26.4.16
Genozid an Armeniern: Alles, was Sie wissen müssen
Vor 100 Jahren wurden Hunderttausende Armenier von den Osmanen
deportiert und getötet. Hans-Lukas Kieser, Professor für Geschichte der
Neuzeit an der Universität Zürich, nimmt zu einigen der wichtigsten
Punkten Stellung.
Das armenische Siedlungsgebiet lag seit dem 19. Jahrhundert in der Türkei (damals Osmanisches Reich) und in Russland. Die Armenier stellten schon früh Forderungen nach Reformen für eine Gleichstellung innerhalb des Osmanischen Reiches. Das niedergehende Osmanische Reich reagierte vor allem mit Repression und ersten Massakern.
Noch schlimmer wurde die Lage für die Armenier, als Ende 1914 eine Grossoffensive des Osmanischen Reiches gegen Russland im Kaukasus mit einer verheerenden Niederlage endete. Armenier hatten auf beiden Seiten gekämpft. Obwohl die Mehrheit der armenischen Zivilisten und Soldaten gegenüber dem Osmanischen Reich loyal geblieben war, machte die Regierung die Armenier kollektiv für die militärischen Probleme verantwortlich – zumal einige von ihnen den Krieg kritisierten und auf den Sieg der Gegner hofften. Die Armenier wurden zu Sündenböcken.
Am 24. April 1915 liess die jungtürkische Regierung armenische Intellektuelle in Konstantinopel verhaften, deportieren und töten. Die treibende Kraft war dabei Innenminister Talaat Bey. Dieses Datum gilt als Auftakt zum Völkermord und wird heute von den Armeniern als Genozid-Gedenktag begangen.
Die Armenier wurden in den kommenden Wochen aus ganz Anatolien deportiert. Alles war telegrafisch gesteuert. Die zentrale Planung war tödlich angelegt. Ein Grossteil der armenischen Männer wurde hingerichtet. Viele Frauen und Kinder starben auf den Todesmärschen in Richtung syrische Wüste. Die Überlebenden verhungerten in den Wüstenlagern oder wurden im August 1916 bei Deir al-Sor im Osten des heutigen Syriens massakriert. Etwa eine Millionen Armenier kamen ums Leben. Die Armenier sprechen sogar von bis zu 1,5 Millionen Toten.
Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermordes zurück und spricht von kriegsbedingten Ereignissen. Das Hauptproblem Ankaras, den Genozid an den Armeniern anzuerkennen, liegt in der Gründungsgeschichte des türkischen Nationalstaates. Eine Anerkennung würde seine Helden in Frage stellen und ein grelles Licht auf die Rolle des Massenraubmords von 1915/16 für den Aufbau des Nationalstaates werfen.
Die Armenier sind das älteste christliche Volk der Welt, das seit über 2700 Jahren im Gebiet zwischen dem Hochland Ostanatoliens und dem Südkaukasus heimisch ist.
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Das armenische Siedlungsgebiet lag seit dem 19. Jahrhundert in der Türkei (damals Osmanisches Reich) und in Russland. Die Armenier stellten schon früh Forderungen nach Reformen für eine Gleichstellung innerhalb des Osmanischen Reiches. Das niedergehende Osmanische Reich reagierte vor allem mit Repression und ersten Massakern.
Noch schlimmer wurde die Lage für die Armenier, als Ende 1914 eine Grossoffensive des Osmanischen Reiches gegen Russland im Kaukasus mit einer verheerenden Niederlage endete. Armenier hatten auf beiden Seiten gekämpft. Obwohl die Mehrheit der armenischen Zivilisten und Soldaten gegenüber dem Osmanischen Reich loyal geblieben war, machte die Regierung die Armenier kollektiv für die militärischen Probleme verantwortlich – zumal einige von ihnen den Krieg kritisierten und auf den Sieg der Gegner hofften. Die Armenier wurden zu Sündenböcken.
Am 24. April 1915 liess die jungtürkische Regierung armenische Intellektuelle in Konstantinopel verhaften, deportieren und töten. Die treibende Kraft war dabei Innenminister Talaat Bey. Dieses Datum gilt als Auftakt zum Völkermord und wird heute von den Armeniern als Genozid-Gedenktag begangen.
Die Armenier wurden in den kommenden Wochen aus ganz Anatolien deportiert. Alles war telegrafisch gesteuert. Die zentrale Planung war tödlich angelegt. Ein Grossteil der armenischen Männer wurde hingerichtet. Viele Frauen und Kinder starben auf den Todesmärschen in Richtung syrische Wüste. Die Überlebenden verhungerten in den Wüstenlagern oder wurden im August 1916 bei Deir al-Sor im Osten des heutigen Syriens massakriert. Etwa eine Millionen Armenier kamen ums Leben. Die Armenier sprechen sogar von bis zu 1,5 Millionen Toten.
Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermordes zurück und spricht von kriegsbedingten Ereignissen. Das Hauptproblem Ankaras, den Genozid an den Armeniern anzuerkennen, liegt in der Gründungsgeschichte des türkischen Nationalstaates. Eine Anerkennung würde seine Helden in Frage stellen und ein grelles Licht auf die Rolle des Massenraubmords von 1915/16 für den Aufbau des Nationalstaates werfen.
Die Armenier sind das älteste christliche Volk der Welt, das seit über 2700 Jahren im Gebiet zwischen dem Hochland Ostanatoliens und dem Südkaukasus heimisch ist.
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