9.6.15

 

Gesellschaft im Abgrund – Kirche im freien Fall

Bis auf wenige Ausnahmen schweigen die Hirten zu den ernsten Vorgängen unserer Gesellschaft. kath.net-Kommentar von Prof. Hubert Windisch

Regensburg (kath.net) Der rasante kulturelle Zusammenbruch unserer Gesellschaft muss erschrecken. Für die Gestaltung des konkreten Lebens auf vielen Ebenen scheint uns der lange Atem abhanden gekommen zu sein, durch den erst Kultur entstehen kann. Oberflächliches Kalkül bestimmt weithin das, was man früher durchaus auch geschichtliche Verantwortung nannte: in der Politik, in der Wirtschaft und auch in der Kirche. Man kann als Beleg dafür u. a. zwei dümmliche Aussagen anführen, die da lauten: Der Islam gehört zu Deutschland. Und: Stirbt der Euro, stirbt Europa. Der erste Ausspruch verkennt die christliche Wertegrundlage Europas auf sträfliche Weise und wird einem grundsätzlich gewaltbereiten Islam willkommen sein, das abzuschaffen, wofür diejenigen zu stehen glauben, die solche Aussprüche von sich geben. Der zweite Ausspruch ist eigentlich nur die flache, monetär gefärbte Variante der Herkunfts- und Richtungslosigkeit des ersten Ausspruchs.

Dieser kurzatmige, herkunfts- und richtungslose desolate Zustand, in dem sich unsere Gesellschaft befindet, wird noch drastischer und grundlegender deutlich, wenn man die politisch dreisten Bemühungen um die Installierung frühkindlicher Sexualisierung in Kindergärten und an Schulen durch die vom Genderwahn geprägten Bildungspläne zur Hand nimmt. Was hier geschieht, ist nichts anderes als staatlich gewollter und geförderter Missbrauch von Kinderseelen, der letztlich dazu führt, dass man später bekämpfen muss, was man erzeugt. Wenn aber ein Staat erzeugt (orientierungslose Frühesexualisierung), was er später gesetzlich regeln muss (sexuelle Verhaltensstörungen), dann ist ein Staat schizophren und zerfällt. Vollends ausgeprägt zeigt sich diese staatlich-gesellschaftliche Haltlosigkeit in der augenblicklichen Debatte und Erregung in Bezug auf die sogenannte Homo-„Ehe“. Wer leugnet, dass Mann- und Frausein ein Grunddatum der menschlichen Gesellschaft ist und dass nur das Miteinander von Mann und Frau als Ehe bezeichnet und geschützt werden darf, zerstört das Fundament einer Gesellschaft. Christlich gesprochen vergisst man darüber hinaus, dass in der Andersheit der Geschlechter und in der damit gegebenen fruchtbaren Spannung letztlich der ganz Andere, Gott selbst, aufscheinen, ja aufleuchten möchte. Nur in dieser Andersheit ist das bewertende Maß und auch die helfende Orientierung für andere sexuelle Phänomene gegeben.

Unsere Gesellschaft taumelt in einen Abgrund, und die Kirche torkelt mit. Bis auf wenige Ausnahmen schweigen die Hirten zu den kurz angedeuteten ernsten Vorgängen. Dagegen erheben unbedeutende, legitimationsarme Gremien ihr zerstörerisches Wort und sind Professoren an Theologischen Fakultäten, diesen am Staatstropf hängenden Ineffizienzkonstrukten, eher Verwirrer denn Bekenner. Aber was soll man noch erwarten, wenn bei einer Pfingstpredigt selbst eines Kardinals Bierzeltrhetorik einkehrt? Dabei hatte man gehofft, dass nach dem Vorsitz der Bischofskonferenz unter Erzbischof Zollitsch theologisch eigentlich keine dünneren Bretter mehr gebohrt werden könnten. Diese Hoffnung wird allenthalben enttäuscht. Die Hirten der Kirche scheinen, wiederum bis auf wenige Ausnahmen, wie gefesselt, aber nicht von Fesseln, von denen Paulus in der Apostelgeschichte (28,20) spricht: „Um der Hoffnung Israels willen trage ich diese Fesseln“, bekennt er vor führenden Juden in Rom. Die katholische Kirche in Deutschland hat sich in ökumenischer Offenheit wie die EKD die Fesseln einer vorauseilenden Anerkennungs- und Anpassungsunterwerfung unter die politisch korrekten Vorgaben des Staates (und damit auch der Politik) und der Gesellschaft angelegt und wird wohl über kurz oder lang von demselben Urteil wie die EKD getroffen werden, das der Journalist Gunnar Schupelius aufgrund des Besuches eines evangelischen Pfingstgottesdienstes in Berlin in der Berliner Zeitung vom 28. Mai 2015 fällte: „Die Kirche wird in Berlin und Brandenburg gar nicht mehr als wichtig eingestuft, ihre Stimme ist nicht gefragt, man ärgert sich noch nicht einmal über sie.“

Können wir noch etwas tun? Es gibt einige durchaus praktikable Strohhalme der Rettung, die in unseren Händen liegen:

- Zuallererst muss in einem geistlichen Intensivprogramm die Geheime Offenbarung neu gelesen und ernst genommen werden. Unsere Lage ist dramatisch wie damals. Das letzte Buch der Heiligen Schrift bewahrt uns davor, uns im Spannungsverhältnis von Kirche und Welt in die eigenen Taschen zu lügen.

Mehr

Kommenare:

Ein wohltuend guter Kommentar von Prof.Windisch. Wohltuend, da ich manchmal schon denke, ich sei allein mit meiner kritischen Haltung zu all den "Neuerungen" unseres Lebens. Vieles von dem was heute alltäglich ist und zu unserer Wirklichkeit gehört, "begleitet" mich schon seit Teenagertagen, denn schon damals beobachtete ich das Treiben der sog. 68er. Und schon als Teenager erfasste ich deren totalitäres Denken, auch wenn es als Kampf um "Freiheit" deklariert wurde, gemeint war aber nur die eigene Freiheit, anderen alles vorzuschreiben! Was mich über all die Jahre am meisten erstaunte, war der Erfolg dieser Links-Grünen-Protagonisten, die sich quer durch alle Institutionen unserer Gesellschaft einquartierten, leider auch in die katholische Kirche. Und so steht unser Land heute am Abgrund, wird von größtenteils islamischen Einwanderern überrannt, blutet finanziell aus, verliert seine Kultur, seine Moral.

MariaAnna
 
 So lange der Glaube immer mehr verdunstet, so lange Wahrheiten innerhalb der Kirche immer mehr verschleiert und verdunkelt werden, so lange wird auch der äußere Rahmen, den Prof. Windisch anspricht, bestehen bleiben.
Änderungen wird es nur geben, wenn die Kirche sich verändert; wenn der Glaube in den Gemeinden wieder aktiver gelebt wird, der sonntägliche Besuch wieder zunimmt und Priester wieder zu Hirten werden und nicht als Funktionäre wirken.
 chriseeb74

Es ist eine geschichtliche Erfahrung, dass Strukturen, die nicht mehr reformierbar sind, untergehen müssen. Dann erst können neue Triebe am Weinstock emporkommen. Jetzt müssen sich Inseln des Glaubens sammeln. Das ist möglich.
hortensius
 


Comments: Kommentar veröffentlichen

<< Home

This page is powered by Blogger. Isn't yours?