4.2.16

 

Die überfällige Demontage tödlicher Traditionen

Prof. Armin Geus rezensiert Hamed Abdel-Samad: Mohamed. Eine Abrechnung

Das neueste Werk des Islamkritikers Hamed Abdel-Samad hat wider Erwarten schon Wochen vor Erscheinen für gehörige Aufregung gesorgt. Pflichteifrige Rezensenten wagten zwar nicht an dessen wissenschaftlicher Kompetenz zu zweifeln – Sohn eines sunnitischen Imams in der Nähe von Kairo 1972 geboren, strenggläubig erzogen und zeitweise Mitglied der militanten Muslimbruderschaft – warnten aber dennoch vor dem Inhalt einer Streitschrift, die ausdrücklich als „Abrechnung“ mit der Person des Propheten und dessen Anspruch der Gesandte Allahs zu sein, ausgewiesen ist. Obwohl der Verfasser betont, er habe nicht die Absicht, den vielen vorhandenen Biographien eine weitere hinzu zu fügen, wurde ihm unterstellt, er sei in der „aktuellen Biographie des Propheten weit über das Kritische hinaus“ geraten und habe sich im „Phantasieren über Muhammad“ ergangen (Rainer Hermann in der FAZ am 1. Oktober 2015). „Mit dem Besteck der Psychologie“, heißt es an anderer Stelle, betreibe er eine Art maskierter Selbstanalyse und präsentiere sich als „ein Mann im Rausch der Meinungsfreiheit“ (Deike Diening im Tagesspiegel am 29. September 2015). Unbefangene Leser werden allerdings feststellen, dass es Abdel-Samad in erster Linie um die schonungslose Untersuchung eine multiplen Persönlichkeit mit allen Symptomen des religiösen Prophetenwahns geht, auf die sich radikale Islamisten ebenso berufen wie moderate Muslime.

Hamed Abdel-Samad hat das verhängnisvolle Junktim von Halluzination und Paranoia richtig erkannt, aus dem der Prophet ein totalitäres System schuf, das alle religiösen, politischen, sozialen und juristischen Belange der Gläubigen sowie das private Lebens jedes einzelnen Menschen betrifft. Die fortgesetzte Wahnarbeit qualifizierte Mohammed so zum geistlichen und weltlichen Führer seiner Gemeinde. Dies unterscheidet ihn von allen anderen Gestalten der Religionsgeschichte, was hierzulande fahrlässig ignoriert wird und was die meisten Muslime absichtlich verschweigen.

Der Verfasser hat ein mutiges, ehrliches Buch geschrieben. Die Bilanz seiner „Abrechnung“ kann sich sehen lassen. Er hat sich auf die überfällige Demontage tödlicher Traditionen eingelassen und den „Liebling Allahs“ als geisteskranken Religionsstifter entzaubert. Leider verzichtete er neuere Publikationen zu erwähnen, die vor ihm zu übereinstimmenden Ergebnissen gekommen sind, aber in maßgeblichen Zeitungen entweder totgeschwiegen oder als islamophobe Machwerke denunziert wurden. Bedauerlicherweise fehlt ein Personenregister, das die Benutzung des Bandes erleichtern und seiner Verbreitung als Instrument der islamkritischen Arbeit fördern würde.

Hamed Abdel-Samad (2015): Mohamed. Eine Abrechnung. München, Droemer-Knaur, 240 Seiten, 19,99 Euro.

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