7.4.16

 

PANAMA PAPERS - Die Geheimnisse des schmutzigen Geldes

Vor über einem Jahr kontaktierte eine anonyme Quelle die Süddeutsche Zeitung und übermittelte auf verschlüsseltem Weg interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca. Eine Firma, die weltweit anonyme Briefkastenfirmen verkauft, mit deren Hilfe sich wiederum so ziemlich alle Geschäfte verschleiern lassen. Auch die schmutzigen.

Aber es blieb nicht bei ein paar Dokumenten. Es wurden über die Monate mehr, bis am Ende rund 2,6 Terabyte Daten im Besitz der SZ waren: Das größte Leak, mit dem Journalisten je gearbeitet haben. Die Quelle verlangte dafür kein Geld und keine Gegenleistung, außer ein paar Maßnahmen zur Sicherheit.

Die Daten geben einen seltenen Einblick in eine Welt, die eigentlich nur im Verborgenen existieren kann. Sie belegen, wie eine globale Industrie, angeführt von großen Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern, die Besitztümer von Politikern, Fifa-Funktionären, Betrügern und Drogenschmugglern, aber auch von Milliardären, Prominenten und Sport-Stars in aller Verschwiegenheit verwaltet.

Die Kooperation

Die Süddeutsche Zeitung hat sich dafür entschieden, die Dokumente gemeinsam mit dem International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) auszuwerten. Das ICIJ hatte zuvor bereits die Recherchen an Projekten wie Offshore-Leaks, Lux-Leaks und Swiss-Leaks koordiniert, an denen die SZ auch beteiligt war. Panama Papers ist die größte bislang dagewesene grenzüberschreitende Zusammenarbeit dieser Art: Rund 400 Journalisten von mehr als 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern recherchierten in den vergangenen zwölf Monaten in den Dokumenten. Darunter waren zum Beispiel Teams des Guardian und der BBC in England, von Le Monde in Frankreich und La Nación in Argentinien. In Deutschland arbeiteten Journalisten von SZ, NDR und WDR mit, in der Schweiz die Sonntagszeitung, in Österreich das Wochenmagazin Falter und der ORF. Das genaue Vorgehen wurde bei mehreren Treffen in Washington, München, London und Lillehammer abgestimmt.

Die Daten

Die Panama Papers umfassen 11,5 Millionen Dokumente - mehr als die von Wikileaks veröffentlichten Botschaftsdepeschen, Offshore-Leaks, Lux-Leaks und Swiss-Leaks zusammen. Hauptsächlich handelt es sich um E-Mails, PDFs und Fotodateien sowie Auszüge aus einer internen Datenbank von Mossack Fonseca. Die Daten reichen von den 1970er-Jahren bis ins Frühjahr 2016.

Die Süddeutsche Zeitung überprüfte die Authentizität auf vielfache Weise, etwa durch den Vergleich mit öffentlichen Registern, Zeugenaussagen und Gerichtsurteilen. Hinzu kommt: Bereits vor gut zwei Jahren hatte ein Whistleblower den deutschen Behörden interne Daten von Mossack Fonseca verkauft. Dieser Datensatz ist wesentlich älter und erheblich kleiner - es handelt sich offenbar um Daten zu lediglich ein paar hundert Offshore-Firmen. Dadurch war es den SZ-Journalisten aber möglich, einen Teil der Dokumente abzugleichen.

Aufgrund der von den Behörden gekauften Daten durchsuchten Fahnder im vergangenen Jahr die Wohnungen und Büros von etwa 100 Personen, auch bei der Commerzbank fand eine Razzia statt. In der Folge erklärten sich die Commerzbank, die HSH Nordbank sowie die Hypovereinsbank wegen der Geschäfte mit Mossack Fonseca zu Strafzahlungen in Millionenhöhe bereit. Mittlerweile haben auch andere Länder Daten aus jenem kleineren Fundus erworben, etwa die USA, Großbritannien und Island.

Das System

Die Struktur der geleakten Daten sieht so aus: Für jede Briefkastenfirma hat sich Mossack Fonseca einen Arbeitsordner angelegt. Darin befinden sich E-Mails, Verträge, Abschriften, eingescannte Dokumente und weitere Schriftstücke, die mit der jeweiligen Offshore-Firma in Verbindung stehen. Manchmal mehrere tausend Seiten. Um den Berg an Dokumenten überhaupt durchsuchen zu können, mussten die Dateien zuerst indiziert, also systematisch erfasst werden. Die Süddeutsche Zeitung nutzte hierfür das Programm Nuix, mit dem auch internationale Ermittlungsbehörden arbeiten. Auf hochleistungsfähigen Rechnern brachten die Süddeutsche Zeitung und das ICIJ Millionen Dokumente in eine maschinenlesbare – und vor allem leicht durchsuchbare - Form. Dieser Prozess nennt sich "optical character recognition" (OCR), optische Zeichenerkennung. Aus Bildern - eingescannten Ausweise, unterschriebenen Verträge - wurde recherchierbarer Text. Dieser Schritt war wichtig, damit die Journalisten einen möglichst großen Teil der Daten ähnlich wie bei Google über eine einfache Suchmaske durchforsten konnten.

Durch die digitale Aufbereitung war es möglich, die Daten mit Hilfe von Listen zu durchsuchen - wichtige Politiker, internationale Verbrecher, bekannte Sportstars. Die Liste „Parteispenden-Affären“ umfasste am Ende 130 Namen, die UN-Sanktionsliste mehr als 600. In wenigen Minuten glich der mächtige Such-Algorithmus die Listen mit den 11,5 Millionen Dokumenten ab.

Die Recherche

Mit jedem gefundenen Namen begann eine aufwändige Recherchearbeit: Welche Rolle spielt die Person in dem Firmengeflecht? Woher kommt das Geld? Wohin fließt es? Ist das Konstrukt legal?Generell gilt nämlich: Der Besitz einer Offshore-Firma ist für sich nicht illegal. Es gibt auch eine Reihe von Geschäften, für die es logisch erscheint, zu einer Offshore-Firma zu greifen. Aber wer sich in den Panama Papers umsieht, stellt sehr schnell fest, dass es in der überwältigen Zahl der Fälle vor allem um eines geht: die Verschleierung der wahren Inhaber der Firmen. Das erschwerte auch die Arbeit der Journalisten. Oftmals halten die Vermittler der Offshore-Firmen – Banken, Anwälte, Vermögensberater – den Namen der Kunden nämlich geheim oder setzen Strohmänner ein. Tausenden Spuren gingen die Journalisten innerhalb der internationalen Kooperation nach und prüften Belege, studierten Verträge und sprachen mit Experten.

Tatsächlich finden sich unter den teilweise kriminellen Kunden Mossack Fonsecas Mitglieder diverser Mafia-Banden, Spuren zu Bestechungsskandalen und korrupten Staats- und Regierungschefs. Der spektakulärste Teil der Unterlagen ist der über die mutmaßlichen Offshore-Firmen von zwölf aktuellen und früheren Staatschefs – sowie Spuren zu Dutzenden weiteren Spitzenpolitikern, ihren Familien, engsten Beratern und Freunden. Daneben finden sich fast 130 weitere Politiker aus der ganzen Welt unter den Kunden der panamaischen Kanzlei, darunter viele Minister.

Die Firma

Die Firma im Zentrum aller Geschichten ist Mossack Fonseca, der panamaische Offshore-Dienstleister, der in Dutzenden Büros auf der ganzen Welt, etwa in Zürich, London oder Hongkong, seine Briefkastenfirmen verkauft. Für gar nicht mal so viel Geld, oft nur 1000 Dollar, bekommt man eine anonyme Firma, die zu diesem Zeitpunkt nur eine bloße Hülle ist. Gegen Aufpreis stattet Mossack Fonseca diese Firma mit sogenannten Scheindirektoren aus und verschleiert auf Wunsch auch den wahren Inhaber der Aktien dieser Firma. So bekommt man eine Offshore-Firma, deren Sinn und Eigentümer von außen nicht festzustellen sind. Mossack Fonseca hat Zigtausende dieser Firmen gegründet, verkauft und verwaltet. Die Dokumente geben ein detailliertes Bild davon ab, wie Mossack Fonseca Tag für Tag Sanktionsbrüche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Kauf nimmt.


Mehr

Video: So geht es!

ARD Doku  PanamaPapers – Im Schattenreich der Offshorefirmen

ZAPP Eine Quelle - 400 Journalisten




Digital.Leben

Anfang April haben die Enthüllungen rund um die Panama Papers für großen Wirbel gesorgt: Das internationale Journalistennetzwerk ICIJ – aus Österreich waren der ORF und der Falter dabei - hat dank eines Datenleaks Millionen von Dokumenten über Briefkastenfirmen und fragwürdige Finanzdeals ausgewertet. Die 11,5 Millionen Dokumente umfassen vier Millionen Emails, aber auch Faxnachrichten, Briefe und Kreditverträge, insgesamt 2,6 Terabyte an Daten.

Suchen lernen

Vermutlich mehrere hunderte oder wohl eher tausende Emails von Banken, Firmen und Anwälten hat Jakob Weichenberger seit August 2015 gelesen. Der Datenjournalist der Zeit im Bild ist einer der ORF-Kollegen, die vergangenen Sommer erstmals Zugang zu den Panama Papers erhielten. Die Recherche lief über eine große Datenbank des Journalistennetzwerks ICIJ, am Anfang war es ein eher wildes Suchen nach Begriffen, zum Beispiel nach Austria/ Österreich, erzählt Jakob Weichenberger: „Eines der ersten Dinge, die ich gesucht habe, war ein ehemaliger österreichischer Finanzminister. Allein für Österreich bekommt man 20.000 Treffer, das heißt jetzt nicht, dass es 20.000 Offshore-Companies gibt, also muss man die Suchbegriffe verfeinern und das haben wir mit der Zeit gelernt.“

Metadaten und Netzwerkanalyse

Man sucht die Nadel im Heuhaufen von Emails, Faxnachrichten und auch Bilddateien, die dank optischer Zeichenerkennung durchsuchbar waren, erzählt Jakob Weichenberger. Es sind die Metadaten, die dabei helfen, Verbindungen und Muster zu rekonstruieren, also die Namen von Städten oder Treuhändern, die Adressen oder Postleitzahlen in Rechnungen oder der Zeitstempel. Dank eines Netzwerkanalyse-Tools des ICIJ konnten sich die Journalisten diese Metadaten genauer ansehen. Ein weiteres Tool, das die Kollegen von ORF und Falter bei ihrer Recherche verwendet haben, war eine Listensuche, bei der man eine Liste mit Suchbegriffen hochladen konnte und eine Liste mit Treffern zurückbekommen hat. „Wir haben verschiedene Kombinationen von Begriffen hochgeladen“, erzählt Jakob Weichenberger, „zum Beispiel österreichische Postleitzahlen und alle österreichische Ortschaften. Diese Trefferliste haben wir uns dann wieder angeschaut und da entstehen dann Muster und Cluster.“ Jakob Weichenbergers Kollege Günther Hack von orf.at hat auf diese Art und Weise zum Beispiel eine interessante Ansammlung von Rechnungen gefunden, die an die Hypo in Vorarlberg geschickt wurden, „es war einfach auffällig, dass sehr viele Rechnungen an die Hypo in Bregenz adressiert waren.“

Raus aus der Datenbank

Jakob Weichenberger und seine ORF und Falter-Kollegen haben nicht nur parallel in der Datenbank gearbeitet, sondern sich auch offline in einem Recherchebüro getroffen. Auch um die Geschichten der Briefkastenfirmen erzählen zu können, braucht es den Schritt raus aus der Datenbank in die richtige Welt. Denn in den Dokumenten, Emails und Gründungsurkunden finde man oft nicht den Zweck, für den die Firma tatsächlich eingerichtet wurde. „Oft wissen wir nur, dass die Firma gegründet, aufrechterhalten und dann wieder gecancelt wurde. Und dazwischen findet man eine Anforderung für beispielsweise ein Certificate of Good Standing- eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, die braucht man üblicherweise um ein Bankkonto zu öffnen. Was aber über das Bankkonto gelaufen ist, wissen wir anhand dieser Daten nicht. Und da wird’s dann spannend das mit Ereignissen aus der realen Welt abzugleichen.“

Suchen als Sucht

Auch mit den anderen knapp 400 Journalisten des Recherchenetzwerks war der ZIB-Datenjournalist Jakob Weichenberger in Kontakt. „Einer der netten Ratschläge, die im Journalistenforum gestanden sind, wo sich alle ausgetauscht haben, war: Wenn du nicht schlafen kannst, häng in der Datenbank herum. Und das hab ich tatsächlich öfters gemacht. Mit der Zeit ist das Eingeben von neuen Suchbegriffen in der Datenbank für mich fast zur Sucht geworden.“ Eine Sucht mit positiven Ergebnissen: Die beiden in der Datenbank vorkommenden Banken aus Österreich, die Hypo Vorarlberg und die Raiffeisen Bank International werden jetzt von der Finanzmarktaufsicht geprüft.

 


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