17.1.15

 

Der Gott des Gemetzels in der Stadt ohne Gott

Der Dschihad ist endgültig in Europa angekommen. Der Schrecken von Paris trifft mitten in die Illusionen laizistischer Gemütlichkeit. Wie frei ist die Freiheit des Abendlandes ohne ernsthafte Religion Christentum?

Woher diese Erregung der Massen, in Frankreich - und teilweise in anderen Ländern? Nach den Attentaten islamischer Terroristen in New York, Madrid oder London gingen nicht Millionen protestierend auf die Straßen, obwohl damals mehrere tausend Menschen umgebracht wurden. Und in Amerika wurde seinerzeit interreligiös für die Opfer gebetet, jetzt überwiegend bloß demonstriert. Sogar viele Staatsmänner und die weltweit mächtigste Staatsfrau gingen anlässlich des ergreifenden Trauer- und Bekenntnismarschs in die Hauptstadt des Laizismus, um in einem Symbolbild ihre Abscheu gegenüber den Verbrechen „Heiliger Krieger“ zu bekunden. Der Anschlag auf die sogenannte Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ wurde als Angriff auf die westlichen Werte, die westliche Freiheit begriffen. Der Überfall auf ein jüdisches Geschäft mit mehreren Toten ging in der quasi-hysterischen Aufmerksamkeit für das in der Auflage schwächelnde Magazin ziemlich unter.

Die jetzige Unruhe der Staatsmächtigen, die nicht mehr mit Rhetorik zu überspielen ist, treibt sie zu unüblichem Verhalten. Der Grund ist die abgrundtiefe politische Hilflosigkeit und Ratlosigkeit angesichts des Dschihad, der global seine Kreise zieht und nun das Abendland erfasst. Zwar sucht man nach Schuldigen, um abzulenken. Geheimdienste werden auf Versagen hin durchleuchtet, als ob es sich bei der radikalislamischen Bewegung um etwas handele, das man gut mit technokratischen Sicherheitsmitteln bekämpfen könne. Schärfere Überwachung der elektronischen Kommunikation zur Vorbeugung als logische Konsequenz? Nein danke!, regt sich schon wieder empörter Widerspruch im Namen der Freiheit gegen andere Freiheit. Das Absurde und Tragische ist und bleibt eben Teil der Politik und einer stets im Dilemma gefangenen Welt struktureller Sündenverfallenheit.

Was aber hält Gesellschaften wirklich zusammen, wenn es nicht mehr der Glaube ist, der zusammenhält? Allenfalls noch ein Lippenbekenntnis der Verantwortung vor Gott und den Menschen, begleitet von einem vagen Verfassungspatriotismus und Rechtspositivismus diffuser Werte, in denen jederzeit jeder durch einen anderen relativiert werden kann, auch ohne Zwei-Drittel-Mehrheit? Längst ist ja über Bord geworfen, was einmal als unhintergehbar schützenswert galt. Sterbehilfe und Abtreibung contra Unverletzlichkeit der Würde jedes Lebens; die Auflösung der lebenslangen Einehe zugunsten des Werts der freien sexuellen Liebe; Selbstverwirklichung als Recht zur Bereicherung der Reichsten in einem zügellos spekulativen Finanzkapitalismus, zur Kapital- und Immobilienakkumulation gegen die Gleichheit sozialer Verteilungsgerechtigkeit zur Wiederherstellung subsidiärer Chancengerechtigkeit; schließlich die Freiheit zum Spott über das Heilige und zur Verhöhnung derer, die sich um Heiligkeit bemühen, als Inbegriff „aufklärerischer“ Geisteskultur und Freiheit.

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