8.1.18

 

167.000 wären von Abschaffung der Notstandshilfe betroffen

Die ÖVP-FPÖ-Regierung will die Notstandshilfe abschaffen bzw. in das befristete Arbeitslosengeld integrieren und Langzeitarbeitslose künftig in die Mindestsicherung bringen.

Davon betroffen wären laut zuletzt verfügbaren Zahlen rund 167.000 Menschen in Österreich. Der Großteil davon sind Männer (101.500), geht aus Daten der Statistik Austria und des AMS für das Jahr 2016 hervor.

Notstandshilfe kann beantragt werden, sobald der Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist. Sie ist also eine Anschlussleistung an das Arbeitslosengeld. Sie kann zeitlich unbegrenzt bezogen werden, wird jedoch jeweils für längstens 52 Wochen bewilligt. Nach Ablauf dieses Zeitraums muss ein neuer Antrag gestellt werden. Die Höhe der Notstandshilfe beträgt grundsätzlich 92 Prozent des vorher bezogenen Arbeitslosengeldes. Liegt das Arbeitslosengeld (ohne Familienzuschläge) unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende (derzeit 909 Euro im Monat), beträgt die Notstandshilfe 95 Prozent des Arbeitslosengeldes.

Von den 167.000 Notstandshilfebeziehern 2016 bekamen 135.200 weniger bzw. rund 880 Euro im Monat - inklusive der Familienleistungen für Partner oder Kinder. Damit sind Notstandshilfebezieher finanziell kaum bessergestellt als Bezieher der Mindestsicherung, die im Gros der Bundesländer für Einzelpersonen bei etwa 840 Euro liegt. Mindestsicherung wird in Österreich von rund 307.500 Personen bezogen, mehr als die Hälfte (56 Prozent) lebt in Wien. Darunter fallen auch Personen, deren Notstandshilfeniedriger ist als der Betrag für die Mindestsicherung, so genannte "Aufstocker".
Das Arbeitslosengeld wird demgegenüber grundsätzlich für 20 Wochen genehmigt, sofern die Mindestbeschäftigungsdauer erfüllt ist. Dafür muss man innerhalb der letzten zwei Jahre 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig tätig gewesen sein. Die Bezugsdauer kann sich je nach Alter des Betroffenen und Dauer der vorangegangenen Beschäftigung auf bis zu 52 Wochen erhöhen. Das Arbeitslosengeld beträgt 55 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens. Im Jahr 2016 waren es laut Statistik Austria im Schnitt 31 Euro pro Tag. 2016 bezogen 146.000 Personen Arbeitslosengeld, also weniger als Notstandhilfe. Das AMS zahlte 2016 1,9 Mrd. Euro Arbeitslosengeld und 1,6 Mrd. Euro Notstandshilfe aus. Finanziert wird das aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung (ALV), die rund 6,4 Mrd. Euro betragen.

Das Vorhaben der Regierung würde bedeuten, dass aus einer zumindest indirekten Versicherungsleistung eine Transferleistung gemacht wird und steht daher im Verdacht eines neuen Hartz IV nach deutschem Vorbild. Hartz IV ist das Ergebnis einer Reform des Arbeitslosengeldes, der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe in Deutschland im Jahr 2005 durch eine Kommission unter Vorsitz von Peter Hartz.

FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger hatte sich in ihren ersten Interviews dagegen ausgesprochen, Arbeitslose nach Ende des Arbeitslosengeldes in die Mindestsicherung zu schicken, vielmehr war sie für ein unbefristetes Arbeitslosengeld. Nach einer Zurechtweisung durch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ruderte sich wieder zurück, bekräftigte aber erneut, dass es keinen Zugriff auf das Vermögen geben werde. Von der ÖVP war eine derartige Zusage bisher allerdings nicht zu hören.

Die Abschaffung der Notstandhilfe und damit die Einführung einer Art Hartz-IV-Modells in Österreich ist in der ÖVP nicht erst seit den Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ ein Thema. Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling beauftragte 2016 sogar eine Studie zur Einführung des deutschen Hartz-IV-Modells in Österreich.

In der vom Finanzministerium beauftragten Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung wurde davon ausgegangen, dass nach Bezug des Arbeitslosengeldes statt der Notstandshilfe die bedarfsorientierte Mindestsicherung als staatliche Unterstützung folgt. Ähnlich liest sich auch das schwarz-blaue Regierungsprogramm. In Deutschland bekommen Alleinstehende im Rahmen von Hartz IV 416 Euro monatlich plus Wohnungs- und Heizkosten.

Das Einsparungspotenzial für den Bund läge laut der Studie bei einer Milliarde Euro jährlich. Die Kosten würden zudem vom Bund auf die Bundesländer übertragen.

Neben dem Spargedanken ist eine Grundlage des Hartz-IV-Modells auch die Idee, Menschen, die längere Zeit ohne Beschäftigung sind, mit veränderten Zumutbarkeitsregeln wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Dazu kommt, dass die Hürden für den Erhalt von finanzieller Unterstützung nach dem Hartz-IV-System auch mit der Aufgabe fast des gesamten Vermögens verbunden sind. Also müssen etwa auch Bausparverträge aufgebraucht sein oder Eigentumsrechte an der Wohnung unter gewissen Umständen zur grundbücherlichen Sicherung übertragen werden. Auch der Besitz eines Autos ist in diesem Modell ebenfalls nicht mehr vorgesehen, es sei denn, es ist für die Berufsausübung zwingend erforderlich. Auch ein teilweiser Verlust von Pensionsansprüchen ist möglich. Gleichzeitig wurde in der Studie auf einen beträchtlichen Anstieg der Armutsgefährdung hingewiesen.

Dieses Thema könnte innerhalb der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung noch für Reibereien sorgen, denn FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger hatte zunächst klar gesagt, dass es mit ihr als Sozialministerin kein Hartz-IV geben werde und sich für ein unbefristetes Arbeitslosengeld ausgesprochen. Nach einer Zurechtweisung durch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) korrigiert sie diese Aussagen und meinte: "Der Bundeskanzler hat natürlich recht. Das Arbeitslosengeld neu soll die Notstandshilfe ablösen. Was wir noch finden müssen, ist eine Lösung, ob es sich um Arbeitslosen-oder Mindestsicherungsgeld handelt." Hartinger betonte aber, dass es keinen Zugriff auf das Vermögen geben solle.

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