28.12.18

 

Bischof Hermann Glettler über Stille Nacht, Heilige Nacht


Weihnachten ist das Fest einer Umarmung. "Als Bruder umschloss Jesus die Völker der Welt." So lautet ein Vers der vierten Strophe der ursprünglichen Fassung von "Stille Nacht, Heilige Nacht". Der Text für das "Weyhnachtslied" wurde bereits 1816 vom Hilfspfarrer Joseph Mohr gedichtet. Die Melodie komponierte der Lehrer Franz Xaver Gruber am Weihnachtstag 1818 in Oberndorf. Die Uraufführung erfolgte abends, vermutlich bei einer Krippenandacht.

Ich erinnere mich an eine unvergesslich intensive Begegnung bei einem vorweihnachtlichen Gottesdienst auf der Hospizstation. Zum Abschluss boten wir den Schwerkranken eine persönliche Segnung an - mit Handauflegung. Ich kam nach einigen Patienten zum Bett einer Frau, die von Krebs im Endstadium gezeichnet war. Sie zog mich mit allerletzter Kraft zu sich hin - mit der leisen Frage, ob ich sie nicht umarmen könnte. Überrascht und zutiefst berührt habe ich ihrem Wunsch entsprochen. 

Eine herzliche Umarmung auf einer Hospizstation. Hospizeinrichtungen sind ganz besondere Orte. Nirgendwo steht einem die Schönheit und Zerbrechlichkeit unseres Lebens deutlicher vor Augen. Die verbleibende Lebenszeit wird für die Betroffenen und ihre Angehörigen, Partnern und Kindern meist zu einer wertvollen Schule menschlicher Verbundenheit und Dankbarkeit. Verbundenheit trägt und nimmt Angst. 

Jesus "in Menschen-Gestalt", wie es in einer weiteren Strophe des Liedes heißt, das in fast alle Sprachen übersetzt wurde. Jesus in Menschengestalt ist die ersehnte Verbundenheit unter uns. Wir alle sind Geschwister, unabhängig von unseren kulturellen Prägungen, Weltanschauungen, Religionsbekenntnissen oder anderen Zuordnungen. 

Weihnachten bedeutet, sich von Gott umarmen zu lassen. Diese Umarmung nährt die Seele. Sie tröstet und heilt. Und: Wer sich umarmen lässt, kann auch andere umarmen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein berührendes Weihnachtsfest!

 

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