27.4.17
Die Plastikgesellschaft
1967
bringt die italienische Designfirma Zanotta eine Sitzgelegenheit auf den Markt,
die eigentlich zum Relaxen am Swimmingpool gedacht ist und dennoch sofort den
Wohnraum erobert, den Sessel "Blow". Der Name ist hier Programm: Das
aufblasbare Fauteuil, das aus transparentem PVC gefertigt wird, ist leicht,
mobil, günstig und einfach zu verstauen. Doch "Blow" ist nicht nur
praktisch.
Dass der
Sessel zu einem der bekanntesten Designerstücke der 60er Jahre wird, hat andere
Gründe. Das Design und seine Nutzung als Wohnzimmermöbel stellen bürgerliche
Werte wie Beständigkeit, materiellen Reichtum und Stabilität in Frage. Der
Sessel steht für eine Kultur des Flüchtigen: Was nicht mehr gefällt oder kaputt
geht, wird weggeworfen und ausgetauscht. Die Plastikgesellschaft steht auf
ihrem Höhepunkt.
Der
Wirtschaft konnte diese Sehnsucht nach Kurzlebigkeit nur recht sein. Denn ein Produkt,
das sich nicht abnutzt, ist schlecht für das Geschäft. Doch die Kritik ließ
nicht lange auf sich warten: Bereits in den 1970er Jahren wurde die
Plastikgesellschaft zur Wegwerfgesellschaft.
Die
Studie des Club of Rome über "die Grenzen des Wachstums" prangerte
die zunehmende Ressourcenverschwendung der westlichen Industrienationen an. Und
dazu gehörte schon damals der immens hohe Verbrauch von Kunststoffgütern aller
Art, von denen ein Großteil aus Erdöl gefertigt wurde.
Doch
diese Kritik wurde nicht gehört. Kunststoff ist heute überall. Verpackungen,
Gebrauchsgegenstände, Elektrogeräte, Kleidung, Möbel, Bürobedarf,
Beschichtungen, Arbeitsgeräte, Ausweise und Kreditkarten - es gibt nur wenige
Dinge, die nicht aus Plastik gefertigt werden können. Rund 250 Millionen Tonnen
werden weltweit jährlich produziert. Und ein wesentlicher Teil davon landet im
Müll oder - noch schlimmer - im Meer.
Dort
haben sich riesige Müllteppiche gebildet. Jener im Nordpazifik, der "Great
Pacific Garbage Patch" ist mittlerweile so groß, das man ihn vom Weltall
aus erkennen kann. Und dieser "siebte Kontinent" wächst weiter. Laut
einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, UNEP, gelangen jedes
Jahr rund 6,4 Millionen Tonnen Plastikabfälle in die Ozeane.
Doch das
ist nicht das einzige Problem, das die Plastikverschwendung der vergangenen
Jahrzehnte gebracht hat. Einige Bestandteile von Kunststoffen stehen im
Verdacht, auf das menschliche Hormonsystem einzuwirken, krebserregend zu sein
oder sogar die Gene zu schädigen. Und das Erdöl, aus dem viele Kunststoffe
gefertigt werden, ist eine endliche Ressource.
Die Suche
nach Alternativen ist mittlerweile in Fahrt gekommen. Das Ziel sind Werkstoffe,
die sich genauso gut verarbeiten lassen, wie Kunststoffe aus fossilen
Rohstoffen, die haltbar und biologisch abbaubar sind. Würde das ausreichen,
damit die Wegwerfgesellschaft ihr abfälliges Attribut ablegen kann?
Ö1