11.6.16

 

Forscher: Stille ist viel wichtiger für Dein Gehirn als Du denkst


Die Welt schläft nie, die Kabel und die Satelliten schlafen nie. Alles wird immer lauter, immer greller, immer schneller.
Doch unser Gehirn ist dafür nicht gemacht, es stammt aus einer Zeit, als es noch Lagerfeuer gab und klare Sternenhimmel und echte Ruhe.
Das heutige Leben hingegen ist, als hätte uns jemand einen riesigen Trichter ins Gehirn gesteckt und würde pausenlos Tonnen an Tönen, Bildern, Daten, Anforderungen und Aufforderungen hineinkippen.
Es ist zu viel, viel zu viel. Die Folge: Uns kommt es zu den Ohren raus, wir sind gestresst, unkonzentriert, fahrig, erschöpft, werden krank.
Zum Glück gibt es ein Mittel, das gegen diese Überforderung hilft:
Die Stille.
Wie wichtig und wie wirksam bereits ein paar Minuten Stille für uns sind, das bestätigt auch die Hirnforschung. Hier vier gute Gründe, uns ab heute ein bisschen mehr davon zu gönnen:

1. Stille befreit uns von Stress und Anspannung

LAUTE Geräusche lassen unseren Blutdruck ansteigen, erhöhen das Risiko für Herzinfarkte und beeinträchtigen unsere gesamte Gesundheit. Sie aktivieren die Amygdala im Gehirn, die daraufhin das Stresshormon Cortisol ausschüttet. Der Umweltpsychologe Dr. Craig Zimring hat diese Effekte 2004 auch auf Neugeborenen-Stationen im Krankenhaus wiedergefunden – je lauter, desto gestresster und kränker waren die Babys und desto schlechter schlafen sie.
Stille bewirkt das Gegenteil. Einer Studie aus 2006 nach können uns schon zwei Minuten Stille deutlich entspannen, den Blutdruck senken und den Blutfluss im Gehirn stimulieren – und das sogar mehr als jede Entspannungsmusik.

2. Stille füllt unsere mentalen Ressourcen wieder auf

So oft Reize auf unser Gehirn einströmen, so gut tut es ihm, wenn dieser Strom mal unterbrochen wird. Wenn es könnte würde es dann wohl Freudensprünge in seiner Suppe machen.
Die Reize ununterbrochen verarbeiten zu müssen, belastet den präfrontalen Kortex nämlich sehr, unsere Aufmerksamkeitsspanne leidet darunter, ebenso unsere Fähigkeit, komplexe Dinge zu durchdenken, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Je länger wir dem Gehirn keine Pause gönnen, desto müder und unmotivierter wird es und desto schneller lässt es sich ablenken.
Deshalb können Studien zufolge Kinder, deren Wohnräume oder Klassenzimmer in der Nähe von Autobahnen, Flughäfen oder Zugstrecken liegen, schlechter lesen, ihre ihre kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten entwickeln sich langsamer.
Es ist ein bisschen wie beim Abholzen von Wäldern: Wenn man nur lange genug keine Pause macht, ist irgendwann alles totes Land.
Die gute Nachricht: Der Attention-Restoration-Theorie nach erholen sich unsere kognitiven Ressourcen dann, wenn wir in eine Umgebung eintreten, die uns mit weniger Reizen als üblich konfrontiert. Dann muss es weniger Informationen nach wichtig und unwichtig sortieren. Ein Spaziergang im Park, fünf Minuten in den Keller gehen und die Wand anstarren, was auch immer – Hauptsache, es ist weniger los als sonst.

3. In der Stille können wir besser und kreativer denken

Im Gehirn gibt es ein sogenanntes Default Mode Netzwerk („Ruhezustandsnetzwerk“ oder „Standardnetzwerk“) – eine Gruppe von Hirnregionen, die dann aktiv werden, wenn es gerade keine bestimmte Aufgabe zu lösen hat und nicht durch Reize wie Geräusche stimuliert wird. Etwa dann, wenn wir meditieren, fantasieren oder unsere Gedanken einfach schweifen lassen.
In diesem Modus können wir viel besser zugreifen auf unsere Emotionen und Erinnerungen, unsere Ideen und Gedanken. Reflektieren fällt uns leichter. Wir erkennen den Sinn – die Zusammenhänge in unserem Leben – eher und können uns besser in andere Menschen hineinfühlen. Kreativer sind wir dabei ebenfalls.
Es ist, wie der schottische Philosoph Thomas Carlyle schrieb: „In der Stille werden die wahrhaft großen Dinge geboren.“
Dafür müssen wir jedoch den Stecker ziehen und uns für eine Weile von den Ablenkungen frei machen.

4. In der Stille wächst das Gehirn

… und zwar wortwörtlich. Neue Hirnzellen entstehen (keine Angst, es wird nie so groß, dass es aus dem Schädel platzt).
2013 gab es eine Studie mit Mäusen, in der der Einfluss verschiedener Geräusche auf die Gehirne der Nager untersucht wurde: Umgebungsgeräusche, besonders hohe Geräusche, Hundejaulen sowie Stille. Eigentlich sollte die Stille nur als Unterscheidungsmerkmal der Kontrollgruppe dienen. Tatsächlich fanden die Forscher, dass zwei Stunden täglicher Stille neue Zellen im Hippocampus der Mäuse wachsen ließ, jener Hirnregion, die mit dem Lernen, dem Gedächtnis und Emotionen verknüpft ist. Die neuen Hirnzellen fanden zudem schnell Anschluss im Restgehirn und konnten Funktionen im System übernehmen.

Für mehr wohltuende Stille müssen wir zum Glück nicht nach Sibirien auswandern. Was es braucht ist nur die Entscheidung, uns ab und zu bewusst dem Lärm zu entziehen. Also: Pssssst!

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