30.11.17

 

Unter der TRANSIT-LAWINE


600.000 Tonnen CO2 lässt uns der Lkw-Transit jährlich im Land! 



Geht freier Warenverkehr vor Gesundheit von Mensch & Umwelt? 

Montagmorgen 6.45 Uhr! Stoßstange an Stoßstange stehen die Schwer-Lkw, oft sogar zweispurig, so dass dazwischen eingeklemmte Pkw-Lenker nicht nur immensen Gefahren ausgesetzt sind, sondern oft nicht einmal die nötigen Abfahrten erreichen. Diese erschreckende Entwicklung bekommen Zehntausende Pendler in ganz Österreich jeden Tag mit. In der Ostregion auf der Südosttangente ebenso wie am Brenner. Die Autolenker sind da
wie dort oft stundenlang hilflos eingeklemmt, weil immer mehr Transitverkehr über die Grenzen rollt. Und wo schon ein kleinerer Unfall (vor drei Jahren kippte ein schlecht gesicherter litauischer Pellets-Transporter um) für den kompletten Verkehrskollaps sorgen kann. „Der ungezügelte freie Warenverkehr ist ein festgeschriebenes Grundrecht der EU und wird über die Gesundheit der Menschen gestellt. Auch die Natur kommt unter die Räder“, kritisiert VCÖ-Experte Christian Gratzer angesichts der von seinen Experten errechneten Zahlen von jährlich 600.000 Tonnen CO2, die von diesem Blechmoloch ausgestoßen werden.
Umso begrüßenswerter ist der mutige Schritt des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter, der jetzt mit Notmaßnahmen vor allem den Lkw-Transit aus dem benachbarten Bayern einbremste. Denn der Landeschef führte jetzt kurzerhand wieder die Blockabfertigung ein. Konkret: Von Deutschland kommend, wurden bei Kufstein nur noch 300 Schwerfahrzeuge pro Stunde über die Grenze gelassen. Die Folge war zwar ein kilometerlanger Stau in Bayern, doch immerhin setzte der ÖVP-Politiker ein deutliches Zeichen gegen den Transitwahnsinn. Obwohl die mächtige deutsche Spediteurslobby jetzt mit Klagen in Millionenhöhe droht, blieb und bleibt Platter standhaft. „Wir brauchen endlich Kostenwahrheit für Schiene und Straße. Und eine drastische Erhöhung der Mautgebühren, um den Wahnsinn zu stoppen“, gab Platter kämpferisch zur Antwort. Er verweist auf voraussichtlich 2,2 Millionen Lkw, die mit Ende des Jahres den Brenner passiert haben werden. „Unser Grenzübergang zu Italien ist stärker belastet als alle vier großen Schweizer Alpenüberquerungen zusammen. Es muss für unsere Bürger, aber auch die Bergwelt eine Grenze der Belastbarkeit geben. Denn die ist jetzt erreicht“, fordert der Landeshauptmann unmissverständlich.
Zum Vergleich: Im Jahr 2000 fuhren über alle eidgenössische Pässe fast so viele Lkw wie allein über den Brenner. Seither ist die Zahl der alpenquerenden Lkw in der Schweiz um 429.000 zurückgegangen, über den Brenner aber um 540.000 gestiegen. Das hat vor allem seinen Grund in der Höhe der Mautgebühren: Wenn Lkw durch die Schweiz fahren, ist das doppelt so teuer wie am rotweißroten Brenner-Abschnitt. Und wenn die schweren Brummer über Frankreich rollen, wird es für Frächter dreimal so teuer. Im Detail: Die Maut vom Brenner bis Kufstein (Streckenlänge 121 km) beträgt 88 Cent pro Kilometer, während sie von Rosenheim bis Kufstein 16 Cent (31 km) beziehungsweise von Verona in Italien bis zum Brenner (238 km) läppische 17 Cent beträgt. Im Verhältnis mehr als eklatante Preisunterschiede also! Begünstigt durch Billigstdiesel, wie es ihn nur an Österreichs, speziell für Laster reservierten Zapfsäulen gibt.
In nackten Zahlen: Laut VCÖ haben sich die vom Lkw-Verkehr verursachten CO2-Emissionen in Österreich seit dem Jahr 1990 von 4,2 auf 9,5 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt. Und im vergangenen Jahr machte der Lkw-Transitverkehr 11 Milliarden Tonnenkilometer aus – das ist ein Drittel des gesamten Lkw-Gütertransports in Österreich! Das Empörende daran: 98,4 Prozent dieser durch unser Land rollenden Schwerfahrzeuge sind mit ausländischem Kennzeichen unterwegs. Viele Lkw sind außerdem „ausgeflaggt“, das heißt, dass immer mehr heimische Transportunternehmer ihre Flotten etwa in der Slowakei oder Ungarn anmelden, weil dort die Löhne und Sozialstandards für die Chauffeure deutlich niedriger sind. Diese schweren Brummer fahren dann ebenfalls und ungeniert mit ungarischem oder slowakischem Kennzeichen durch Österreich.
Das alles führt dazu, dass wir immer mehr Luftschadstoffe schlucken müssen. Nach den für die „Krone“ exklusiv vom VCÖ angestellten Berechnungen kommen unter anderem mehr als 3400 Tonnen Stickoxide dazu. Diese lösen – wie der Wiener Umweltmediziner Hans Peter Hutter warnt – Lungenschäden, Atemwegserkrankungen und im schlimmsten Fall sogar Herzinfarkte aus. Die höchste Belastung bei diesen Schadstoffen wurde in Vomp in Tirol an der A 12 gemessen. Zu den gesundheitsschädlichen Stickoxiden kommen durch die Transit-Lkw weiters rund 55 Tonnen des noch um einiges gefährlicheren Feinstaubs. Wobei hier weniger das Gewicht als die Anzahl der Feinstaubpartikel zählt. Je kleiner (und leichter) diese sind, desto schädlicher für unsere Gesundheit. Die Ultrafeinstaubpartikel gelangen bis in die Lungenbläschen und den Blutkreislauf. Sie wurden sogar bereits im Gehirn nachgewiesen.
Da sind aber auch noch die gewaltigen Schäden an den heimischen Straßen. Denn ein 40-Tonner belastet die Straße etwa so stark wie 40.000 bis 50.000 Pkw. Außerdem einzukalkulieren: Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Unfälle, in denen die Lastwagen verwickelt sind.
Angesichts all dieser erschreckenden Fakten ruft Verkehrsclub Österreich-Experte Christian Gratzer jetzt den ökologischen Notstand aus. Er fordert von der neuen Regierung einen nationalen Schulterschluss gegen den Transitwahn, und er nennt die Eidgenossen als Vorbild: „So, wie es bei uns einen nationalen Konsens gegen die Atomenergie gibt, ist in der Schweiz über alle Parteigrenzen hinweg ein klares Ja zu starkem Ausbau und Förderung der Bahn verankert. Außerdem verlangt VCÖ-Aktivist Christian Gratzer, dass Österreich endlich vehementer auftritt: „Wer immer künftig neuer Verkehrsminister wird, er oder sie muss in Brüssel Sonderregelungen erwirken. Denn kein Land in der EU ist mehr belastet als Österreich. Daher darf die Politik sich nicht mehr den Drohgebärden der Frächter-Lobby beugen. 

Weitere Forderungen:
Eine ordentliche, faire Ökologieabgabe ohne wie bisher Tausende Ausnahmeregelungen und Finten.
● Die Schließung und Überwachung allfälliger Schleichwege und „Fluchtrouten“. Höhere Mautgebühren dürfen nicht dazu führen, dass die Flotten dann über Nebenstraßen ausweichen, um doch noch billig zum Ziel zu kommen.
Es darf ab sofort keine Zerstörung unserer Umwelt zum Schnäppchenpreis mehr geben! Ein Umdenken würde wegen der Verteuerung auch schlagartig die qualvollen Tiertransporte über Tausende Kilometer hinweg und die ebenso unnötige wie klimafeindliche Lebensmittelverfrachtung stoppen.
Das Grundrecht der EU auf „freien Warenverkehr“ stammt aus der Zeit, als der Osten noch nicht dazu gehört hat und ist auch ökologisch nicht mehr zeitgemäß. Es darf daher nicht über dem Grundrecht auf Gesundheit stehen! Eine künftige Regierung wird in Brüssel stärker auftreten und Unterstützung anfordern müssen. Damit Österreich hier nicht unter die Räder kommt.
 

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