11.5.08

 

Das versöhnte Herz von Frere Roger

Frère Roger war ein unschuldiger Mensch. Nicht, daß kein Fehl in ihm gewesen sei. Aber für einen Unschuldigen haben die Dinge eine Offensichtlichkeit und Unmittelbarkeit haben, die sie für die anderen nicht besitzen. Für einen unschuldigen Menschen ist die Wahrheit offensichtlich. Sie hängt nicht von Überlegungen ab. Er „sieht“ sie sozusagen, und es fällt ihm schwer, sich darüber klar zu werden, daß andere einen mühevolleren Zugang haben. Was er sagt, ist für ihn einfach und klar, und er ist erstaunt, daß die anderen es nicht ebenso empfinden. Man begreift unschwer, daß er oft wehrlos dasteht oder sich verletzlich fühlt.

Er machte sich keine Illusionen über das Böse. Er war eher verletzlicher Natur. Aber er hatte die Gewißheit, daß ein liebender und verzeihender Gott sich weigert, auf das Böse zurückzukommen. Jedes echte Verzeihen läßt den Grund des menschlichen Herzens aufleben, jenen Grund, der für die Güte gemacht ist.

Vielleicht liegt hierin das Kostbarste vom Erbe Frère Rogers: der Sinn für Liebe und Verzeihen, zwei Dinge, die für ihn offensichtlich waren, und die er in einer Unmittelbarkeit begriff, die uns oft entging. Auf diesem Feld war er wahrhaft ein Unschuldiger, stets einfach, wehrlos, im Herzen der anderen lesend, zu äußerstem Vertrauen fähig. Sein heller, unbefangener Blick spiegelte dies wider. Er fühlte sich unter Kindern deshalb so wohl, weil sie die Dinge mit derselben Unmittelbarkeit leben und erleben; sie können sich nicht schützen und können nicht glauben, was kompliziert ist; ihr Herz fliegt allem zu, was sie berührt.

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