Ein Patient ist unheilbar
krank. Medikamente können sein Leben verlängern. Der Preis dafür ist
extrem hoch. Das deutsche Gesundheitssystem ist das solidarischste der
Welt. Wie lange noch?
Die Diskussion darüber, welche Behandlung
zu welchem Preis durchgeführt werden kann, ist längst überfällig. Darf
man Patienten personalisierte Medizin verweigern und gleichzeitig
Kettenraucher kostenlos behandeln? Wer verursacht welche Kosten?
Eine
Monatsration zur Bekämpfung von Leberkrebs beispielsweise kostet 5000
Euro und bringt eine durchschnittliche Lebensverlängerung von knapp drei
Monaten. Die Kostenfrage bei Krebsleiden wirft weitere Fragen auf: Was
ist mit Lifestyle-Erkrankungen wie Adipositas oder Bluthochdruck? Muss
die Gesellschaft deren Behandlung bezahlen? Und Risikosportler?
Finanzieren wir das Verletzungsrisiko bei teuren Freizeithobbies mit?
Ist das Leben eines 30-jährigen Familienvaters mehr wert als das eines
80-Jährigen, der sein Leben lang in das Gesundheitswesen einbezahlt hat?
In England hat die Regierung das Problem ganz pragmatisch
gelöst, mit dem QALY-Konzept – dem Quality Adjusted Life Year. Nach
einem Punktesystem wird entschieden, wie hoch die gesundheitliche
Lebensqualität und die Lebenserwartung des Patienten sind.
Unternehmerisch gesprochen: Eine "Balanced Scorecard" des Lebens. Je
höher desto besser. Ein gut verdienender Vater von zwei Kindern würde
dann noch behandelt. Wenn man aber schon älter ist oder Vorerkrankungen
hat und eine Therapie nur wenig Besserung bringen würde, könnten die
Ärzte von einer Behandlung absehen - wie bei einem alten Auto. Kritiker
sehen darin eine Diskriminierung von älteren Menschen.
Kann man
die Behandlung von Krankheiten von den Kosten abhängig machen?
Vielleicht müssen wir das in Zukunft, denn immer mehr Wirkstoffe werden
für den Patienten maßgeschneidert. Eine Untersuchung der EU empfahl
2013, QALY nicht anzuwenden, da dies kein "wissenschaftlicher Ansatz zur
Bewertung und Priorisierung von Medikamenten" und zudem die
Punkteberechnung mathematisch fragwürdig sei.
Wie viel ist eine
Gesellschaft bereit zu geben? Was ist der Wert des Lebens? Das Dilemma
ist offensichtlich: Für den Patienten zählt die reine Statistik nicht,
wenn es ums Überleben geht. Er hofft, dass er derjenige ist, bei dem das
Mittel anschlägt, und sei die Chance noch so gering. Für die
Allgemeinheit geht es um die Finanzierung aller medizinischen
Leistungen. Für die Mediziner um sinnvolle Behandlungen. Individuelle,
gesamtgesellschaftliche und medizinische Interessen prallen aufeinander.
In 3sat steht der Donnerstagabend im Zeichen der Wissenschaft: Um
jeweils 20.15 Uhr beleuchtet eine Dokumentation relevante Fragen aus
Natur- und Geisteswissenschaften, Kultur und Technik. Im Anschluss, um
21.00 Uhr, diskutiert Gert Scobel über ein verwandtes Thema.
# posted by claus_kirche @ 20:51