28.1.17
Kein Mensch kann ohne Zärtlichkeit leben
Rainer Maria Schießler ist Moderator, Bestsellerautor und einer der streitbarsten Seelsorger Deutschlands.
Zeit Magazin
Kommentare:
Zölibat verbieten? Was folgt daraus? Zwangsheirat für Priester? Müssen die bereits vor der Weihe verheiratet sein oder gibt's noch eine gewisse Karenzzeit nach der Weihe? ;-)
Es ist sicherlich richtig den Zwangszölibat abzuschaffen. Und dann wird sich die Kirche auch mit so ganz praktischen Problemen beschäftigen müssen, wie man mit den Folgen verfährt, wenn dann natürlich auch bei Priestern eine Ehe scheitern kann. Oder wie geht man mit den Ehefrauen um, wenn die Priester höhere Funktionen/Weihen erhalten. Schlussendlich kommt man auch zur Frage der Frauenordination. Das sind alles Fragen, mit denen sich gewisse Kreise der Kirche höchst ungerne befassen möchten.
Aber früher oder später wird man nicht drumherum kommen, will man die Gläubigen nicht auch noch dadurch verschrecken, dass man die Seelsorge mangels Nachwuchs immer weiter einschränken muss. Und andere Kirchen außer der römisch-katholischen haben diese Probleme auch lösen können.
Das Zölibat wird von Jesus nicht gefordert und ist daher ein rein politisches Signal .
Wenn man schon theologische Aspekte und biblische Bezüge beiseite schiebt, dann sollte man aber wenigstens andere Gegebenheiten berücksichtigen. So wurde ebenfalls eine Art Adelskaste verhindert und der Zugang relativ offen gestaltet. Im historischen Kontext, fast schon egalitär.
Wenn ich die Beführworter des Zölibats richtig verstehe, und dies ist auch das was sich einschlägig dazu finden lässt geht es einzig und alleine um EINE Bibelstelle.
""Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht um des Himmelreiches willen.""
Um das als Begründung fürs Zölibat auszulegen muss man schon sehr weit ausholen. Ja Jesus war unverheiratet doch nirgendwo steht das er nicht hätte heiraten dürfen. Das Zölibat ansich ist erst 1139 endgültig eingeführt worden. Warum die 1100 Jahre Differenz wenn die biblischen Bezüge doch so eindeutig sind. Und nebenbei. Das Zölibat war ursprünglich nur ein "Heiratsverbot" und kein "Keuschheitsgebot".
Geschichte:
Papst Kalixt I. (227 – 222): Er ignorierte die Meinung der Streiter für den Zölibat. Er weigerte sich, verheiratete Geistliche zu verdammen.
Mit der Synode von Elvira in Spanien um 300 n. Chr. begann die offizielle Diskriminierung der Priesterehe. Diese Synode hat zwar die Priesterehe nicht verboten, aber sie hat verboten, dass die Priester mit ihren Ehefrauen Verkehr haben. Im Canon 33 bestimmte die Synode „dass den Bischöfen (auch diese waren ja verheiratet), Priestern und Diakonen, sowie allen Klerikern, die den Altardienst versehen, zu befehlen sei, sich des ehelichen Verkehrs mit ihren Ehefrauen zu enthalten und keine Kinder zu zeugen“. Damit war der erste offizielle Schritt in einer langen Geschichte der Unterdrückung von Ehe und Sexualität getan. Konzil von Nizäa (325): Die Entscheidung zur Ehe oder zum Zölibat soll dem Einzelnen selbst überlassen bleiben. Synode von Orange (441): Forderte von den Geistlichen vor ihrer Weihe das Versprechen der fortwährenden Keuschheit.
Papst Leo I. (445): Er empfahl seinen verheirateten Priestern die „Josephsehe“. Heiraten ja, aber ohne sexuelle Kontakte.
Ja, es gab sicherlich schon früher Bewegungen hin zum Zölibat. Spricht ja auch nichts dagegen, wenn sich Priester nur ihrer Berufung und nicht ihrer Familie widmen wollen.
Eingeführt wurde der Zölibat aber erst, als die Kirche immer mehr Vermögen und weltliche Titel anhäufte. Das ganze Problem bestand halt darin, dass es kein übergeordnetes Recht gab, dass bestimmten Besitz und Titel nur an ein Amt band. Der Besitz und auch weltliche Titel und Herrschaft über ein Gebiet war stärker an den direkten Menschen gebunden als etwa an das Bischofsamt. (Aus gleichem Grund wurde halt auch das Herrschen durch Gottes Gnade so hochgehalten und mussten die Vasallen jedem neuen Herrscher gleich persönliche Treue schwören.) Sonst drohte halt die Vererbung an die Kinder und der Besitz wäre der Kirche entschwunden. Durch das Zwangszölibat konnte aber eben deutlich weniger Besitz auf weltlichem Wege vererbt werden.
Heute wird stärker zwischen Person und Amt unterschieden. Und Besitz der mit dem Amt verbunden ist wird dadurch unveräußerlich. Selbst dort wo der Adel noch herrscht, hat es ja die Trennung gegeben, der englischen Königin gehört ja auch nicht mehr alles persönlich, sondern der größte Teil gehört jetzt der Institution "Krone".
Deswegen gibt's so auch kein Grund mehr den Zölibat weiter aufrecht zu erhalten.
Zeit Magazin
Kommentare:
Zölibat verbieten? Was folgt daraus? Zwangsheirat für Priester? Müssen die bereits vor der Weihe verheiratet sein oder gibt's noch eine gewisse Karenzzeit nach der Weihe? ;-)
Es ist sicherlich richtig den Zwangszölibat abzuschaffen. Und dann wird sich die Kirche auch mit so ganz praktischen Problemen beschäftigen müssen, wie man mit den Folgen verfährt, wenn dann natürlich auch bei Priestern eine Ehe scheitern kann. Oder wie geht man mit den Ehefrauen um, wenn die Priester höhere Funktionen/Weihen erhalten. Schlussendlich kommt man auch zur Frage der Frauenordination. Das sind alles Fragen, mit denen sich gewisse Kreise der Kirche höchst ungerne befassen möchten.
Aber früher oder später wird man nicht drumherum kommen, will man die Gläubigen nicht auch noch dadurch verschrecken, dass man die Seelsorge mangels Nachwuchs immer weiter einschränken muss. Und andere Kirchen außer der römisch-katholischen haben diese Probleme auch lösen können.
Das Zölibat wird von Jesus nicht gefordert und ist daher ein rein politisches Signal .
Wenn man schon theologische Aspekte und biblische Bezüge beiseite schiebt, dann sollte man aber wenigstens andere Gegebenheiten berücksichtigen. So wurde ebenfalls eine Art Adelskaste verhindert und der Zugang relativ offen gestaltet. Im historischen Kontext, fast schon egalitär.
Wenn ich die Beführworter des Zölibats richtig verstehe, und dies ist auch das was sich einschlägig dazu finden lässt geht es einzig und alleine um EINE Bibelstelle.
""Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht um des Himmelreiches willen.""
Um das als Begründung fürs Zölibat auszulegen muss man schon sehr weit ausholen. Ja Jesus war unverheiratet doch nirgendwo steht das er nicht hätte heiraten dürfen. Das Zölibat ansich ist erst 1139 endgültig eingeführt worden. Warum die 1100 Jahre Differenz wenn die biblischen Bezüge doch so eindeutig sind. Und nebenbei. Das Zölibat war ursprünglich nur ein "Heiratsverbot" und kein "Keuschheitsgebot".
Geschichte:
Papst Kalixt I. (227 – 222): Er ignorierte die Meinung der Streiter für den Zölibat. Er weigerte sich, verheiratete Geistliche zu verdammen.
Mit der Synode von Elvira in Spanien um 300 n. Chr. begann die offizielle Diskriminierung der Priesterehe. Diese Synode hat zwar die Priesterehe nicht verboten, aber sie hat verboten, dass die Priester mit ihren Ehefrauen Verkehr haben. Im Canon 33 bestimmte die Synode „dass den Bischöfen (auch diese waren ja verheiratet), Priestern und Diakonen, sowie allen Klerikern, die den Altardienst versehen, zu befehlen sei, sich des ehelichen Verkehrs mit ihren Ehefrauen zu enthalten und keine Kinder zu zeugen“. Damit war der erste offizielle Schritt in einer langen Geschichte der Unterdrückung von Ehe und Sexualität getan. Konzil von Nizäa (325): Die Entscheidung zur Ehe oder zum Zölibat soll dem Einzelnen selbst überlassen bleiben. Synode von Orange (441): Forderte von den Geistlichen vor ihrer Weihe das Versprechen der fortwährenden Keuschheit.
Papst Leo I. (445): Er empfahl seinen verheirateten Priestern die „Josephsehe“. Heiraten ja, aber ohne sexuelle Kontakte.
Ja, es gab sicherlich schon früher Bewegungen hin zum Zölibat. Spricht ja auch nichts dagegen, wenn sich Priester nur ihrer Berufung und nicht ihrer Familie widmen wollen.
Eingeführt wurde der Zölibat aber erst, als die Kirche immer mehr Vermögen und weltliche Titel anhäufte. Das ganze Problem bestand halt darin, dass es kein übergeordnetes Recht gab, dass bestimmten Besitz und Titel nur an ein Amt band. Der Besitz und auch weltliche Titel und Herrschaft über ein Gebiet war stärker an den direkten Menschen gebunden als etwa an das Bischofsamt. (Aus gleichem Grund wurde halt auch das Herrschen durch Gottes Gnade so hochgehalten und mussten die Vasallen jedem neuen Herrscher gleich persönliche Treue schwören.) Sonst drohte halt die Vererbung an die Kinder und der Besitz wäre der Kirche entschwunden. Durch das Zwangszölibat konnte aber eben deutlich weniger Besitz auf weltlichem Wege vererbt werden.
Heute wird stärker zwischen Person und Amt unterschieden. Und Besitz der mit dem Amt verbunden ist wird dadurch unveräußerlich. Selbst dort wo der Adel noch herrscht, hat es ja die Trennung gegeben, der englischen Königin gehört ja auch nicht mehr alles persönlich, sondern der größte Teil gehört jetzt der Institution "Krone".
Deswegen gibt's so auch kein Grund mehr den Zölibat weiter aufrecht zu erhalten.
Im feudalistischen Kontext, erscheint das allerdings doch sehr
wahrscheinlich. Simonie habe ich ja auch angesprochen, und ja, gerade
höhere Positionen waren natürlich beliebt.
Trotzdem konnte prinzipiell jeder Priester werden. Ebenso Mönch, was gerade hinsichtlich der Wissensverbreitung, elementar für die gesellschaftliche Entwicklung gewesen ist. Ebenso für unsere spätere Vorstellung von Wissenschaft. Gleichzeitig hat die Kirche auch abgeschirmt und in eigenem Interesse gehandelt. Kein Monolith, wie schon gesagt.
Das zieht sich durch gesamte Kirchengeschichte, einerseits Inquisition, auch und gerade im Verbund mit weltlichen Herrschern, andererseits ein ordentliche Verfahren, das viele Lynchmorde verhinderte. Galileo, aber federführend bei den frühen Universitäten...
Trotzdem konnte prinzipiell jeder Priester werden. Ebenso Mönch, was gerade hinsichtlich der Wissensverbreitung, elementar für die gesellschaftliche Entwicklung gewesen ist. Ebenso für unsere spätere Vorstellung von Wissenschaft. Gleichzeitig hat die Kirche auch abgeschirmt und in eigenem Interesse gehandelt. Kein Monolith, wie schon gesagt.
Das zieht sich durch gesamte Kirchengeschichte, einerseits Inquisition, auch und gerade im Verbund mit weltlichen Herrschern, andererseits ein ordentliche Verfahren, das viele Lynchmorde verhinderte. Galileo, aber federführend bei den frühen Universitäten...
Gegen eine Adelskaste im Christentum hätte aber gesprochen, dass
auch in den Anfängen des Christentums sehr darauf gesetzt wurde
möglichst breite Teile der Bevölkerung einzubeziehen. Es gab ja zuerst
auch Überlegungen nur unter den Juden Anhänger aufzunehmen. Die
Heidenmission kam ja dann erst. Und gerade das zu Beginn eine
Chancengleichheit herrschte machte das Christentum so beliebt nicht nur
im römischen Reich, sondern dann auch in weiteren Gebieten.
Ich denke das Ganze war dann schon sehr verfestigt. Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn das Papsttum im Mittelalter erblich geworden wäre und davon ausgehend dann ein abhängiger Priesteradel.
Dem standen aber die Interessen der weltlichen Herrscher entgegen, nicht umsonst gab's den Investiturstreit. Ein weltlicher Adel, der sich immer nur auf ein Land bezogen hätte und ein Priesteradel, der ja länderübergreifende Machtinteressen dargestellt hätte, nebeneinander, ist schwer vorstellbar. Dazu war das Christentum auch viel zu sehr auf die Hierarchie mit dem Papst ausgerichtet. Ich bezweifle, dass das Christentum dann die Chance zur weltweiten Ausbreitung und Bedeutung bekommen hätte.
Andere Priesterkastensysteme hatten deutlich länger Zeit sich zu entwickeln (etwa in Indien) oder waren viel stärker auf einen Staat/König mit Staatsreligion ausgerichtet umfasten dann aber auch ein kleineres Gebiet.
Jedenfalls ist dem Christentum der alleinige Priesteradel erspart geblieben.
Ich denke das Ganze war dann schon sehr verfestigt. Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn das Papsttum im Mittelalter erblich geworden wäre und davon ausgehend dann ein abhängiger Priesteradel.
Dem standen aber die Interessen der weltlichen Herrscher entgegen, nicht umsonst gab's den Investiturstreit. Ein weltlicher Adel, der sich immer nur auf ein Land bezogen hätte und ein Priesteradel, der ja länderübergreifende Machtinteressen dargestellt hätte, nebeneinander, ist schwer vorstellbar. Dazu war das Christentum auch viel zu sehr auf die Hierarchie mit dem Papst ausgerichtet. Ich bezweifle, dass das Christentum dann die Chance zur weltweiten Ausbreitung und Bedeutung bekommen hätte.
Andere Priesterkastensysteme hatten deutlich länger Zeit sich zu entwickeln (etwa in Indien) oder waren viel stärker auf einen Staat/König mit Staatsreligion ausgerichtet umfasten dann aber auch ein kleineres Gebiet.
Jedenfalls ist dem Christentum der alleinige Priesteradel erspart geblieben.
Im Buddhismus und Islam gibt's so etwas auch nicht und auch im Judentum ist dies im Laufe der Zeit wieder unwichtig geworden.
Zudem hätte diese Kaste auch wieder fleißig Rechtfertigungsgründe hervorbringen müssen um Jesus Ablehnung solcher "reinen" Personen zu begründen. Als Beispiel wäre das Gleichnis vom barmherzigen Samariter genannt.
Aber auch ohne eigenes Kastenwesen hat der weltliche Adel ziemlich viel Einfluss gerade in den höheren Kirchenposten eingenommen. Gerade Bischöfe, Kardinäle und Päpste rekrutierten sich doch stark aus dem Adel. Die Versorgung des sogenannten Stiftsadels über kirchliche Ämter sollte man auch nicht vergessen. Nepotismus war zudem ebenfalls angesagt.
So durchlässig für alle Schichten der Bevölkerung war der Klerus lange Zeit eben doch nicht.