26.4.16

 

In der Strafsache Jan Böhmermann

Der Freispruch

Alexander Ignor, einer der bekanntesten Strafverteidiger Deutschlands, spielt den Fall Böhmermann durch, Schuldspruch wegen Beleidigung nach § 185 StGB ebenso wie Freispruch. Hier Ignors Begründung, warum der Angeklagte aus Rechtsgründen freizusprechen ist.


Zwar hat das vom Angeklagten in der Sendung „Neo Magazin Royale“ präsentierte Gedicht für sich genommen im Sinne des § 185 StGB beleidigende Inhalte. Insbesondere sagt es dem Antragsteller perverse sexuelle Handlungen nach und stellt ihn in eine Reihe mit bekannten Sexualtätern. Diese Äußerungen waren aber erkennbar nicht ernst, sondern satirisch gemeint. Damit bewegen sich die Äußerungen jedenfalls noch im Rahmen des durch die Meinungsfreiheit (Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz) geschützten Bereichs.
Es kann daher dahinstehen, ob auch der Schutzbereich der Kunstfreiheit (Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz) eröffnet ist. Das ist nicht schon deswegen der Fall, weil es sich bei dem Gedicht und dem Beitrag, in den es eingebettet ist, um eine Satire handelt. Satire kann zwar Kunst sein, aber nicht jede Satire ist Kunst.

Zu beachten ist der Kontext von Jan Böhmermanns Präsentation

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz) ist für die freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend. Es ermöglicht die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist. In gewissem Sinn ist es die Grundlage jeder Freiheit überhaupt. Zwar wird das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der Ehre begrenzt. Diese Grenzen müssen aber ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden.
Wird durch eine Meinungsäußerung das gesetzlich geschützte Rechtsgut eines anderen beeinträchtigt, ist eine Güterabwägung erforderlich. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit muss vor allem da in die Waagschale fallen, wo von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzungen Gebrauch gemacht wird, sondern der sich Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen will.


Die Verurteilung


Die Präsentation der vom Angeklagten selbst so bezeichneten „Schmähkritik“ im Rahmen der Fernsehsendung „Neo Magazin Royale“ stellt eine strafbare Beleidigung dar. Darunter ist nach allgemeiner Ansicht eine Kundgabe der Miss- oder Nichtachtung einer anderen Person zu verstehen. Der Angeklagte hat in seinem Gedicht dem Anzeigenerstatter, der das Amt des türkischen Staatspräsidenten bekleidet, u. a. bestimmte perverse sexuelle Praktiken nachgesagt. Damit hat er die dem Anzeigenerstatter als Träger geistiger und sittlicher Werte zukommende innere Ehre, außerdem seine darauf beruhende Geltung, seinen guten Ruf innerhalb der mitmenschlichen Gemeinschaft, verletzt.
Der Angeklagte kann sich nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, insbesondere nicht auf das Grundrecht der Kunstfreiheit (Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz) und auch nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz).

Das Gedicht überschreitet als Teil der Satire die Grenze des Zulässigen

Allein deswegen, weil der Angeklagte den Text im Rahmen einer Satiresendung dargeboten und wohl als satirischen Beitrag verstanden hat, ist noch nicht der Schutzbereich des Grundrechts der Kunstfreiheit eröffnet. Satire kann zwar Kunst sein, aber nicht jede Satire ist zugleich Kunst. Für die rechtliche Einordnung als Kunst kommt es maßgeblich darauf an, ob die Darstellung das geformte Ergebnis einer freien schöpferischen Gestaltung ist. Zwar besteht das Gedicht aus Paarreimen nach der Art von Knittelversen, die sich der Angeklagte oder ein anderer für die Sendung ausgedacht hat. Der Angeklagte hat das Gedicht jedoch selbst als „Schmähkritik“ überschrieben und mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sein Inhalt unzulässig ist.
Selbst wenn man den Sketch, innerhalb dessen der Angeklagte das Gedicht vorgelesen hat, insgesamt als Kunst ansehen wollte und in seinem Kern als Kritik am Umgang des Anzeigenerstatters mit der Meinungsfreiheit versteht, überschreitet doch das Gedicht als Bestandteil der satirischen Einkleidung die Grenzen des Zulässigen.

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