5.12.17
Strafanzeige gegen EU-Behörden nach Glyphosat-Zulassung
Absprachen, Einflussnahme und Copy-Paste statt unabhängiger Bewertung
Ein Bündnis von Umweltschutzorganisationen erstattet in
Österreich, Deutschland, Italien, Lissabon und Frankreich Strafanzeige
gegen das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Unter Verweis auf
eigene Nachforschungen, US-Gerichtsdokumente („Monsanto Papers“) und
ein Plagiatsgutachten legen die Umweltschutzorganisationen dar, dass BfR
und EFSA keine unabhängige, objektive und transparente Bewertung der
gesundheitlichen Risiken von Glyphosat vorgenommen haben, wie das die
EU-Pestizidverordnung 1107/2009 verlangt hätte. Folglich wurde mit
Glyphosat ein Pestizidwirkstoff erneut europaweit genehmigt, der
ansonsten die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung
wahrscheinlich verfehlt hätte. Es ist zu befürchten, dass schwere und
schwerste Gesundheitsschäden als Folge des behördlichen Fehlverhaltens
eintreten werden.
Verdacht des Plagiarismus mit bewusster Verschleierung der Urheber
Stoffe
mit krebserregenden, mutagenen oder fortpflanzungsschädlichen
Eigenschaften dürfen laut EU-Pestizidverordnung nicht als Pestizide
zugelassen werden. Brisant ist daher, dass das BfR jene veröffentlichten
Studien, die sich mit diesen potenziellen Stoffeigenschaften von
Glyphosat beschäftigen, gar nicht selbst bewertet hat, sondern
stattdesssen die Bewertungen wortwörtlich aus dem Zulassungsantrag der
Hersteller übernahm, und dabei die Herkunft „bewusst verschleierte“, wie
ein Gutachten des Salzburger Medienwissenchaftlers Doz. Dr. Stefan
Weber feststellt.
Die Behörden
weisen diesen Vorwurf zurück. Helmut Burtscher-Schaden, der für die
österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 das
Plagiatsgutachten beauftragt hatte, meint dazu: „Da BfR-Präsident
Andreas Hensel die Vorwürfe unseres Gutachtens als ‚haltlos und
erfunden‘ darstellt und EFSA-Direktor Bernhard Url gar eine
‚orchestrierte Kampagne zur Diskreditierung des wissenschaftlichen
Prozesses‘ erkennen will, möchten wir mit unserer Anzeige eine
unabhängige und objektive Prüfung der Belastbarkeit unseres Gutachtens
durch ein Gericht erreichen.“
Keine unvoreingenommene Prüfung der wissenschaftlichen Fakten
Hinweise
darauf, dass das Durchführen einer unabhängigen und objektiven
Bewertung der Krebsgefahr von EFSA und BfR gar nicht beabsichtigt wurde,
finden sich in kürzlich veröffentlichten US-Gerichtsakten, auch als
„Monsanto Papers“ bekannt. Demzufolge hat die EFSA bereits am 22. Mai
2015 - also sechs Monate bevor (!) sie ihre mit Spannung erwartete
finale Bewertung der Krebsgefahr von Glyphosat veröffentlichte, und zwei
Monate vor (!) der Fertigstellung der IARC-Monographie - die US-Behörde
bereits dahingehend informiert, dass sie die IARC-Monographie im August
evaluieren und ihr widersprechen werde. Das schließt eine unabhängige
und objektive Evaluierung aus.
Verdacht der (indirekten) Einflussnahme durch Monsanto
Den
Gerichtsakten zufolge war die Kontakperson für die EFSA bei der
U.S.-EPA ausgerechnet jener leitende EPA-Toxikologe, der in U.S.-Medien
als Monsantos „Maulwurf“ bei der EPA tituliert wurde: Jess Rowland.
Dieser steht im Verdacht, mit Monsanto konspiriert zu haben. Unter
anderem soll er versucht haben, eine unabhängige Krebsbewertung von
Glyphosat durch das US-Gesundheitsministerium zu verhindern, und dies
mit Erfolg. Einer Monsanto-internen Korrespondenz zufolge hat er auch
bei der Telefonkonferenz mit den EU-Mitgliedsstaaten (TC 117) die EFSA
„auf Linie gebracht“.
Dazu
passt, dass der Toxikologe und Vorstand von PAN Germany, Peter Clausing,
schon im Mai 2017 aufdecken konnte, dass bei exakt jener
Telefonkonferenz 117 ein „Hinweis“ von Jess Rowland dazu führte, dass
die EFSA eine zentrale Krebsstudie aus ihrer Bewertung ausschloss. Eine
zufriedenstellende wissenschaftliche Begründung dafür konnte die EFSA
nicht liefern.
Rechtanwalt Dr.
Josef Unterweger stellt zu obigen Sachverhalten fest: „Wenn ein Plagiat
dazu dient ein falsches Beweismittel herzustellen, dann ist das nicht
nur eine Sache des Urheberrechts. Wenn eine Zulassungsstelle ein
unrichtiges Gutachten abgibt, dann haftet sie dafür. Das nennt sich
Amtshaftung bzw. Staatshaftung. Wenn ein Pestizid in Umlauf ist, das
ohne falsches Gutachten der Behörde schon seit Jahren nicht mehr im
Umlauf sein dürfte, dann sind die Schäden, die dadurch seither
eingetreten sind, von der Behörde zu verantworten, die das falsche
Gutachten erstellt hat.“
Aus
diesen Gründen erstatten die Umweltorganisationen GLOBAL 2000, Pesticide
Action Network (PAN) Europe, PAN Germany, PAN Italia und Generations
Futures Strafanzeige gegen BfR und EFSA.
Die
Verfehlungen beim Zulassungsverfahren von Glyphosat haben das Vertrauen
der EuropäerInnen in die Behörden und das Zulassungsverfahren
erschüttert. Eine umfassende Aufarbeitung und Aufklärung ist
erforderlich. Dies können gerichtliche Ermittlungen, aber auch
parlamentarische Untersuchungen leisten. Nur wenn dies geschieht und
auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden, lässt sich das
Vertrauen der EuropäerInnen in ihre Institutionen langfristig wieder
herstellen.