29.11.17
Charisma - Was Menschen wirken lässt
Es ist die ganz große Bühne: Auftritt des Retters, Erlösers,
Erwählten. Charisma glänzt, strahlt, blendet. Doch woraus besteht der
Leuchtstoff? Ist er ein Naturgeschenk, eine Gottesgabe oder doch nur
Menschen- und gar Teufelswerk?
Der Gnadenstrom Gottes
Der Völkerapostel verwendet "Charisma" mehrfach in
seinen griechisch geschriebenen Gemeindebriefen. Er nutzt das Wort, um
besondere Kräfte und Fähigkeiten zu bezeichnen, in denen sich Gottes
Geist als Gnadengabe ausgießt. Die maßgebliche Funktionsbeschreibung
findet sich im Korintherbrief: "Dem einen wird vom Geist die Gabe
geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern die Gabe, Erkenntnis zu
vermitteln, dem dritten Glaubenskraft, einem andern die Gabe,
Krankheiten zu heilen, einem andern Wunderkräfte, einem andern
prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu
unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenrede,
einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten."
Ein Auftrag, keine Auszeichnung
Mit der inflationären Charismen-Schwemme der
Gegenwart hat diese Auffassung nichts gemein. Charisma ist für Paulus
kein persönlicher Vorzug. Nichts, das einen Menschen attraktiv und sexy
macht, nichts, das ihn persönlich auszeichnet, über andere erhebt und
mit Vorrechten ausstattet. Ganz im Gegenteil. Die paulinischen Charismen
haben einen strikten Auftrags- und Arbeitscharakter: "Jedem wird die
Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nutzt", diktiert
der Apostel.
Ein Begriff macht Karriere
Auch seine Nachfolger verbinden Charisma stets mit
Demut und Dienst, niemals mit individueller Erhöhung, besonderem
Prestige oder gar Herrschaft. Daran ändert sich nichts, solange das Wort
der theologischen Sphäre verhaftet bleibt. Kurz nach dem Beginn des 20.
Jahrhunderts ist es mit dieser geistlichen Exklusivität vorbei.