7.6.20

 

Der fatale Preis der Einigkeit

Es ist so weit: Frau von der Leyen hat mit großem Pomp einen „Wiederaufbau-Plan“ für Europa bekannt gegeben. Es gälte, mit 1,85 Billionen Euro die Schäden einer Art Dritten Weltkriegs (so klingt das pathetische Schmalz der Ankündigung) wiedergutzumachen. Man kann es nüchterner sehen: Es wird schlechtem Geld erneut gutes nachgeworfen. Die aufgenommenen Schulden (750 Mrd. €) sollen ab 2028 dreißig Jahre lang, mit 25 Mrd. Euro/Jahr (fast ein Fünftel des derzeitigen EU-Budgets), getilgt werden. Woher diese Gelder kommen sollen, ist Gegenstand realitätsfremder Träume. Eine bittere eigene Erfahrung: Steckt man Herzblut in ein Projekt, das nicht und nicht fliegen will, passiert es nur allzu leicht, dass man immer wieder nachschießt, ohne Fortschritte zu bewirken. Nach einem letzten verzweifelten Zuschuss gibt man auf – und alles ist futsch. In der Rückschau zeigt sich, dass es besser gewesen wäre, das Projekt erst gar nicht zu starten. Dieser Ablauf ähnelt der Steigerung einer Sucht. Erst wird ein Joint probiert, dann Kokain. Mit dem Umstieg auf harte Drogen stellt sich die totale Abhängigkeit ein. Am Ende steht der goldene Schuss. Begonnen hat ein derartiges Suchtgeschehen in der EU mit Kommissar a.D. Verheugens großspuriger Ansage: „Europa an die Weltspitze!“ (2005). Seither haben uns Griechenland-Pleite, Eurokrise, Italiens Beinahe-Konkurs und etliche milliardenschwere Rettungsschirme eines Schlechteren belehrt. Mit dem gigantomanischen „Wiederaufbau-Plan“ der EU wird der nächste verzweifelte Schritt gesetzt. Es könnte der letzte sein. 

Das Coronavirus deckt erbarmungslos verborgene Schwächen auf. Während mittel- und nordeuropäische Staaten ihre Probleme mühsam ausbalancieren, liefern andere ein beklagenswertes Bild. Neben dem schamhaft verschwiegenen Umstand, dass die Seuche durch Tausende illegal beschäftigte Chinesen in Norditalien eingeschleppt worden war, zeigte sich, dass die dortigen Verhältnisse katastrophal darniederlagen. Ein erschreckendes Bild präsentieren auch die USA. Mehr als 1,6 Millionen Infizierte, über 100.000 Tote weist die jüngste Bilanz aus. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist die höchste aller Industriestaaten, die Arbeitslosenrate liegt derzeit bei 20%, Stellungslose und Kranke stehen vor dem Nichts, das Land steht in Flammen. Die Börsenkurse aber steigen mit der Aussicht auf unbegrenzt künstlich erzeugtes Geld. Auch auf dem alten Kontinent rasselt die Falschmünzer-Maschinerie. Bisher wurden mit Milliardenaufwand Banken und Anleger, die sich in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal verzockten, auf Kosten der Sparer und Rentner in den Geberländern von ihren Sorgen erlöst und in den Genuss hoher Zinsen versetzt: Die EU-Bürger übernahmen ungefragt das Risiko. Aufkäufe von Anleihen der Azzurri durch die EZB plus EU-Zuschüsse erreichen die Höhe eines kompletten italienischen Staatshaushalts: Italia wird zum Adoptivland der EU-Nettozahler. Erneut gilt es, wirtschaftliche Versäumnisse mit geliehenem Geld auszugleichen. Da Corona-Bonds nicht durchsetzbar waren, bedient man sich eines Taschenspielertricks. Die EU soll sich mit insgesamt 750 Milliarden verschulden und die geliehenen Gelder samt zusätzlicher gewaltiger Summen verteilen. 

Jede Kontrolle über die Verwendung der Hilfsgelder lehnt Italien ab

Dass dies allen bisherigen Verträgen widerspricht, ficht die Brüsseler Gaukler nicht an. Als Vorwand für die gigantische neuerliche Umverteilung dient die angeblich unvermeidliche Rettung Italiens und Spaniens aus dem Strudel des Corona-Debakels. Dieses, so sagt man, würde auch die reicheren Staaten in den Abgrund reißen. Diese Sorgen sind leider nicht unbegründet. Wer aber hat die Suchtspirale in Gang gesetzt? Seit vielen Jahren schon kauft die Europäische Zentralbank Anleihen aus südlichen Ländern um Hunderte Milliarden auf, um deren Staatsfinanzen zu stützen. Milliardenschwere Rettungsschirme wurden aufgespannt, um notleidende Staaten (Griechenland, Portugal, Spanien und Zypern) vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Schnell gewöhnte man sich an die wohlige Geldflut und tat nichts, um strukturelle Probleme zu lösen und Schulden zu tilgen. Resultat: Italien und Griechenland werden alsbald mit rund 160 bzw. 200 Prozent des BIP schlechter dastehen als vorher. Ernüchternd ist der Umstand, dass der durchschnittliche Besitzstand der Italiener mit € 82.700,– deutlich höher ist als jener der Deutschen (€ 31.780,–). Dies ist einer Regierung zu verdanken, die es verabsäumt, Steuern gerecht und streng einzuheben. Die Frage bleibt, wann das üble Spiel zu einem Ende kommt, weil es nicht mehr durchzuhalten ist, und der finale goldene Schuss alle Beteiligten miteinander in den Abgrund reißt. Bisher wurde das Versagen einiger Regionen gleichmäßig auf alle anderen verteilt und das gemeinsame wirtschaftliche Leistungsniveau gesenkt, was z. B. die UdSSR unseligen Angedenkens 1989 nach langem Ringen zerstörte. Man hat sich in Abhängigkeit von Schuldnern begeben, die unversehens so groß wurde, dass man jetzt tropfnass im gleichen löchrigen Boot sitzt. Ohne zu erreichen, dass die Lecks von den Verursachern gestopft werden, saufen wir in solidarischer Milde gemeinsam ab und bleiben im Wettbewerb mit den Asiaten immer weiter zurück. Einen Großteil der enormen Rechnung bezahlen übrigens Sparer und Rentner: Es wird auf den Sparbüchern weiter zu einer noch nie da gewesenen Entwertung der Kaufkraft kommen.
Immer mehr gutes, sauer verdientes Geld versickert zur Abdeckung fruchtloser Stützungen des Südens. Auf der Strecke bleibt hierzulande das Vorantreiben von Forschung und Entwicklung, die Ausbildung der Jugend, der Aufbau strategischer Reserven, die Verbesserung der Selbstversorgungsquote und vieles mehr. Nicht zu vergessen ist dabei das gigantische Loch, das die Corona-Krise in die Budgets der Geberländer reißt. Erste Schätzungen beziffern den Schaden allein für Österreich mit bis zu 50 Mrd. Euro. Dazu kämen noch die erwähnten ungeheuren Transfersummen. Hinter dem ganzen Billionentreiben steht, als Gipfelpunkt des Anschlags, die impertinente Absicht, jetzt, da alle unter dem Corona-Schock stehen, die Brüsseler Zentralmacht mit einem Paukenschlag endgültig unumkehrbar zu machen. Was tun? Ohne Zweifel muss man den geplagten Mitbürgern im Süden in ihrer Not helfen. Ohne im Einzelnen begründete und im Zuge des Einsatzes scharf kontrollierte Verwendung der Gelder kann es aber keine Kredite, geschweige denn verlorene Zuschüsse geben. Die Mittel, die verliehen werden, sollten dort nicht z. B. für die Finanzierung von Frührenten und die Verstaatlichung einer flügellahmen Airline verwendet werden. Was für eine gut geführte Bank gilt, zählt erst recht für eine Regierung: Die Gelder und deren korrekte Verwendung müssen sorgfältigster Kontrolle unterworfen werden. Dies schreibt der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), den Italien scheut wie der Teufel das Weihwasser, genau vor. Es ist höchste Zeit, diese Regeln im leckenden Boot anzuwenden, bevor es endgültig absäuft.

Klaus Woltron - Quergedacht

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