom Umgestalten, Erhöhen,
Anreichern, Kultivieren bereits vorhandener Bedürfnisse und vom Erfinden
neuer, bisher ungeahnter Sehnsüchte. Dass Wirtschaft ständig wächst,
liegt schlicht daran, dass der Mensch nie einen solchen Grad von
Zufriedenheit erklimmt, ab dem er für immer saturiert und wunschlos
glücklich ist. Der Mensch will ununterbrochen mehr, will immerfort
anderes, von seiner Geburt bis zu seiner letzten Stunde.
Wir planen über unseren Lebenshorizont hinaus, selbst wenn wir nicht
wissen, ob unsere Entwürfe verwirklicht werden. Jene Meister, die den
Grundstein für den Bau einer gotischen Kathedrale legen, tun dies im
Bewusstsein, dass frühestens die Lehrlinge ihrer Lehrlinge, und diese
vielleicht erst als alte Meister, den Bau vollendet sehen werden.
Ungleich wertvoller als auf einen Bau aus toten Steinen ist es, den
Glauben an die Zukunft auf lebendige Menschen hin auszurichten: Die
Meister setzen ihre Hoffnungen auf die Lehrlinge. Die Lehrer setzen ihre
Hoffnungen auf die Schüler. Die Mütter und Väter setzen ihre Hoffnungen
auf die Kinder.
In diesem Sinne feiern wir Weihnachten als den Festtag des Glaubens an
die Zukunft. Es ist dieser Glaube, den wir in den leuchtenden Augen der
Kinder gespiegelt finden. Dies ist der einzig triftige Grund, warum wir
zu Weihnachten die Kinder mit Geschenken überhäufen: Wir bringen damit
zum Ausdruck, dass wir in ihnen unsere Zukunft erblicken, die nicht der
Verfinsterung preisgegeben sein soll. Das Licht, das vom göttlichen Kind
in der Krippe ausgehend den dunklen Stall erleuchtet, steht dafür als
Gleichnis.
Ö1 Gedanken
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